Artikel

Immunsystem wird von ehemaligen Viren gesteuert

Forscher haben im Genom stillgelegte Viren gefunden. Deren Funktion ist aber noch weitgehend unbekannt, im Gegensatz zu den mehr als 20.000 Genen selbst. In der Zeitschrift „Science“ wurden neue Ergebnisse veröffentlicht. Die stillgelegten Viren erfüllen eine wichtige Aufgabe im Immunsystem.


Grundsätzlichen machen Viren nichts anderes, als Zellen zu besetzen und diese für ihre Vermehrung zu nutzen. Retroviren bauen sich dabei sogar in das Erbmaterial der Wirtszellen ein. Bleiben sie in den Zellen stecken und handelt es sich dabei um Ei- oder Samenzellen, so werden sie von einer Generation an die nächste weitergegeben. Dadurch sind nach Millionen von Jahren geschätzt 100.000 Retroviren zu einem Teil des Menschen geworden. Nels Elde, Genetiker an der Universität von Utah, USA, hat es sich zur Aufgabe gemacht, heraus zu finden, ob diese Viren im menschlichen Erbgut eine konkrete Aufgabe erfüllen.

„Wir haben bei einigen endogenen Retroviren beobachtet, dass sie bei Infektionen als genetische Schalter im Erbgut des Menschen funktionieren. Das heißt, sie wurden umgewidmet. Sie sind nicht mehr infektiös, sondern helfen uns heute bei der Virenabwehr.“

  

Viren wichtig für Immunsystem

Wie Elde und sein Team feststellten, sind die stillgelegten Viren im Erbgut Teil des Interferonnetzwerks menschlicher Immunzellen. Interferone sind Proteine oder Glykoproteine, die eine immunstimulierende und vor allem antivirale Wirkung haben. So versuchten die Forscher die Viren auszuschalten, um so deren Aufgabe bei der Virusabwehr heraus zu finden.

„Mit der Gentechnik-Methode Crispr-Cas 9 konnten wir das Erbgut der Immunzellen nach Wunsch verändern. So haben wir ehemalige Viren aus dem Erbmaterial der Zellen herausgeschnitten. Und tatsächlich wurde die Immunantwort der Zellen dadurch beeinträchtigt“ so Elde. Dadurch wurde die Abwehrreaktion des Körpers in seiner gesamten Funktionsweise derart eingeschränkt, dass das Immunsystem praktisch nicht mehr funktionsfähig war.

   

Neue Erkenntnisse für Evolution

Zu bedenken bei der weiteren Forschung gelte es, dass jede Art eigene Viren hat. „Wenn wir die Immunfunktion im Tierversuch bei Mäusen untersuchen, sollten wir berücksichtigen, dass das Immunsystem bei diesen Tieren anders gesteuert wird, als beim Menschen. Denn sie wurden von anderen Viren befallen. Das können wir jetzt erkennen“ sagte Elde weiter.

Die Erkenntnisse des Forschungsteams bedeuten jedoch auch, dass die Mechanismen der biologischen Evolution in ein neues Licht gerückt werden, gibt es doch mit Viren nun einen weiteren Faktor, der neben Mutation und Selektion die Entwicklung der Arten steuert.

http://www.deutschlandfunk.de/medizin-ehemalige-vi...

Kommentare