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Prof. Lothar Pilz: Klinische Statistik in der Onkologie

Bei der VII Internationalen Tagung der jungen Onkologen in Bulgarien (17-20 Mai 2018 in Sonnenstrand, Bulgarien) stellte Prof. Pilz die Grundlagen der klinischen Statistik vor.


Prof. Lothar Pilz ist als Experte an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg und an der Medical University Bialystok, Polen  (Gastprofessor) tätig. Bei der VII Internationalen Tagung der jungen Onkologen in Bulgarien (17-20 Mai in Sonnenstrand, Bulgarien) stellte er die Grundlagen der klinischen Statistik vor. Speziell für CredoWeb beantwortete er einige Fragen für die Forschung in der Onkologie.

Prof. Pilz, welche Eindrücke haben Sie von der Tagung der bulgarischen jungen Onkologen? Und warum ist es für die Onkologen wichtig sich mit den Kollegen aus anderen Ländern auszutauschen?

Die Tagung der jungen Onkologen Bulgariens war ein beeindruckendes Treffen von engagierten und höchst interessierten jungen Ärzten und Wissenschaftlern, deren Ziel es ist, die moderne medizinische Versorgung der Bevölkerung in der Onkologie zu sichern und weiter voranzubringen. Eines der Topthemen war die personalisierte Therapie, die mit molekularen Testverfahren von Geweben aber auch in Zukunft mit Körperflüssigkeiten – zurzeit noch im Wesentlichen auf Blut beschränkt – die Möglichkeit einer individualisierten Therapie in der Onkologie eröffnet, indem sie die Wirkungspfade und Andockungsstellen an Krebszellen, aber auch Mutationen aufzeigen. In Bulgarien können für viele Entitäten solche individualisierten Therapien genutzt werden, was die Konferenz unter der hervorragenden Leitung von Dr. Rositza Krasteva gezeigt hat.

 

Daneben ist es in zunehmendem Maße für junge Onkologen wichtig, den Austausch mit anderen Fachkollegen zu pflegen, sei es nun aus Bulgarien, Europa oder aus  anderen Ländern. Neue Therapien lassen sich schon alleine wegen der entstehenden immensen Kosten nur supranational entwickeln, eine Tatsache, die angesichts der individualisierten Therapien in der Onkologie mit kleineren Fallzahlen in den ausgezeichneten Subpopulationen immer bedeutsamer wird. In diesem Zusammenhang ist der Kontakt und der Wissensaustausch mit ausländischen Kollegen nicht hoch genug einzuschätzen.

 

Mit dem gebotenen weiten Themenspektrum, modernen Methoden in der Onkologie und ihrer klinischen Praxis ist mit dieser Konferenz eine Plattform geschaffen, die es jungen Onkologen erlaubt in kollegialer Weise Anschluss zu halten und Erfahrungsaustausch zu pflegen. Das Networking, das Kennenlernen neuer Kollegen und neuer Aspekte ist eine der Aufgaben einer solchen Konferenz.

 

Was sind die Akzente in ihrem Vortrag für die Konferenz?

In meinem Beitrag für die Konferenz ging es darum, Basiswissen in der klinischen Statistik zu vermitteln und das Lesen und Schreiben medizinischer Fachartikel von der statistischen Seite her zu beleuchten und zu kommentieren. Die Anwendung des Prinzips der Evidenz-basierten Medizin in Diagnose und Therapie-Interventionen geht einher mit der Verwendung statistischer Methoden, um die Resultate auf objektivierbare und jeder Zeit nachvollziehbare Grundlagen zu stellen. Damit sind statistische Methoden Teil der methodischen und systematischen wissenschaftlichen Erforschung von Therapie und - speziell in der Onkologie – der palliativen Behandlung.

 

Die Grundprinzipien bestehen darin, die Wirksamkeit und Effizienz der angewandten onkologischen Methode im Hinblick auf den Patientennutzen zu zeigen, was durch (wissenschaftliche) Hypothesen-entwicklung und -aufstellung geschieht, die dann mit statistischen Methoden bewiesen werden müssen.

Im Rahmen dieses Vortrages ging es um scheinbar einfache Aussagen wie den Wahrscheinlichkeitswert (p-value) eines Resultates, der erstens von einigen Vorbedingungen abhängt und interpretationswürdig ist, ja sogar zwingend für die Studie diskutiert werden sollte. Die inhärenten Fehler erster und zweiter Art eines solchen Testvorgehens wurden aufgezeigt, das Signifikanzniveau, wie auch verschiedene Test- und Statistikmethoden, z.B. die Überlebensstatistiken nach Kaplan-Meyer und das proportionale Cox-Hazard-Modell.

 

Kernaussage des Vortages war, dass nicht nur die angewandten medizinischen Methoden hinterfragt  und diskutiert werden müssen, sondern eben auch die angewandten statistischen Methoden, denn alleine die einfache Aussage, dass das Resultat statistisch signifikant sei, hängt von vielen Bedingungen ab. Die kritische Betrachtung von medizinischen Zeitschriftenartikeln sollte die Regel sein und beim eigenen Verfassen von Studienresultaten sollten sämtliche Bedingungen, die zu diesem Resultat geführt haben - auch die statistischen – aufgeführt werden.

 

Welche sind nun die größten Herausforderungen der Onkologen?

 

Wie schon erwähnt sind die neuen Behandlungsmöglichkeiten der personalisierten Therapie in ihrer großen Vielzahl und unter Anwendung von Behandlungs- und zuvor Testalgorithmen eine nicht zu unterschätzende Aufgabe für einen jungen Onkologen. Aus diesem Grund müssen sich Onkologen und Forscher weitaus mehr vernetzen als dies früher der Fall gewesen ist.

Auch haben sich die Forschungsmethoden und Zulassungsmethoden (Europäische Arzneimittel Agentur EMA, U. S. Food and Drug Administration FDA und nationale Zulassungsbehörden) rund um die neuen Therapien gewandelt und müssen von den Beteiligten aktiv wahrgenommen werden. Mit der Therapieentwicklung bieten sich auch Partizipations- und Kooperationsmöglichkeiten an, die gerade von Jüngeren im Rahmen speziell von klinischen Studien wahrgenommen werden sollten.

 

Auch soll nicht verschwiegen werden, dass bisweilen der Fortschritt und die bezahlbaren Behandlungsmöglichkeiten zu wünschen übrig lassen und ein gewisses Maß an Ernüchterung, wenn nicht gar Frustration, aufkommen könnte. Aber insgesamt ist es doch so, dass auch dank der neuen Methoden in der Onkologie die Lebenserwartung und auch die Lebensqualität der Patienten in den letzten Jahren in Europa gewachsen ist und das dürfte für Ansporn sorgen.

 

Was würden Sie den jüngeren Kollegen sagen, die nun sich diesem Fach widmen wollen? Was motiviert Sie persönlich im Beruf?

 

Die Empfehlung wäre,  sich in jüngeren Jahren zunächst einen umfassenden Überblick auf dem Gebiet der klinischen wie auch forschenden Onkologie zu verschaffen, um sich dann anschließend auf ein engeres Fachgebiet zu konzentrieren.

Denn das Wissen in der Onkologie ist heute so Vielfältig, dass ein Generalist, der alle Entitäten der soliden Tumoren und Blutkrebse behandeln wollte, sich leicht verliert.

Des Weiteren sollten junge Onkologen in Fachgesellschaften und Netzwerken sich an der Wissensverbreitung beteiligen und diese als Basis für fundiertes Handeln in ihrem Fach ansehen. Also wichtig ist die Konzentration auf Spezialgebiete und das Halten von Kontakten in der Onkologen-Gemeinschaft mit dem Ziel, die gesundheitliche Versorgung in der Onkologie zu verbessern.

 

Ansporn für mich war immer, neue Methoden der klinischen Forschung  auf meinem Teilgebiet der klinischen Statistik weitergeben geben und einen Beitrag direkt als Biometriker in klinischen onkologischen Studien liefern zu können. Man muss sich dabei im Klaren sein, dass man nur im Team einen Lösungsbeitrag für solch wichtige Aufgaben leisten kann. Das andererseits ist auch das Schöne daran: Mit vielen anderen Kollegen zusammen einen stetigen Fortschritt zum wohl der Patienten zu erreichen.

 

Quelle: CredoWeb Interview mit Iliana Angelova

 

 

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