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Korrelation von Pallästhesie und posturaler Kontrolle bei Personen mit Parkinsonsyndrom

Korrelation von Pallästhesie und posturaler Kontrolle bei Personen mit Parkinsonsyndrom

„Zusammenhang zwischen dem Vibrationsempfinden und dem Gleichgewicht bei Parkinson“ Masterthesis für den Universitätslehrgang Neurorehabilitationsforschung MSc an der Donau Universität Krems


 

"Überprüfung einer Korrelation von Pallästhesie und Posturaler Kontrolle bei Personen mit idiopathischem Parkinsonsyndrom (IPS) – Eine explorative Querschnittstudie"

„Zusammenhang zwischen dem Vibrationsempfinden und dem Gleichgewicht bei Parkinson“
Masterthesis für den Universitätslehrgang Neurorehabilitationsforschung MSc an der Donau Universität Krems
Autorin: Agnes Winkler, MSc

Bevor ich beginne, meine Studie vorzustellen, möchte ich mich ganz herzlich bei der Parkinson Selbsthilfe Wien bedanken. Das Engagement und die Unterstützung der Mitwirkenden und der Teilnehmer haben diese Studie erst möglich gemacht. Vielen Dank!!!

Wissenschaftlicher Hintergrund und Ziel: Das Idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung im Alter. Eines der motorischen Symptome ist die Posturale Instabilität, also ein eingeschränktes Gleichgewicht. Das kann die Lebensqualität der Betroffenen beträchtlich einschränken. Personen mit IPS weisen allerdings nicht nur motorische Defizite auf, sondern es können auch Einschränkungen der Sensibilität auftreten. Eine Studie von Buchman et al 2009 hat einen Zusammenhang zwischen einem eingeschränkten Vibrationsempfinden und einem reduzierten Gleichgewicht, sowie einem parkinsontypischen Gangbild bei mehr als 600 älteren Menschen gefunden [1]. Die Frage, die sich mir gestellt hat war, ist das ein krankheitsspezifisches Phänomen? Also ist das Vibrationsempfinden an den Füßen bei Personen mit Parkinson im Vergleich zu den publizierten Normdaten eingeschränkt? Und gibt es einen Zusammenhang mit der Gleichgewichtsfähigkeit?

Population: Es haben insgesamt 35 Personen mit IPS an dieser Studie teilgenommen. Die 20 Frauen und 15 Männer waren zwischen 41 und 78 Jahren alt.
Methodik: Das Studiendesign war eine explorative Querschnittstudie. Die Teilnehmer nahmen an einer einmaligen Testung teil, in der alle Daten erhoben wurden. Die Datenerhebung fand von März bis September 2016 in der Parkinson Selbsthilfe Wien im Rahmen einer Gruppen-Präventionseinheit statt. 

Hauptzielparameter: Ich habe das Vibrationsempfinden mittels einer graduierten Stimmgabel nach Rydel Seiffer 128Hz an jeweils 3 Punkten an beiden Füßen getestet. Das Gleichgewicht wurde mittels der Berg Balance Scale (BBS) getestet. Die BBS besteht aus 14 Aufgaben, wie zum Beispiel vom Sessel aufstehen, sich um 360° drehen, einen Gegenstand vom Boden aufheben oder auf einem Bein zu stehen. Die Durchführung wurde von mir anhand standardisierter Kriterien mit Punkten von 0-4 bewertet. Alle Punkte wurden zu einem Gesamtwert von maximal 56 Punkten addiert, der eine Aussage über die Gleichgewichtsfähigkeit zulässt.

Ergebnisse: Es besteht kein Zusammenhang zwischen dem Vibrationsempfinden und dem Gleichgewicht bei Personen mit Parkinson (Statistische Signifikanz: p-Wert=0,457 bis 0,980). Ebenfalls ist das Vibrationsempfinden im Vergleich mit den vorhandenen Normdaten bei Personen mit IPS nicht reduziert. Die Ergebnisse der Berg Balance Scale, als Testung der Gleichgewichtsfähigkeit, zeigen starke Zusammenhänge mit dem Alter, der Erkrankungsdauer, dem Schweregrad der Erkrankung und der Sturzhäufigkeit in den letzten 12 Monaten. Hier hat sich gezeigt, dass es vor allem die dynamischen Bewegungsabläufe sind, die mit der Sturzhäufigkeit zusammenhängen. Beim dynamischen Gleichgewicht geht es darum, die Balance während einer Bewegung zu halten. Zum Beispiel vom Sessel aufstehen, oder auf eine Stufe steigen. Im Gegensatz dazu wird das statische Gleichgewicht definiert, wo es das Ziel ist, eine Position zu stabilisieren also z.B. auf einem Bein zu stehen. Genauer analysiert sind es zwei   Bewegungsabläufe, die stark damit zusammenhängen, ob man in den letzten 12 Monate gestürzt ist, oder nicht. Das war zum einen, einen Gegenstand vom Boden aufheben und zum anderen sich auf der Stelle um 360° drehen. Auch wurde die subjektive Einschätzung der eigenen Gleichgewichtsfähigkeit anhand einer Skala von 0 bis 10 erfragt und mit den Werten der BBS verglichen. Es zeigt sich, dass die eigene Gleichgewichtsfähigkeit deutlich unterschätzt wird (p=0,000). 

Schlussfolgerung: Anhand der Ergebnisse dieser Studie kann davon ausgegangen werden, dass das Vibrationsempfinden bei Personen mit Parkinson im Vergleich zu den Normdaten nicht eingeschränkt ist und es keinen Zusammenhang mit dem Gleichgewicht gibt.
In Bezug auf das Sturzrisiko scheinen die dynamischen Bewegungsabläufe wichtiger zu sein, als die statischen. Für die Physiotherapie könnte das bedeuten, dass vor allem das dynamische Gleichgewicht zur Sturzprophylaxe trainiert werden sollte. Um dazu allerdings genauere Aussagen dazu machen zu können, müssten weitere Studien durchgeführt werden.
Eine weitere wichtige Fragestellung ist, inwiefern die subjektive Unterschätzung der eigenen Gleichgewichtsfähigkeit einen Einfluss auf den Alltag hat und wie man hier physiotherapeutisch ansetzen kann.

Ein weiteres „Ergebnis“ meiner Studie, über das ich mich persönlich sehr freue, ist, dass sich aus der angebotenen Gruppen-Präventionseinheit, Dank bestehendem Interesse, die „Parkinson Aktivgruppe“ entwickelt hat. Es werden Übungen in verschiedenen Schwierigkeitsstufen angeboten, um unter anderem das dynamische Gleichgewicht zu trainieren und zu verbessern. Die Gruppe findet jeden 2. und 4. Freitag im Monat in der Cothmannstraße 5-7, 1120 Wien statt. 


Alle Rechte liegen bei der Autorin.


[1] Buchman, A. (2009). Vibratory thresholds and mobility in older persons. Muscle Nerve, 39, S. 754-60.

 

 

 

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