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Mehr Sicherheit bei der Arzneimitteltherapie für Seniorenheimbewohner

Mehr Sicherheit bei der Arzneimitteltherapie für Seniorenheimbewohner

Großer Erfolg im Kampf gegen unerwünschte Arzneimittelereignisse: Das Projekt GEMED (Multiprofessionelles Geriatrisches Medikationsmanagement) ebnet den Weg zu einer Verbesserung der Betreuungs- und Versorgungsqualität von Bewohnerinnen und Bewohnern in Seniorenheimen.


Die demographische Entwicklung in Österreich zeigt einen rasanten Anstieg der Zahl hochaltriger Menschen. 2030 wird die durchschnittliche Lebenserwartung der Österreicherinnen knapp über 86 Jahre, jene der Österreicher mehr als 81 Jahren betragen. Die Zahl der Pflegegeldbezieher ist seit 2011 um 23 Prozent auf mehr als 450.000 Personen gestiegen. 2016 waren 32,5 Prozent dieser Personen zwischen 60 und 80 Jahre alt. Fast die Hälfte der Pflegegeldbezieher hat das 81. Lebensjahr bereits überschritten. 2016 wurden nur 16 Prozent dieser Personen in Pflegeheimen, der überwiegende Teil durch pflegende Angehörige und mobile Dienste betreut. Zusätzlich wird die Zahl der Personen mit Demenzerkrankungen von 2013 bis 2050 um 150 Prozent auf 230.000 ansteigen.

Notwendigkeit des Projektes


Der Großteil der Bewohner in Alten- und Pflegeinrichtungen leidet unter mehreren chronischen und auch akuten Erkrankungen und nimmt daher regelmäßig Medikamente ein. Drei Viertel davon nehmen täglich über fünf Wirkstoffe gleichzeitig. Bei rund 43 Prozent sind es sogar über zehn Wirkstoffe. Durch die Kombination von verschiedenen Medikamenten kann es zu gefährlichen Neben- und Wechselwirkungen bei den Betroffenen kommen. Pflegeheimbewohner sind auf Grund ihrer gesundheitlichen und altersbedingten Einschränkungen besonders empfindlich für unerwünschte Arzneimittel-Ereignisse (UAE) wie Schwindel, Stürze oder Verwirrtheit. Oft sind diese so schwer, dass sie eine ärztliche Behandlung oder Einweisung in ein Krankenhaus erfordern. Etwa die Hälfte dieser Vorfälle lässt sich durch die an die Bedürfnisse von Senioren angepasste Anwendung von Arzneimitteln vermeiden oder zumindest abschwächen. Hier setzt das Projekt GEMED an.

Umsetzung des Projektes


Das Projekt GEMED wurde im Bundesland Salzburg durchgeführt. Apotheker aus dem Pongau und dem Pinzgau arbeiteten mit den wichtigsten Partnern in der Betreuung von Seniorenheimbewohnern, den Ärzten und Pflegefachkräften, zusammen.

Projektpartner, Finanzierung


Das Projekt wurde unter der Mitwirkung von Apotheken sowie Senioren- und Pflegeheimen in Abtenau, Bad Gastein, Bad Hofgastein, Radstadt, Schwarzach, St. Veit, Werfen, Maishofen, Kaprun und Zell am See durchgeführt. Auch 30 Hausärzte der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner waren beteiligt. Die Finanzierung erfolgte über die Österreichische Apothekerkammer und LEADER Pongau.

Ziele des Projektes

 

  •  Verbesserung der Betreuungs- und Versorgungsqualität der Heimbewohner;
  • Intensivierung der Zusammenarbeit von Pflegepersonal, Apothekern und Ärzten;
  • Sichtbarmachung der pharmazeutischen Dienstleistung im Rahmen der Pflegeheimbetreuung;

Ablauf des Projektes


Vor Beginn des Projektes wurden Apothekerinnen und Apotheker sowie die Pflegefachkräfte in einer dreitägigen Schulung auf mögliche Risiken der Polymedikation bei geriatrischen Patienten geschult.


Während des Projektes unterzogen die Pharmazeuten die Medikation der Bewohner regelmäßig monatlichen Analysen. Parallel dazu beobachtete das Pflegepersonal alle Heimbewohner in Bezug auf mögliche Nebenwirkungen und Zustandsveränderungen in Zusammenhang mit deren Medikation.


Bei regelmäßigen Treffen erfolgte die Bewertung von Ergebnissen und Beobachtungen durch Apotheker und Pflegepersonal, es folgte die Übermittlung von Empfehlungen zur Überprüfung der Medikation an die betreuenden Ärzte. Weiters wurden alle Bereiche des gesamten Medikationsprozesses überprüft und Verbesserungspotentiale erhoben.

Ergebnisse des Projekts GEMED


Im Beobachtungszeitraum November 2016 bis Oktober 2017 nahmen 611 Seniorenheimbewohner an dem Projekt teil. Das Durchschnittsalter betrug knapp 84 Jahre, wobei das Alter der Männer (1/3) bei knapp 80 Jahren und jenes der Frauen (2/3) etwas über 85 Jahren lag. 377 der 611 Bewohner konnten über einen Beobachtungszeitraum von zwölf Monaten betreut werden. Bei diesen Personen wurde die Anzahl der Wirkstoffe erhoben. Diese lag im Durchschnitt etwa bei elf und hat sich über das Jahr nicht verändert. Bei knapp 35 Prozent der Bewohner gaben die Apotheker insgesamt 502 Empfehlungen zur Überprüfung der Medikation ab. In 121 Fällen war der Grund für die Empfehlung - nach Einschätzung der Apotheker und Pflegefachkräfte - eine unerwünschte Neben- oder Wechselwirkung. Die Unerwünschten Arzneimittelereignisse äußerten sich in Kognitionsstörungen, Gastrointestinalen Störungen, Blutdruckabfall / niedriger Blutdruck und Gangstörungen / Sturz. Weiters wurden Hautreaktionen, Blutungen, Elektrolytstörungen, Einschränkung der Nieren- und Leberfunktion etc. beobachtet.

Die häufigste Empfehlung war das Absetzen von Medikamenten, gefolgt von Dosisanpassung, Monitoring und Wechsel auf ein anderes Arzneimittel. Die Ärzte nahmen 321 (64 Prozent) dieser Empfehlungen an und änderten die Medikation wie vorgeschlagen. 128 (25 Prozent) Empfehlungen wurden von den Ärzten nicht angenommen, in 38 Fällen (acht Prozent) entschieden sich die Ärzte für eine von der Empfehlung abweichende Änderung der Medikation. In drei Prozent der Fälle war die Umsetzung nicht nachvollziehbar.

Im gesamten Medikationsprozess (Lagerung, Dispensation, Applikation, Kommunikation und Dokumentation) konnte mit Hilfe einer 72 Fragen umfassenden Checkliste eine Reduktion von 202 am Anfang des Projektes identifizierten Verbesserungspotentialen auf insgesamt 70 am Ende des Projektes erreicht werden.

Feedback der Teilnehmer


85 Prozent der betreuenden Ärzte beurteilten die im Team von Apothekern und Pflege erarbeiteten Empfehlungen zur Identifizierung von Risiken in der Arzneimitteltherapie der Bewohner als sehr hilfreich bzw. hilfreich. Darüber hinaus erachteten 75 Prozent der Ärzte diese Empfehlungen als sehr hilfreich bzw. hilfreich für ihre ärztliche Tätigkeit. Eine Weiterführung dieser multiprofessionellen Zusammenarbeit wünschten sich 70 Prozent der Apotheker, 93 Prozent der Pflegefachkräfte und 60 Prozent der Ärzte.

Projekt GEMED: Kurzzusammenfassung der Ergebnisse


Das Projekt GEMED ebnet den Weg: Gesundheitliche Risiken, die bei Senioren- und Pflegeheimbewohnern im Zuge der gleichzeitigen Einnahme mehrerer Medikamente auftreten, können durch eine noch engere Vernetzung von Apothekerinnen und Apothekern, Pflegefachkräften und Ärzten um mehr als die Hälfte gesenkt werden. Durch die sachgemäße Anwendung von Arzneimitteln und regelmäßige, strukturierte Kommunikation zwischen den Gesundheitsberufen können gesundheitsgefährdende Risiken erkannt und vermieden werden. Das bedeutet eine Win-win-Situation für alle.

 

Mehr über das Projekt

Quelle: Presseinformation der Österreichischen Apothekerkammer / Foto: (v.l.n.r.) Mag. pharm. Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr, LAbg. Ingrid Korosec, Mag. pharm. Dr. Elisabeth Kretschmer aHPh und Mag. pharm. Diemut Strasser / Copyright: © Österreichische Apothekerkammer;

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