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Thomas Szekeres neuer ÖÄK-Präsident

Gemeinsam für eine Rehumanisierung der Medizin - sozialgerecht für den Bürger, leistungsgerecht für die Ärztinnen und Ärzte


Die Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) hat heute, Freitag, in Bad Gastein den Wiener Ärztekammerpräsidenten Thomas Szekeres zum neuen Präsidenten der ÖÄK gewählt. Er folgt damit Artur Wechselberger nach, der das Amt des Spitzenrepräsentanten der österreichischen Ärzteschaft seit 2012 innehatte.

Erster Vizepräsident wurde der Präsident der Steirischen Ärztekammer, Herwig Lindner, der schon bisher als Finanzreferent Mitglied des ÖÄK-Präsidiums war. Zum Obmann der Bundeskurie Angestellte Ärzte wurde Harald Mayer aus Oberösterreich für seine nunmehr vierte Amtsperiode wiederbestellt. Der Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte in Wien, Johannes Steinhart, wurde erneut zum Obmann der Bundeskurie Niedergelassene Ärzte gewählt. Mayer und Steinhart fungieren damit automatisch als Vizepräsidenten der Österreichischen Ärztekammer.

In seiner Antrittsrede erinnert Szekeres an die drei Grundsätze des Hippokratischen Eides, der „uns Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, ethisch zu handeln, sich dem Menschen zuzuwenden und unsere ganze Kraft darauf zu verwenden, Menschen zu heilen und Krankheiten zu lindern“. Ärztinnen und Ärzte müssten die Empathiker und Entschleuniger in einer Gesellschaft der Raserei sein, betont Szekeres:

Heute ist die Beziehung zwischen Arzt und Patient vor allem durch den wachsenden ökonomischen Druck und die steigende Verrechtlichung gekennzeichnet. Ärztinnen und Ärzte befinden sich täglich im Spannungsfeld zwischen ökonomischem Druck und ethischer Verpflichtung.“

Die Rahmenbedingungen zur Einhaltung dieser Verpflichtung müssten aber nach wie vor und unabhängig von der finanziellen Situation von Dienstgebern oder Krankenkassen zur Verfügung gestellt werden, fordert Szekeres.

Die Aufgabe als Standesvertretung sieht Szekeres in der Rolle des Impulsgebers, die Basisaufgabe des Arztes wieder in den Vordergrund zu rücken, sich für eine Rehumanisierung der Medizin einzusetzen; für ein System, das für den Bürger sozialgerecht und für den Arzt leistungsgerecht ist. Szekeres fordert damit die gleichberechtigte Einbeziehung der Ärzteschaft und aller anderen Gesundheitsberufe in sämtliche Gesundheitsreformgremien – insbesondere bei Spitalsstrukturänderungen im stationären Bereich sowie bei der Festlegung von ambulanten Versorgungsstrukturen inklusive Primärversorgung sowie die Fokussierung auf Patienten und auf die Gesundheitsberufe als zentrale Elemente des Gesundheitssystems.

Reformen gelingen nur mit der Ärzteschaft

Dazu bedarf es zunächst einmal einer größeren Wertschätzung der Gesundheitsberufe durch Politik, Dienstgeber und Sozialversicherung. „Allen Gesundheitspolitikern sei ins Stammbuch geschrieben: Die großen Reformen für das Gesundheitssystem wurden von Ärztinnen und Ärzten gemacht und nicht von Gesundheitstechnokraten, die Ärztinnen und Ärzte und Gesundheitsberufe als ‘Gesundheitsdiensteanbieter‘ bezeichnen. Wenn man die Ärzteschaft ausschließt, wird die Reform scheitern“, warnt Szekeres.

Darüber hinaus fordert Szekeres dringend Maßnahmen gegen den Ärztemangel und attraktive Arbeitsmöglichkeiten für Ärztinnen und Ärzte, um die Abwanderung zu vermeiden. Das bedeutet neben der Finanzierung von mehr Studienplätzen eine Ausbildungsgarantie für Absolventen der medizinischen Universitäten, die breite Eröffnung und Finanzierung von Lehr(gruppen)praxen zur Ausbildung, nicht nur – „und das ist schon absurd lang überfällig“ – für die Allgemeinmedizin, sondern auch für Fachärzte.

Ein Ende des Kostendämpfungspfades

Szekeres spricht sich klar für ein Ende des Kostendämpfungspfades aus: „Wir benötigen eine Steigerung des Anteils der Gesundheitsausgaben am BIP. Angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen sind Mehrausgaben für das Gesundheitswesen nicht nur logische Konsequenz; als Strategie dienen sie zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der Festigung des Wirtschaftsstandorts und vor allem einer sozial ausgewogenen gerechten Gesellschaft.“

Der stationäre Bereich müsse entlastet werden. Das bedinge die Schaffung von 1000 neuen Planstellen für Kasseneinzel- und Gruppenpraxen für bestehende Fächer genauso wie ein Bekenntnis zur Verlagerungen von Leistungen in den ambulanten Bereich und die Anpassung der Leistungsspektren der Kassenärzte an die medizinische Realität.

Die freiberuflich tätigen Ärztinnen und Ärzte stärken

Der freiberuflich tätige Arzt, egal ob als Kassen- oder Wahlarzt tätig, muss gestärkt werden. Es sei ein „gesundheitspolitischer Skandal, dass wir um etwas so Selbstverständliches wie die Möglichkeit von Anstellungen von Ärzten bei Ärzten und in Gruppenpraxen bei Erhalt eines längst etablierten Vertretungssystems kämpfen müssen.“

Die Misstrauenspolitik gegen Ärztinnen und Ärzte – Stichwort: „Mystery Shopping“ – gehört laut Szekeres in den „Mistkübel der Gesundheitspolitikgeschichte, und zwar sofort“. Die Kostenrückerstattung bei Wahlärzten müsse auf 100 Prozent des Kassentarifs angehoben werden. Und es sollte endlich zu einer klaren Trennung von Zahler und Anbieter kommen, „denn es ist politischer Nonsens, wenn die Sozialversicherung als Zahler gleichzeitig auch eigene Gesundheitseinrichtungen betreibt“.

Die Österreichische Ärztekammer bekennt sich eindeutig zu einer modernen Primärversorgung.
In dem Entwurf des vorliegenden Primärversorgungsgesetzes (GRUG) findet sich die Ärzteschaft nicht wieder, weshalb dieser auch entschieden abgelehnt wird.

Eine heute beschlossene Resolution der Vollversammlung fordert neben neuen

Kooperationsformen für ÄrztInnen, zu denen auch die Anstellungsmöglichkeit gehört, eine echte finanzielle Aufstockung des niedergelassenen Bereiches, eine zeitlich unbegrenzte Rückkehrmöglichkeit in den Einzelvertrag sowie die vollständige Finanzierung der Lehrpraxis.

Die Österreichische Ärztekammer hat zur Durchsetzung dieser Forderungen einen umfangreichen Maßnahmenkatalog beschlossen. Szekeres: “Es bedarf vor allem der Sicherung der wohnortnahen hausärztlichen Versorgung sowie der Hausapotheken im ländlichen Bereich. Es sollten Länder und Gemeinden, die die Ansiedlung von Ärztinnen und Ärzten fördern, im Rahmen von regionalen Förderprogrammen auch durch den Bund unterstützt werden.“

Weniger Bürokratie

„Wir alle leiden unter der überbordenden Bürokratie im Gesundheitswesen: Niemand kann mir schlüssig den Sinn einer Chefarztpflicht oder ELGA in der aktuell vorliegenden Form sowie den grassierenden Dokumentations- und Codierungswahn erklären. Die Bevormundungspolitik gegenüber Patienten und Ärzteschaft muss ein Ende haben“, fordert Szekeres.

Darüber hinaus kündigt Szekeres seinen Einsatz für eine Föderalismusreform im Gesundheitswesen sowie die Stärkung des Forschungsstandortes Österreich inklusive eines „vehementen Engagements“ für eine nach dem Brexit notwendige Übersiedelung der Europäischen Arzneimittelagentur nach Wien an.

Hausaufgaben

„Die Österreichische Ärztekammer wird auch in den internationalen Ärztegremien ihre Rolle wahrnehmen, wie wir auch national im internen Bereich unsere Hausaufgaben raschest erledigen sollten“, betont Szekeres. Dazu gehöre die einheitliche österreichweite Standesführung, die elektronische Weiterentwicklung der Ausbildungsansuchen und ein flächendeckender Einstieg der Österreichischen Ärztekammer ins E-Government.

Das Stichwort Ausbildung bleibt für Szekeres ein zentrales Thema für die nächsten Jahre. Die jüngste Reform habe zwar viel für die jungen Kolleginnen und Kollegen erreicht, dennoch zeigten sich auch hier Problemfelder, wie etwa die viel zu geringe Zahl an Kandidaten für Allgemeinmedizin. Szekeres: „Auch da werden wir genau hinschauen und gegebenenfalls bereit sein müssen, da und dort entsprechend nach zu justieren.“

Nach diesem ersten Abriss dessen, was gemeinsam in den nächsten fünf Jahren einer Lösung im Sinne der zu vertretenden Kollegenschaft, aber auch im Sinne der anvertrauten Patienten zugeführt werden müsse, bedankte sich Szekeres bei seinem Vorgänger Artur Wechselberger und rief alle Ärztinnen und Ärzte auf, diesen Kurs einer effizienten, ergebnisorientierten, aber zur Not auch kämpferischen Standespolitik gemeinsam fortzusetzen.

Quelle: ÖÄK

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