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Wiener Medizinchemiker verfeinert das Liebeshormon Oxytocin

Wiener Medizinchemiker verfeinert das Liebeshormon Oxytocin

Ein Wiener Forscher schuf mit Kollegen eine verbesserte Version des Liebeshormons Oxytocin, die spezifischer und kontrollierter agiert. Dadurch könnte Geburt erleichtert und die vielfältigen Funktionen der Originalversion aufgeklärt werden.


Das "Liebeshormon" Oxytocin schweißt Menschen zusammen, leitet Orgasmen und Geburten ein und lindert Ängste. Bei medizinischen Anwendungen hat es aber Nebenwirkungen, weil es zu viele Dinge auf einmal beeinflusst. Ein Wiener Forscher schuf mit Kollegen deshalb eine verfeinerte Liebeshormon-Version, die spezifischer und kontrollierter agiert. Die Studie erschien im Fachjournal "Science Signaling".

 

Oxytocin ist ein kleiner Eiweißstoff (Peptid), der im Hirn aller Säugetiere hergestellt wird. Es gelangt als Hormon über die Blutbahn in andere Organe und lässt die glatte Muskulatur zusammenziehen. Das passiert etwa, damit Muttermilch fließt, bei der Gebärmutter zur Einleitung der Geburt und beim Orgasmus der Frauen und wenn sich bei Männern der Samenleiter rhythmisch verengt. Im Gehirn selbst beeinflusst es als Neurotransmitter soziale Interaktionen und verstärkt zum Beispiel die Bindung zwischen Mutter und Kind, Mann und Frau sowie Hund und Herrl. Es hemmt das Angstzentrum im Gehirn und lässt Furcht schneller abklingen.

 

Seine vielen Wirkungen machen Oxytocin prädestiniert für therapeutische Anwendungen. Damit könnte man zum Beispiel Geburten erleichtern, die sozialen Fähigkeiten von autistischen Kindern verbessern, und Schmerzen bei Migräne und chronischen Darmerkrankungen lindern, so die Forscher um Markus Muttenthaler vom Institut für Biologische Chemie der Universität Wien in einer Aussendung. Weil es aber nicht nur den "eigenen" Signalweg anschaltet, sondern auch jene des sehr ähnlichen "Treuehormons" Vasopressin, verursacht es verschiedene Nebenwirkungen. Es bindet nämlich neben der Oxytocin-Andockstelle (Rezeptor) auch die drei Vasopressin-Rezeptoren.

 

Muttenthaler hat mit Kollegen an Oxytocin herumgetüftelt - die Forscher präsentieren nun eine leicht veränderte Version, die sie durch chemische Synthese herstellten. Sie tauschten drei Atome in dem Signalstoff aus, nämlich zwei Schwefel-Teilchen jeweils gegen das sehr ähnliche Selen, und ersetzten einen Stickstoff durch Sauerstoff. Dieses "Se-Se-Oxytocin-OH" ist nun seiner eigenen Andockstelle viel treuer und ignoriert weitgehend jene des Nebenbuhlers Vasopressin, berichten sie. Die pharmakologische Wirkung sei dadurch viel selektiver und besser steuerbar.

 

Ähnlich dem Original kann "Se-Se-Oxytocin-OH" die Kontraktion des Uterus verstärken, wie die Forscher an "Gebärmutter-Streifen" beobachteten, die bei Kaiserschnitt-Geburten durch Biopsien gewonnen wurden. "Der Anstieg der Wirkung ist aber viel regelmäßiger und kontrollierter, und es kommt nicht zu extremen Kontraktionen wie beim 'normalen' Oxytocin, die manchmal sogar zu Rissen in der Gebärmutter führen", erklärte Muttenthaler im Gespräch mit der APA.

 

Außerdem dockt es eben nur an die eigene Andockstelle an und aktiviert zum Beispiel nicht jene von Vasopressin (V1a-Rezeptor), die das Herz-Kreislaufsystem beeinflusst. Dies konnten die Forscher bei Herzmuskelzellen nachweisen. Dadurch wären bei einer Anwendung ernste Nebenwirkungen wie Blutgefäßveränderungen, arhythmische Herzschläge und Blutdruckprobleme bei Mutter und Neugeborenem wohl auszuschließen.

 

Genauso wie das normale Oxytocin linderte die getunte Version auch Ängste bei Mäusen, berichtet der Medizinchemiker. Diese Verbindung sei nun gut in Tierversuchen einsetzbar, um der genauen Funktion von Oxytocin über seinen eigenen Rezeptor auf die Schliche zu kommen, weil die Effekte auf den Vasopressin-Rezeptor und nachfolgende Störsignale dadurch ausgeblendet werden, sagte er.

Quelle: APA

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