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Österreichische Allgemeinmedizin benötigt viele Maßnahmen

Österreichische Allgemeinmedizin benötigt viele Maßnahmen

Die österreichische Gesundheitspolitik hat die Frage der Allgemeinmedizin offenbar jahrelang vernachlässigt. Bei steigenden Bevölkerungszahlen nimmt die Zahl der für die Versorgung zentralen Kassen-"Praktiker" ab. Der Trend bei nicht besetzten Kassenstellen zeigt nach oben. Die Österreichische Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) hat jetzt dazu einen "Masterplan für die Zukunft präsentiert.

 

Diese Daten stammen von der Österreichischen Ärztekammer: Ende 1999 gab es in Österreich 3.961 Allgemeinmediziner mit Gebietskrankenkassenvertrag. Ende 2017 waren es 3.795 Hausärzte. Die Zahl der Allgemeinmedizin-Wahlärzte (ohne Kassenvertrag) betrug zur Jahrtausendwende 1.403, um bis Ende 2017 auf 2.608 anzusteigen. 1999 arbeiteten 345 Allgemeinmediziner mit Verträgen der "kleinen Kassen" (z.B. KFA - Bedienstete der Gemeinde Wien), Ende 2017 waren es 222.


Fazit ist damit, dass immer weniger fertig ausgebildete Ärzte den Weg in die Allgemeinmedizin, und vor allem in die Kassenmedizin, finden. Mit 15. November 2017 waren beispielsweise in ganz Österreich 56 Kassenstellen für Allgemeinmediziner unbesetzt (ausgeschrieben), im Juli dieses Jahres waren es 70.


ÖGAM, Bundessektion Allgemeinmedizin der Österreichischen Ärztekammer und Vertreter der Allgemeinmedizin an den MedUnis - die Allgemeinmedizin ist dort kaum nennenswert repräsentiert - haben in einem rund 125 Seiten umfassenden Papier mit wissenschaftlichen Literaturangaben etc. zusammengefasst, was für ein Überleben der Allgemeinmedizin in Österreich notwendig wäre.


"Beginnend mit der Ausbildung an den Universitäten braucht es eine kontinuierliche praktische Auseinandersetzung der Studierenden mit der hausärztlichen Allgemeinmedizin. (...) Starke Universitätsinstitute für Allgemeinmedizin sorgen (...) für eine hochwertige Lehre" und sorgten für ein Verständnis für diese Tätigkeit, heißt es in der Zusammenfassung.

 

Man benötige

niederschwellige Möglichkeiten zur Tätigkeit im solidarischen Gesundheitssystem. Eine Vielfalt an Einstiegsmöglichkeiten wie Anstellung, Job-Sharing oder Übergabepraxen sollen attraktive, flexible Arbeitsmöglichkeiten im hausärztlichen Beruf bieten (...).

Mehr Zeit für Patientenkontakte ohne Leistungseinbußen an anderen Stellen sei zu gewährleisten. Dieses macht die hausärztliche Tätigkeit aus.

Politisch dient in Österreich die - innerhalb Europas unübliche - fehlende Anerkennung der Allgemeinmedizin als Fachspezifität oft als Argument dafür, die Notwendigkeit flächendeckender Institute für Allgemeinmedizin zu verneinen bzw. ihre Unterfinanzierung zu rechtfertigen,

wird die aktuelle Situation an den Universitäten kritisch beschrieben. Lehrende für Allgemeinmedizin sollten selbst möglichst langjährige Erfahrung auf diesem Gebiet haben.

 

Zentral hemmend erscheine eine "Niederlassungsbarriere" für Jungärzte, bei der immer wieder "das nicht einschätzbare und vermutbare hohe finanzielle Risiko und die administrativen Aufgaben" als Hürden für die Entscheidung zur Ausbildung und Arbeit als Hausarzt begriffen werde. Zwar sei im Jahr 2015 die "Ausbildungsordnung neu" für angehende Ärzte in Kraft getreten, doch sie habe erst recht zu Verunsicherung geführt.


Ziemlich allein steht Österreich in Europa - exklusive Slowenien und Italien - in der Situation da, dass Allgemeinmediziner keine Fachärzte sind. Das führt automatisch zu geringerem berufsspezifischen Ansehen, obwohl die Autoren klarstellen, dass Allgemeinmedizin eine ärztliche Tätigkeit sui generis ist. Sie ist nicht die verknappte Summe aller berührten Fächer.

 

"Die Disziplin Allgemein- und Familienmedizin verfügt über ein eigenes Spezialwissen und eigene Forschungsgegenstände. Ihre Ausübung verlangt spezielle Kompetenzen und fachspezifische Fähigkeiten und Fertigkeiten, sowie andere Arbeitsmittel, von denen einige durch Zeitintensität gekennzeichnet sind", heißt es in dem Papier.


Mangel an Stellen ist nicht gegeben. In den nächsten zehn Jahren werden 50 bis 60 Prozent der Allgemeinmediziner in Pension gehen. Es geht aber - auch - schlichtweg um's Geld. "Laut der internationalen Literatur spielt die Vergütung hausärztlicher Tätigkeit eine entscheidende Rolle dafür, dass der Hausarztberuf gewählt wird", heißt es in dem Papier.


Allgemeine Kassenfachärzte (exklusive z.B. Labor, Röntgenologie, Physikalische Medizin und Pathologie) erwirtschaften in Österreich im Jahr 2016 über Verträge mit den sogenannten Paragraf-2-Krankenkassen (GKKs etc.) im Durchschnitt Honorare von rund 327.000 Euro (Umsatz) Jeder Hausarzt mit Paragraf-2-Kassenvertrag kam laut den Statistiken des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger auf einen Honorarumsatz von durchschnittlich 233.000 Euro.

Quelle: APA

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