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Humane Antikörper zur Senkung von Cholesterinwerten

Humane Antikörper zur Senkung von Cholesterinwerten

Neue Studien zeigen: Humane Antikörper senken Cholesterinwerte radikal und verhindern Herzinfarkte und Schlaganfälle. Die neuen Medikamente, PCSK9-Hemmer, können nicht nur die Progression einer Arteriosklerose verhindern, sondern bereits vorhandene Verengungen wieder abbauen helfen.


 

Das vergangene Jahr hat für die Kardiologie nicht nur eine Reihe interessanter Erkenntnisse, sondern auch bahnbrechende Fortschritte gebracht. Hier von einem „Meilenstein“ zu sprechen, ist nicht übertrieben.

Dass sich LDL-Cholesterin mit den seit kurzem verfügbaren PCSK9-Inhibitoren dauerhaft um mehr als 50 Prozent senken lässt, wussten wir schon. Unklar war aber, ob diese radikale Reduktion für die Patienten sicher ist, und ob der Abbau von LDL-Cholesterin auch tatsächlich zu einer Reduzierung von Herzinfarkten und anderen kardiovaskulären Ereignissen führt. Inzwischen liegen zwei große internationale Studien vor, mit denen sich beide Fragen mit einem klaren „Ja“ beantworten lassen.

 

Für die globale FOURIER-Studie (Further Cardiovascular OUtcomes Research with PCSK9-Inhibition in Subjects with Elevated Risk) wurden mehr als 27.500 Risiko-Patienten mit einer Koronaren Herzererkrankung (KHK) untersucht. 81 Prozent hatten bereits einen Herzinfarkt und 19 Prozent einen Schlaganfall erlitten. Mit den verabreichten, meist sehr hoch dosierten Statinen war es lediglich gelungen, den durchschnittlichen LDL-Wert auf 92 Milligramm/Deziliter (mg/dl) zu senken. Das zeigt, dass die bisherigen Behandlungsmöglichkeiten für viele Patienten nicht ausreichen: Ein leitliniengerechtes Behandlungsziel ist in solchen Fällen eine Senkung auf zumindest 70mg/dl – ein Wert, den trotz Statinen und diätischen Maßnahmen leider nur wenige Patienten erreichen.

 

Humane Antikörper senken Herzinfarkte und Schlaganfälle radikal

 

Wie die Studie eindrucksvoll zeigte, stoßen wir mit den humanen Antikörpern nun aber in bisher undenkbare Bereiche vor. Während die LDL-Werte in der Placebogruppe konstant beim Ausgangswert blieben, sanken sie in der Gruppe der mit PCSK9-Inhibitoren Behandelten im Durchschnitt auf 30 mg/dl.

Was aber noch viel wichtiger ist: Im 26 Monate dauernden Studienzeitraum gingen auch bedeutende kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkte und Schlaganfälle in der PCSK9-Gruppe deutlich zurück. Während eines dieser Ereignisse bei 5,9 Prozent der mit Antikörpern behandelten Patienten auftrat, waren in der Vergleichsgruppe 7,4 Prozent davon betroffen, also um 20 Prozent mehr. Zählt man zu diesen harten Endpunkten noch die Einweisungen mit instabiler Angina Pectoris und erneut notwendig gewordene Gefäßaufdehnungen dazu, zeigte sich in der PCSK9-Gruppe immer noch eine Risikoreduktion um 15 Prozent.

 

Positive Effekte nehmen mit Behandlungsdauer zu: „The lower – the better“

 

Wie sich herausgestellt hat, profitieren die Patienten dabei umso mehr, je länger die Behandlung dauerte. Während Herzinfarkte und Schlaganfälle im ersten Jahr um 16 Prozent gesenkt werden konnten, betrug der Rückgang im zweiten bereits 25 Prozent. Offenbar ist es so, dass die Patienten zunächst einmal die „Zinsen“ einer solchen Behandlung kassieren und in der Folge dann „Zinseszinsen“ dazu kommen. Es wird interessant sein zu sehen, ob sich dieser Trend in späteren Studien mit längerer Laufzeit weiter fortsetzt.

Mit diesen Ergebnissen sollten auch die letzten, immer noch gelegentlich geäußerten Zweifel über den Risikofaktor Cholesterin ausgeräumt sein: Diese Studie bringt die eindeutige und konsistente Evidenz, dass LDL-Cholesterin nicht nur einen Biomarker darstellt, sondern ursächlich an der Entstehung der Arteriosklerose beteiligt ist. Und sie zeigt, was es bringen kann, dieses Low density lipoprotein so radikal wie möglich zu senken. Das neue Motto muss also lauten: „The lower – the better“.

 

PCSK9-Hemmer bauen Plaque ab

 

In einer weiteren Arbeit konnte nachgewiesen werden, dass die neuen Medikamente nicht nur die Progression einer Arteriosklerose verhindern, sondern bereits vorhandene Verengungen wieder abbauen helfen. Für die GLAGOV-Studie wurden rund 1.000 Patienten untersucht, von denen die eine Hälfte eine herkömmliche Statin-Therapie, die andere aber zusätzlich noch PCSK9-Hemmer bekam. Zu Beginn wurde mittels Ultraschall gemessen, wieviel Plaque sich an den Herzgefäßen bereits angesammelt hatte. Nach 18 Monaten wurde diese Untersuchung wiederholt. Während es in der Placebo-Gruppe bei 47,3 Prozent zu einer Plaque-Regression gekommen war, konnte das in der Verum-Gruppe bei 64,3 Prozent festgestellt werden.


Behandlung mit Antikörpern ist sicher

 

In Summe sind das radikale Fortschritte. Umso erfreulicher, dass sich herausgestellt hat, dass die Behandlung mit humanen Antikörpern vollkommen sicher ist. Abgesehen von vereinzelten Hautreaktionen an der Injektionsstelle traten keine nennenswerten Nebenwirkungen auf. Da Cholesterin unter anderem auch beim Signalaustausch zwischen Nervenzellen eine Rolle spielt, war eine der Befürchtungen, dass eine zu radikale Lipidsenkung zu Lasten der kognitiven Leistungsfähigkeiten gehen könnte.

 

In der mit einem Teil der FOURIER-Patienten durchgeführten EBBIBINGHAUS-Studie hat sich allerdings gezeigt, dass weder das Arbeitsgedächtnis noch die Gedächtnisfunktion oder die psychomotorische Geschwindigkeit durch die LDL-Senkung beeinträchtigt wurden.

Sparzwang verhindert, dass Innovationen bei Patienten ankommen

     Neuartige Präperate teuer aber wirksam

 

Derzeit ist es leider so, dass diese wichtige Innovation aufgrund der restriktiven Verschreibungsrichtlinien nur wenigen Patienten zugute kommt. Bislang decken sich die Erstattungsbedingungen des Hauptverbandes nicht mit den Zulassungsbedingungen und den aktuell gültigen und international völlig unstrittigen Behandlungsleitlinien.

 

Denen zufolge sollten KHK-Risikopatienten einen LDL-Spiegel von unter 70 mg/dl erreichen. Trotzdem dürfen die neuen Medikamente bei uns erst verschrieben werden, wenn der Wert über 100 liegt.

 

Der Grund dafür liegt auf der Hand: Noch sind diese neuartigen Präparate vergleichsweise teuer. Das ist auch uns Ärztinnen und Ärzten bewusst und im Interesse unserer Patienten sind wir die ersten, die für eine gewissenhafte Abwägung der Kosten-Effektivität eintreten.

 

Dennoch ist es derzeit so, dass ausgerechnet Kardiologen diese neuen Medikamente nicht selbst verschreiben dürfen, sondern ihre Patienten zur Genehmigung an ein – je nach regionalen Gegebenheiten oft weit entferntes – Stoffwechselzentrum überweisen müssen. Das ist eine auf der ganzen Welt einzigartige Vorgangsweise, die die Behandlung erschwert oder verunmöglicht und für die wir Kardiologen kein Verständnis haben.

 

Quellen:

Evolocumab and Clinical Outcomes in Patients with Cardiovascular Disease, N Engl J Med 2017; 376:1713-1722May 4, 2017DOI: 10.1056/NEJMoa1615664

Effect of Evolocumab on Progression of Coronary Disease in Statin-Treated PatientsThe GLAGOV Randomized Clinical Trial; JAMA. 2016;316(22):2373-2384. doi:10.1001/jama.2016.16951

Evaluating PCSK9 Binding antiBody Influence oN coGnitive HeAlth in High cardiovascUlar Risk Subjects (EBBINGHAUS), Medscape 21.3.2017

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