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Immunization Week: Fakten versus Fakes

Immunization Week: Fakten versus Fakes

Die Argumente der Impfgegner – und was davon wahr ist


Aus der Psychologie ist bekannt, dass es für die meisten Menschen schwerer ist, einen Menschen durch aktives Tun zu verletzen als durch passives Nichtstun. Das zeigt sich auch beim Impfen. Eltern wollen ihren Kindern den Nadelstich und vermeintliche negative Folgewirkungen einer Impfung ersparen, wählen in Wahrheit dadurch aber das größere Gesundheitsrisiko für ihr Kind. Basis für die weitverbreitete Skepsis und die Angst vor Impfschäden aller Art sind nicht zuletzt Internetportale voll mit Schreckensmeldungen und Behauptungen. Viele davon stützen sich auf längst revidiertes Wissen, andere entbehren jeder Grundlage. Manche enthalten aber inmitten unrichtiger Informationen  zumindest einen wahren Kern.

„Impfungen unterscheiden sich von anderen Gesundheitsmaßnahmen in zwei wesentlichen Dingen“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Ingomar Mutz: „Sie werden an Gesunden durchgeführt und es geht nicht nur um den Schutz des Individuums, sondern auch um jenen der Gesamtbevölkerung (Herdenschutz).“ Dementsprechend sei es auch wichtig, Nutzen und Risiko abzuwägen. „Allerdings wird ein Impfstoff ohnehin nur dann von den Behörden zugelassen, wenn der Nutzen bei weitem überwiegt“, so Mutz weiter. Die Ängste vieler Menschen vor Impfungen müsste man aber unbedingt ernst nehmen und  mit fundierten Fakten entkräften.

Die wichtigsten Mythen im Überblick

1. Bessere Hygiene und Ernährung haben zum Rückgang vieler Krankheiten geführt, nicht die Impfungen

Ein Klassiker in der Impfgegner-Community mit einem wahren Kern. Es stimmt, dass verbesserte sozioökonomische Verhältnisse, bessere Ernährung, sauberes Trinkwasser und Hygienemaßnahmen Auswirkungen auf Krankheiten haben. Der zeitliche Verlauf im Auftreten von bestimmten Infektionskrankheiten zeigt allerdings eindeutig einen Zusammenhang mit der Einführung der entsprechenden Impfungen. Das kann man beispielsweise am Rückgang der Masern erkennen. Über die Jahre gab es einmal mehr und einmal weniger Masernfälle, zu einem permanenten starken Rückgang kam es aber erst ab dem Einsatz des Masernimpfstoffes im Jahr 1963. Ähnliche Verläufe zeigen sich beim Auftreten von Hepatitis B vor und nach Einführung des Impfstoffes beziehungsweise bei Haemophilus Influenzae Typ B (Hib). Auch die Gegenbeispiele gibt es: Länder, in denen die Verwendung bestimmter Impfstoffe zurückgegangen ist, erlebten ein dramatisches Revival von Krankheiten wie Keuchhusten oder Diphterie.

2. Auch geimpfte Menschen erkranken

Das ist korrekt. „Genauso wie Medikamente nicht bei allen Menschen gleich gut wirken, so entwickeln nicht alle, die geimpft werden, auch tatsächlich eine Immunität“, erklärt der Mediziner Mutz „Aber die große Mehrheit tut es, so die Impfung korrekt durchgeführt wurde“ (bei 85 bis 95 Prozent aller Kinder-Impfungen ist die Impfung wirksam). Nur bei der Influenza-Impfung ist das Ansprechen in der Regel deutlich niedriger, dennoch kann sie fast immer schwere Krankheitsverläufe vermeiden. Werden Auffrischungsimpfungen nicht zeitgerecht durchgeführt oder ist der Immunschutz noch nicht vollständig aufgebaut, kann dies natürlich Konsequenzen für die Schutzwirkung haben.

3. Viele Krankheiten gibt es bei uns gar nicht mehr, daher ist eine Impfung nicht notwendig

Es stimmt, dass viele impfpräventable Erkrankungen bei uns heute nur noch selten vorkommen. In anderen Teilen der Welt ist das allerdings oft anders. Das heißt, dass die Krankheiten jederzeit wieder zu uns eingeschleppt werden können, wenn die Bevölkerung nicht durch Impfungen geschützt ist. Sinkende Impfquoten bergen daher die Gefahr von neuerlichen Ausbrüchen. 

4. Impfungen können Krankheiten und schwere Nebenwirkungen verursachen

Immer wieder wurde behauptet, dass Impfungen Autismus, Diabetes oder Multiple Sklerose auslösen können. Beweise gibt es dafür nicht, allerdings sehr viele Studien, die das Gegenteil belegen. Der Vorwurf, dass die MMR (Masern, Mumps, Röteln)-Impfung zu Autismus führen kann, beruht auf einer Studie des britischen Arztes Andrew Wakefield, die schon vor vielen Jahren wegen grober Fehler und unethischer Forschungsmethoden zurückgezogen und sehr oft widerlegt wurde. In der Zwischenzeit hat sich auch herausgestellt, dass Wakefield Geld von Eltern autistischer Kinder erhalten hatte, die die Impfhersteller verklagen wollten. In Großbritannien hat Wakefield mittlerweile Berufsverbot.

Richtig ist, dass auch die modernsten Impfstoffe unerwünschte Reaktionen hervorrufen können. Meist handelt es sich dabei um sogenannte Impfreaktionen – also harmlose Beschwerden wie Brennen und Rötungen an der Einstichstelle, leichtes Fieber oder grippeartige Beschwerden. Eine Impfnebenwirkung ist im Gegensatz dazu eine schädliche und unbeabsichtigte Reaktion auf eine Impfung und kommt viel seltener vor. „Ob es sich überhaupt um eine Impfnebenwirkung handelt ist bei Massenimpfungen oft schwer zu bewerten, da es zu einem zeitlichen Zusammentreffen mit Krankheiten kommt, die auch ohne Impfung in der Bevölkerung vorkommen“, so der erfahrene Impfspezialist Mutz. Das ist auch der Grund, warum vor einigen Jahren darüber diskutiert wurde, ob Impfungen zum plötzlichen Kindstod beitragen. Die Vermutung konnte widerlegt werden, mittlerweile scheint eher das Gegenteil wahr zu sein. Babys, die am plötzlichen Kindstod gestorben sind, waren seltener und später geimpft.

In Österreich existiert übrigens ein Impfschadensgesetz, das für nachgewiesene Schädigungen eine finanzielle Entschädigung vorsieht. In den letzten Jahren musste eine solche in durchschnittlich nur zwei Fällen pro Jahr zuerkannt werden.

5. Die vielen Impfungen und Mehrfachimpfstoffe überlasten das Immunsystem

Moderne Impfstoffe sind hoch gereinigt und beinhalten nur noch einzelne Bestandteile der Erreger. Das kindliche Immunsystem ist täglich sogar mit einer wesentlich höheren Anzahl an Antigenen konfrontiert als in einer einzigen Impfung enthalten sind. Die wissenschaftliche Datenlage zeigt außerdem keinerlei Hinweise darauf, dass Mehrfachimpfungen negative Effekte auf das normale Immunsystem eines Kindes haben. Kombinationsimpfstoffe haben durchwegs Vorteile: Sie ermöglichen, dass kleine Kinder relativ früh gegen viele Krankheiten geschützt sind und sie ersparen ihnen unnötige Nadelstiche.

6. Es ist besser Krankheiten durchzumachen als zu impfen

Die weit verbreitete Idee, dass durchgemachte Krankheiten besser für das Immunsystem von Kindern seien als Impfungen, konnte bis heute nicht bewiesen werden. Impfungen trainieren das Immunsystem sogar, während Infektionen Kinder in ihrer Entwicklung beeinträchtigen und im Ernstfall schwere Komplikationen bis hin zum Tod mit sich bringen können.

Übrigens, auch wenn Eltern in ihrer Kindheit manche Infektionskrankheit folgenlos überstanden haben, bedeutet das nicht, dass das auch auf ihre Kinder zutreffen muss. Etwa ein Viertel aller Masern-Fälle bringen Komplikationen (Mittelohrentzündung, Lungenentzündung, Durchfall, Gehirnentzündung, etc.) mit sich. Außerdem hatten auch schon früher viele Kinder nicht das Glück, alle Kinderkrankheiten zu überstehen. So starben Mitte des 20. Jahrhunderts immer noch Kinder an Diphterie  allein in der BRD wurden 1949 noch 1.122 Todesfälle durch Diphtherie registriert.

7. Bei Impfungen geht es nur um das Geschäft der Pharmaindustrie

Impfstoffe gehören im Vergleich zu anderen Medikamenten zu den eher weniger lukrativen Produkten der Pharmaindustrie, da sie meist nur wenige Male verabreicht werden und die Herstellung relativ aufwendig ist. Aus gesundheitsökonomischer Sicht machen Impfungen viele teure Behandlungen unnotwendig und helfen daher sogar dabei, Kosten zu reduzieren. Außerdem gehen mehr als die Hälfte aller in Europa hergestellten und exportierten Impfstoffe an humanitäre Organisationen.

Quelle: Fine Facts Health Communication

Bildquelle: shutterstock

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