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Parodontitis ist heilbar!

Parodontitis ist heilbar!

Parodontitis ist eine stille Erkrankung, die oft über lange Zeit schmerzlos und deshalb unbemerkt verläuft. Je früher man sie erkennt und behandelt, umso besser sind die Chancen einer Heilung.


Ab einem Alter von 35 Jahren ist jeder Zweite von einer parodontalen Erkrankung betroffen. Mangel- oder Unterernährung durch extreme Diäten oder Essstörungen schwächen das Immunsystem. Manche Medikamente (z.B. gegen Bluthochdruck) und Stoffwechselerkrankungen (z.B. ein schlecht eingestellter Diabetes) begünstigen diese Entzündungen. Raucher haben ebenfalls ein erheblich höheres Risiko.

Welches sind die Ursachen der Parodontitis? und wie wir erfolgreich Parodontitis bekämpfen können- darüber klärt Dr. Kristina Bertl,Sprecherin – ÖGP Youngsters, im Interview auf: 

  • Ursachen der Parodontitis:

Primäre Ursache ist eine Anlagerung von Bakterien auf der Zahnoberfläche, die dann eine Reaktion des Immunsystems hervorruft und es kommt zu einer entzündlichen Reaktion. Die kann zunächst nur aufs Zahnfleisch begrenzt sein - das wäre die klassische Zahnfleischentzündung (Gingivitis). Wenn diese aber bestehen bleibt und der Patient für eine parodontale Erkrankung empfänglich ist und/oder beispielsweise durch eine Erkrankung das Immunsystem geschwächt ist, kann sich die Entzündung weiter auf den zahntragenden Knochen ausbreiten und dann spricht man von einer Parodontitis. Immer wenn im Körper eine Entzündung nahe eines Knochens auftritt, zieht sich der Knochen zurück und in dem Moment verliert man zahntragende Knochensubstanz. Unbehandelt geht so immer mehr Knochen verloren, bis es am Ende zum Zahnverlust kommen kann.

  • Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ernährung, systemischen Erkrankungen und Zahngesundheit?

Es sind mehrere Zusammenhänge zwischen einer Parodontitis und systemischen Erkrankungen beschrieben - ein wichtiger Punkt ist hier beispielsweise der Zusammenhang zwischen Parodontitis und Diabetes mellitus. Bei Diabetikern tritt Parodontitis häufiger und in einer schwereren Ausprägung auf und auch das Ansprechen auf die Therapie ist schlechter im Vergleich zu einem Nicht-Diabetiker. Wobei man hier berücksichtigen muss, dass das primär den schlecht eingestellten oder nicht erkannten Diabetiker betrifft! Denn ist ein Diabetiker gut eingestellt und versorgt, reagiert er ähnlich einem Nicht-Diabetiker.

  • Gibt’s den umgekehrten Fall auch: Kann eine Parodontitis auch Diabetes beeinflussen?

Dieser Zusammenhang geht in beide Richtungen. Im Rahmen einer generalisierten Parodontitis kommt es zu einer relativ großen Wund-/Entzündungsfläche, was wiederum nicht gut für die Diabeteserkrankung ist. Die Therapie der parodontalen Erkrankung und damit die Reduktion der Entzündung kann einen positiven Einfluss auf die Diabeteseinstellung haben.

  • Vitamin D eine Kariesprophylaxe! Was sagen Sie dazu?

Vitamin D ist mit relativ vielen Vorteilen verbunden und gerade in den Wintermonaten, in denen man oft nicht das ausreichende Maß an Sonne bekommt, um selber ausreichend Vitamin D zu produzieren, ist es manchmal nötig Vitamin D zu substituieren. Es gibt auch in Richtung Parodontitis und Vitamin D Status einige Untersuchungen und Parodontitis-Patienten scheinen im Vergleich zu parodontal Gesunden oft einen Vitamin D Mangel aufzuweisen.

 

  • Denken da die Zahnärzte schon dran? Werden Blutuntersuchungen im Hinblick auf Vitamin D-Mangel gemacht? 

Flächendeckend sicher nicht.

 

  • Welche Erfolgsfaktoren gibt es, um Parodontitis zu vermeiden?
                               Zahnseide die wichtigste Waffe 

Um das Entstehen einer parodontalen Erkrankung zu vermeiden, ist die regelmäßige Prophylaxe und Kontrolle beim Zahnarzt wichtig. Prophylaxe beinhaltet, die Patienten von Beginn an zu schulen und instruieren, wie sie Zuhause die Mundhygiene am effektivsten durchführen können.Sie müssen wissen, dass mit der Zahnbürste alleine nicht sämtliche Belege entfernt werdenkönnen. Man sollte je nach Patient Zahnseide und/oder ein Interdentalraumbürstchen zusätzlich verwenden, um auch die Zahnzwischenräume zu reinigen. Mit der Zahnbürste alleine erreicht man die Zahnflächen zwar wangen- und zungenseitig, aber eben nicht den Zahnzwischenraum.

  • Effektive Mikroorganismen sollen auch regenerative Prozesse unterstützen und Fäulnis-bildende Prozesse unterdrücken. Was ist das genau? Kommen diese kleinen Helferlein (Probiotika) in der Zahnmedizin zum Einsatz?

Probiotika werden durchaus eingesetzt und es gibt Produkte am Markt, die im Rahmen einer Parodontitistherapie verwendet werden können. Zum Beispiel kann man eine Probiotikakur über 3 Wochen als Ergänzung zur parodontalen Therapie empfehlen und es zeigt sich dadurch ein kleiner zusätzlicher positiver Effekt auf das Therapie-Outcome.

 

Das heißt, man nimmt Kapseln zu sich, die das Mundsäuremilleau wieder verbessern?

Wenn man im Rahmen der Therapie die Zähne reinigt, bildet sich bald danach trotzdem wieder ein Biofilm auf den Zahnoberflächen. Dieser soll aber durch die Zuführung von Probiotika in eine positive Richtung beeinflusst werden.

 

  • Ist das nur für spezielle Fälle vorgesehen?

Nein, es kann durchaus auch bei Patienten mit mittelschwerer Parodontitis zusätzlich eingesetzt werden. Patienten mögen es häufig, wenn sie noch zusätzlich etwas gegen ihre Erkrankung tun können und Probiotika haben eigentlich keine Nebenwirkungen.

 

  • Wissen Sie wie viele Österreicher an Parodontitis erkrankt sind?

Leider nein und man greift in Österreich immer nur auf die Zahlen aus Deutschland zurück. Darum ist das auch ein Thema, an dem wir gerade arbeiten. Es ist ein großes Ziel der ÖGP, dass wir die erste flächendeckende Parodontitis-Prävalenzerhebung in Österreich durchführen!

 

  • Gibt es Neuigkeiten aus der Parodontologie, die Sie am Kongress präsentiert haben?
Paroknowledge 2017

 



Zum Beispiel zum interdisziplinären Thema Parodontologie-Kieferorthopädie: Hier stellt sich häufig die Frage, ob man bei einem Parodontitis-Patienten kieferorthopädisch noch etwas „machen“ kann? Das ist aus meiner Sicht ein sehr wichtiger Punkt, denn bei Parodontitis-Patienten sind die Frontzähne oft nach wangenseitig ausgewandert und es entsteht ein Spalt zwischen den Zähnen; das stört die Patienten häufig. Hier ist es wichtig zu wissen, dass wenn die Erkrankung erfolgreich therapiert wurde und das Gewebe entzündungsfrei ist, man durchaus diese ausgewanderten Zähne wieder zurückbewegen kann.


Dr. Kristina Bertl,PhD, Sprecherin – ÖGP Youngsters und derzeit an der Abteilung für Parodontologie an der Universität Malmö tätig 

 

Redaktion & Fotos: Christina Kolin  &

Robert Simon - dentaljournal

 

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