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Rheuma: Symptome, Behandlung & der Einsatz von Cannabinoiden

Rheuma: Symptome, Behandlung & der Einsatz von Cannabinoiden

Rheuma: Symptome, Behandlung & der Einsatz von Cannabinoiden

CredoWeb im Interview mit Experten & Facharzt für Rheumatologie Professor Privatdozent Dr. med. Klaus Bobacz

 

CredoWeb: Was genau ist Rheuma?

 

Prof. Priv.-Doz. Dr. med. Klaus Bobacz: „Das Rheuma“ wird sehr oft mit einer Arthritis (= schmerzhafte Gelenkentzündung) gleichgesetzt und häufig auf die chronische Polyarthritis (= die bekannteste Arthritiserkrankung) reduziert.

Die rheumatologischen Erkrankungen fassen aber eine Vielzahl (450-500) unterschiedlicher Krankheiten/Krankheitsbilder zusammen. 

„Rheuma“ ist ein Überbegriff für Erkrankungen, die Binde-und Stützgewebe, aber auch Blutgefäße, Nerven und alle inneren Organe betreffen und schädigen können.

 

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Ursächlich können entzündliche Vorgänge bedingt sein durch autoimmunologische Geschehen (= das Immunsystem greift körpereigene Strukturen an), durch autoinflammatorische Geschehen (= ungezügelte Entzündungsgeschehen meist aufgrund genetischer Defekte), durch mechanische (Über)Belastung, durch spezifische Stoffwechselvorgänge (z.B. Harnsäureüberladung), aber auch durch Infektionserkrankungen.

 

CredoWeb: Gibt es typische Symptome?

 

Prof. Priv.-Doz. Dr. med. Klaus Bobacz:

Das eine typische Symptom, das uns eine sichere Diagnose stellen lässt, gibt es in der Rheumatologie nicht.

Ein geschwollenes Gelenk ist nur selten mit einer chronischen Polyarthritis gleichzusetzen und Fieberschübe mit Gelenkschmerzen müssen nicht gleich einen autoimmunologischen oder autoinflammatorischen Hintergrund haben. 

Typische „rheumatologische“ Symptome, wie eben Gelenkschwellung, oder Schmerzen, haben viele, viele Differentialdiagnosen, sprich, viele Erkrankungen können sich mit ähnlichen Symptomen präsentieren.

Der Verdacht auf eine rheumatologische Erkrankung kommt häufig erst bei Vorliegen von bisweilen recht typischen Symptomkomplexen, bzw. nach Vorliegen zusätzlicher Informationen, wie z.B. von Laborwerten, auf. 

Andererseits sollte man aber stets daran denken, dass sich beispielsweise hinter Symptomen eines banalen grippalen Infektes (Abgeschlagenheit, Fieber, Kopfschmerz, Gliederschmerzen etc.), eine rheumatologische Erkrankung verbergen kann.

 

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CredoWeb: Wie wird die Diagnose gestellt?

 

Prof. Priv.-Doz. Dr. med. Klaus Bobacz: RheumatologInnen bzw. rheumatologisch interessierte ÄrztInnen werden bei bestimmten Symptomkonstellationen hellhörig und beginnen mir der spezifischen Diagnostik.
Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit vielen anderen klinischen Fächern, da rheumatologische Erkrankungen eben nicht ausschließlich das muskuloskelettale System betreffen, sondern auch innere Organe, Blutgefäße und Nerven angreifen können.

Zusätzliche Hilfestellung können Klassifikationskriterien bieten, die man unterstützend anwenden kann; richtige Diagnosekriterien gibt es kaum.

Die Kunst die richtige Diagnose zu stellen, liegt letztlich darin, Symptome und Symptomkomlexe richtig zu erkennen, zu interpretieren, einzuordnen, mit Zusatzinformationen (Labor, Bildgebung, …) zu paaren, auszuwerten und die Krankheitsentität dingfest zu machen.


 

CredoWeb: Wie sehen die derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten aus?

 

Prof. Priv.-Doz. Dr. med. Klaus Bobacz: In Hinblick auf die entzündlichen rheumatologischen Systemerkrankungen werden molekulare Vorgänge immer besser verstanden und es ist uns heute möglich, entzündungsfördernde Strukturen effektiv zu bekämpfen.
Hier kommen neben altbewährten, wenig zielselektiven Medikamenten, nun direkt gegen ein Ziel (z.B. Entzündungsbotenstoff) gerichtete Therapien aus dem Bioreaktor (= Biologika) zum Einsatz.

Komplettiert wird unser Arsenal durch sogenannte „niedermolekulare Verbindungen“, Medikamente, die chemisch synthetisiert werden können, aber ebenso direkt zielgerichtet wirken.

Je nach Krankheit wird eine Einfach- oder Kombinationstherapie verordnet; in vielen Fällen lässt sich rasch ein Krankheitsstillstand erreichen, in anderen Fällen muss bei Nichtansprechen auf ein anderes Präparat umgestellt werden.

Da uns heute eine große Zahl an unterschiedlichen Medikamenten zur Verfügung steht und in relativ kurzen Abständen neue Präparate auf den Markt kommen, findet sich für jede Patientin/jeden Patienten die richtige Therapie bzw. Therapiekombination.

Medikamente
 

So effektiv wir die entzündlichen rheumatologischen Systemerkrankungen behandeln können, so schwer fällt uns die Therapie der häufigsten rheumatologischen Erkrankung, der Osteoarthrose.
Hier sind jegliche modernen Therapeutika unwirksam.




Der Weg zur zielgerichteten Therapie wurde zwar schon eingeschlagen und erste Medikamente befinden sich in Testphasen, doch wird es noch lange dauern, um ans Ziel zu gelangen und die Arthrose effektiv behandeln zu können. In der Zwischenzeit bleibt uns hier die pharmakologische Schmerzhemmung und viel wichtiger die funktionelle Therapie über Ergotherapie und physikalische Medizin.

 

CredoWeb: Cannabinoide werden in der Schmerztherapie schon erfolgreich eingesetzt. Könnte diese Art der Therapie auch bei Rheuma helfen?

 

Prof. Priv.-Doz. Dr. med. Klaus Bobacz: Cannabinoide erreichen heutzutage fast schon Popkulturstatus und werden für alle möglichen Symptome propagiert.
Grundsätzlich ist zu bemerken, dass Cannabinoiden eine gewisse entzündungshemmende Potenz nachgesagt wird, die zumindest in Versuchslabors bestätigt werden konnte.

Inwieweit diese Erkenntnisse in die klinische Praxis umzulegen sind, ist nicht geklärt. Derzeit gibt es jedoch keinen Beleg, dass diese Substanzen bei rheumatologischen Erkrankungen in Hinblick auf die Entzündungskontrolle effektiv wären. Demnach kann heute keine Empfehlung ausgesprochen werden.

Es ist aber durchwegs möglich, dass nicht-psychoaktive Cannabinoid-Derivate als Zusatztherapie nicht nur bei der Symptomkontrolle (Schmerz), sondern auch bei der Entzündungsaktivitäts-Eindämmung ihre Anwendung finden. Die nächsten Jahre werden es weisen.

Cannabis

 

Interview: Christina Neumayer/CredoWeb

 

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