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Herzinsuffizienz - Vernetzung ist Schlüssel für Disease Management

Herzinsuffizienz - Vernetzung ist Schlüssel für Disease Management

Die Österreichische Kardiologische Gesellschaft (ÖKG) fordert einen nationalen Plan für ein strukturiertes Disease-Management-Programm bei Herzinsuffizienz. Ein großes Problem sei die Späterkennung der Erkrankung, kritisierten Experten am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien. "Herzinsuffizienz ist viel zu wenig bekannt", betonte ÖKG-Präsidentin Andrea Podczeck-Schweighofer.

 

Andrea Podczeck-Schweighofer
Andrea Podczeck-Schweighofer

 

Von Herzinsuffizienz (HI), auch als Herzschwäche oder Herzmuskelschwäche bezeichnet, sind in Österreich bis zu 300.000 Menschen betroffen. Die häufigsten Ursachen sind eine Verkalkung der Herzkranzgefäße und Hypertonie. Bei der Erkrankung ist der Herzmuskel geschwächt und kann das Blut nicht mehr so gut durch den Körper pumpen. Das führe nicht nur leicht zu Erschöpfung, sondern zu Lebensbedrohung, erklärte Podczeck-Schweighofer.

"Die Prognose der Herzinsuffizienz ist schlecht, obwohl die Medizin heute gute Möglichkeiten zur Behandlung hat."

Nach fünf Jahren sei bereits die Hälfte der Patienten verstorben. Die Versorgung sei zwar gut, im Alltag werden die Menschen mit ihrer Erkrankung dann aber allein gelassen. Heute seien bereits zehn Prozent aller über 70-Jährigen betroffen, und die Gesellschaft werde immer älter, gab Podczeck-Schweighofer zu bedenken.


Abhilfe schaffen könnte ein strukturiertes Disease-Management-Programm, hieß es von der ÖKG. Solche Programme seien eine zeitgemäße Form der Betreuung chronisch kranker Menschen und hätten sich als äußerst effektiv erwiesen. Für den Erfolg dieser Maßnahmen gebe es bereits ausreichend wissenschaftlich untermauerte Evidenz. Entscheidend dabei sei eine professionelle, menschliche und technische Vernetzung, sagte Martin Hülsmann, der Leiter der Spezialambulanz Herzinsuffizienz der MedUni Wien. Menschen in Gesundheitsberufen müssten die Möglichkeit haben, sich über die Situation des Patienten auszutauschen, und die Zeit haben, den Betroffenen umfassend zu informieren und aktiv miteinzubeziehen. Das koste zwar Geld, allerdings reduzieren sich damit die Spitalsaufenthalte, die für das Gesundheitssystem in diesen Fällen mit 80 Prozent der Kosten das teuerste Element seien.

Mehr Compliance durch Einbindung der Patienten

Prof. Gerhard Pölzl
Prof. Gerhard Pölzl

 

So können etwa auch Tools der Telemedizin einbezogen werden, wie Gerhard Pölzl von der Med Uni Innsbruck anhand des Projekts "HerzMobil Tirol" veranschaulichte. Dabei handelt es sich um das erste Disease-Management-Programm für Herzinsuffizienz, das in Österreich in die Regelversorgung übernommen wurde. Es beinhaltet ein umfassendes Betreuungsnetzwerk - Krankenhäuser, niedergelassene Internisten und Hausärzte sowie geschultes Pflegepersonal - und auch ein Telemonitoring-System. Die Patienten bzw. ihre Angehörigen erhalten eine krankheitsbezogene und technische Schulung.

 

"Durch die aktive Einbindung der Patienten wird die Compliance gestärkt: Die Patienten lernen, mit der Erkrankung umzugehen, fühlen sich sicherer und tragen so selbst zur Steigerung ihrer Lebensqualität bei", erläuterte Pölzl. Seit 2012 sind rund 300 Patienten betreut worden, eine flächendeckende Versorgung für Tirol von etwa 600 Betroffenen ist für 2021 geplant.


In der Schweiz gebe es als gutes Beispiel auch eine Patienteneinbindung mit Bonusmodellen, sagte Gerald Bachinger, der Leiter der Österreichischen Patienten- und Pflegeanwaltschaft.

"Auf allen Ebenen des Gesundheitssystems wird zu wenig gesprochen, koordiniert und verbindlich umgesetzt", kritisierte Bachinger.

Auch einen interdisziplinären Wissenstransfer müsse es geben. "Schlüssel ist der wissende Patient", ist Podczeck-Schweighofer überzeugt. Niederschwellige Erklärungen für die Patienten seien etwa nur ein kleiner Baustein, aber sehr wichtig für die Zukunft.


"In industrialisierten Staaten wie Österreich machen die Kosten der Herzinsuffizienz rund ein bis zwei Prozent der gesamten Gesundheitskosten aus, das sind für Österreich rund 350 Millionen Euro", meinte Martin Eichtinger vom Niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds. "Zwei Drittel der Wiederaufnahmen sind auf vermeidbare Faktoren zurückzuführen." Da Österreich ein komplexes Gesundheitssystem habe und aus mehreren Töpfen gespeist werde, könnten effiziente Betreuungsprogramme aber nur durch alle Entscheider gemeinsam erreicht werden.

Quelle: APA

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