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Wespengift-Allergie: Sicherer Schutz vor dem folgenschweren Stich

Wespengift-Allergie: Sicherer Schutz vor dem folgenschweren Stich

Sommer, Sonne, Wespenplage


Essen im Gastgarten, Picknicken im Park, Grillen mit Freunden – diese Freuden der warmen Jahreszeit können vor allem durch eins getrübt werden: Wespen. Für mehr als 200.000 Österreicher ist ihre Anwesenheit jedoch nicht einfach nur lästig, sondern eine echte Gefahr. Sie reagieren allergisch auf ihren Stich. Eine Wespengift-Allergie ist der häufigste Grund einer schweren, mitunter lebensbedrohlichen allergischen Reaktion bei Erwachsenen. So gefährlich sie ist, so gut ist sie durch eine gezielte Diagnose festzustellen und durch eine Insektengift-Immuntherapie behandelbar. Die Erfolgsrate beträgt nahezu 100 Prozent. Keine andere medizinische Therapie kann eine derart gute Wirksamkeit aufweisen, erklärten Experten anlässlich einer Pressekonferenz in Wien.

 

Jedes Jahr gründen die überwinternden Wespenköniginnen ihre Kolonien neu. Durch die starken Temperaturschwankungen Anfang des Jahres sind sie laut Univ.-Prof. Dr. Karl Crailsheim vom Institut für Zoologie an der Karl-Franzens-Universität Graz zwar etwas im Verzug. Ein Aufatmen sei jedoch verfrüht, denn die Wespen sind bereits stark auf Aufholjagd. Die Bienen hingegen, bei denen das gesamte Volk überwintert, haben die kalte Jahreszeit gut überstanden und damit ein gutes Jahr vor sich. Das bietet wiederum Vorteile für das Gedeihen der Wespen, da ihnen Bienen durch die Bestäubung der Pflanzen Nahrung liefern.

Wespen sind besonders in Nestnähe aggressiv und auch nicht menschenscheu. Sie sind zwar Vegetarier, sammeln aber Fleisch für ihre Larven, weshalb sie auch unsere gedeckten Tische aufsuchen und dabei durchaus aufdringlich werden,

erklärt der Biologe Univ.-Doz. Dr. Wolfgang Hemmer vom Floridsdorfer Allergiezentrum (FAZ). „Mit der wachsenden Wespenpopulation steigt das Risiko gestochen zu werden.“ Allergiker sollten also achtsam sein.

 

200.000 schwere Wespengift-Allergiker in Österreich

 

Etwa jeder 30. Österreicher (3,3%) ist schwer allergisch gegen den Stich einer Biene oder Wespe (1). Die meisten (etwa 75%) reagieren auf Wespenstiche – das sind in etwa 200.000 Menschen in Österreich. Bei ihnen genügt ein Stich, um innerhalb weniger Minuten in Lebensgefahr zu schweben. „Bei einem Stich kann die gesamte Extremität anschwellen. Dieser Hautausschlag ist aber noch kein Grund zur Panik“, beruhigt Priv.-Doz. DDr. Wolfram Hötzenecker, Vorstand der Klinik für Dermatologie und Venerologie am Kepler Universitätsklinikum in Linz, das eben ein neues interdisziplinäres Allergie Zentrum eröffnet hat.

Bedrohlich wird es, wenn die allergische Reaktion den ganzen Körper erfasst und es zusätzlich zu Schwellungen im Gesicht oder Hals, Kribbeln an den Hand- und Fußinnenflächen, Übelkeit, Atemnot, Schwindel oder Herzrasen kommt.

Das Ausmaß ist nicht vorhersehbar, der Verlauf unkalkulierbar. „Wir haben heuer bereits die ersten Fälle solch schwerer allergischer Reaktionen behandelt.“

 

Allergiker müssen daher ihre Notfallmedikamente, allen voran einen Adrenalin-Autoinjektor, der den Kreislauf rasch stabilisiert, immer mit sich tragen. Wichtig: Der Umgang mit dem Autoinjektor muss regelmäßig geübt werden, damit im Ernstfall alles klappt.

 

Punktgenaue Diagnose durch moderne Bluttests

 

Bei Verdacht auf eine Allergie sollte etwa ein Monat nach der Stichreaktion ein Allergietest durchgeführt werden. Die richtigen Ansprechpartner sind auf Allergie spezialisierte niedergelassene Fachärzte (Dermatologie, Pädiatrie, HNO, Pulmologie), Allergiezentren bzw. -ambulanzen in Spitälern oder Allergieambulatorien. Die Diagnose besteht aus einem detaillierten Arzt-Patienten-Gespräch sowie einer Austestung mittels Haut- und Bluttest. Hötzenecker: „In den letzten Jahren hat sich die Diagnostik sehr stark verbessert. Mit der sogenannten Komponentendiagnostik lässt ganz gezielt herausfinden, welche Eiweiß-Bestandteile aus dem jeweiligen Gift für die Allergie verantwortlich sind. Bei der Wespe liegt die Treffsicherheit inzwischen bei fast 100 Prozent.“

 

Allergen-spezifische Immuntherapie hilft praktisch immer

 

Als Behandlung kann nur eine korrekt ausgeführte allergen-spezifische Immuntherapie (AIT) vor einer übermäßigen allergischen Reaktion sicher schützen. Dabei bekommt der Patient monatlich den Allergie-Auslöser über einen Zeitraum von drei, besser aber fünf Jahren, in den Oberarm injiziert. In anfangs steigender Dosierung (Aufdosierungsphase) gewöhnt sich der Körper langsam und nachhaltig an das Insektengift. Mit Erreichen der sogenannten Erhaltungsdosis sind die Patienten geschützt (2). „Die Erfolgsrate der AIT bei einer Wespengift-Allergie ist nahezu 100 Prozent“, erklärt Assoz.-Prof. Dr. Gunter Sturm, Leiter des Allergieambulatoriums am Reumannplatz in Wien und der Forschungsgruppe Klinische Allergologie an der Univ.-Hautklinik Graz. „Eine derart gute Wirkung hat keine andere medizinische Therapie.“ Dies belegt auch eine aktuelle österreichische Untersuchung: „Alle Teilnehmer hatten nach Ende der Studie den Wespenstich vertragen (3)."

 

Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt daher die Behandlung, deren Kosten von der Krankenkasse zur Gänze übernommen werden, ausdrücklich auch für Kinder ab 5 Jahren. Die neuen europaweit gültigen Leitlinien empfehlen die Therapie nun sogar auch für Allergiker mit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung und blutdrucksenkender Behandlung. Bis dato war bei Einnahme von Beta-Blockern und ACE-Hemmern diese Therapie ausgeschlossen (4).

 

Therapie nimmt Angst und bringt Lebensqualität zurück...

 

Im Sommer leiden Patienten und ihre Familien, die bereits eine schwere allergische Reaktion erlebt haben, unter einer deutlich verringerten Lebensqualität. Die Angst vor einem weiteren Stich ist groß und im Alltag allgegenwärtig. All jene, die mit der allergen-spezifischen Immuntherapie behandelt werden, haben eine signifikant verbesserte Lebensqualität (3).

 

... doch nur 2 von 10 Allergikern lassen sich behandeln!

 

Trotz der akuten Lebensgefahr wird eine Insektengift-Allergie häufig nicht ausreichend ernst genommen. Sturm: „Viele Patienten suchen erst Jahre später einen Arzt auf – wenn überhaupt. Dabei verpassen sie die wichtige Chance, sich mit der allergen-spezifischen Immuntherapie langfristig und sicher zu schützen. Nur zwei von zehn der Behandlungsbedürftigen sind in Therapie.“ Anders gesagt: 80 Prozent riskieren Sommer für Sommer aufs Neue ihr Leben (5).

 

Der Appell der Experten:

Um ihre Lebensqualität langfristig zu verbessern und lebensgefährliche Situationen vorzubeugen, sollten Insektengift-Allergiker die Gefahr ernst und sich die Zeit für eine Therapie nehmen. Es zahlt sich aus.

Auch im Urlaub fliegt die Gefahr mit

 

Wenn Allergiker auf Reisen gehen, sollten sie wissen, dass sich unsere heimischen Wespen auch in uns fernen Ländern wohlfühlt und die Honigbiene ist inzwischen weltweit zuhause ist. Hemmer: „Bienen gibt es auf allen Kontinenten. Aber auch unsere Wespen sind inzwischen weltweit verbreitet. Waren sie ursprünglich in der kühlgemäßigten und subtropischen Klimazone auf der Nordhalbkugel auf Europa, Türkei, Sibirien, China, Mongolei, Japan und Korea beschränkt, wurden sie inzwischen in mehrere Länder der Südhalbkugel eingeschleppt.6 So sind sie heute auch in Australien, Neuseeland, Südafrika und Argentinien zu finden.“

 

 

Linktipp: www.initiative-insektengift.at - unter dem Motto „Sicher durch den Sommer“ gibt es hier umfassende Information über Warnzeichen, Vorbeugung, Behandlung und richtiges Verhalten im Notfall sowie Tipps und Hilfestellung bei einer Insektengift-Allergie.

 

Hinweis: Das neue Allergie Zentrum im Kepler-Universitätsklinikum in Linz ist für alle Anfragen und Termine von Montag bis Freitag von acht bis zwölf Uhr unter der Telefonnummer: 05/7680 83-4115 erreichbar.

 

Literatur:

 

(1) Bokanovic D et al. Allergy 2011; 66: 1395-6;

(2) Goldberg et al., Allergy 2010;

(3) Schrautzer C et al., The accelerated 7-week outpatient protocol for wasp venom immunotherapy is safe and effective, Posterpräsentation EAACI 2018;

(4) Sturm G et al., EAACI guidelines on allergen immunotherapy: Hymenoptera venom allergy Allergy. 2017;1–21. DOI: 10.1111/all.13262;

(5) Przybilla B et al. Der Hautarzt 2014; 768-9;

(6) Archer ME (2012) Vespine wasps of the world. Siri Scientific Press, Manchester.

Quelle: Presseinformation der Initiative Insektengift zum Pressegespräch am 19.06.2018

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