Artikel

Kinesiotaping für Schwangere: Schmerzbehandlung ohne Nebenwirkungen

Kinesiotaping für Schwangere: Schmerzbehandlung ohne Nebenwirkungen

CredoWeb im Interview mit Fachärztin für Gynäkologie & Geburtshilfe Dr. med. Anke Moser vom Vienna Airport Health Center

 

 

CredoWeb: Was versteht man unter Kinesiotaping in der Schwangerschaft?



Dr. med. Anke Moser:

 

Grundsätzlich kommt die Wirkung des Tapes über einen taktilen Reiz an der Haut zustande, der ans Zentralnervensystem weitergeleitet wird und diesem eine unmittelbare Reaktion abverlangt.

 

Das bedeutet, dass ein eingespielter Automatismus unterbrochen und quasi neu programmiert wird. Je nachdem, welchen Effekt man bei der Patientin erzielen will, wird die Anlagetechnik gewählt.


Man arbeitet mit unterschiedlich stark gedehnten Tape-Streifen, um unterschiedlich tiefe Körperregionen (z.B. Unterhautgewebe, Muskeln und Faszien oder auch innere Organe) gezielt ansprechen zu können.

 

 

Gerade in der Schwangerschaft kommt es durch die gewebsauflockernde Hormonwirkung häufig zu einem Stabilitätsmangel im Bereich der Wirbelsäule sowie des knöchernen Beckens; dies ist natürlich notwendig, um die bevorstehende Geburt zu ermöglichen.

Die Schwangere muss aber mehr Muskelkraft aufwenden, um dieses Defizit auszugleichen. Hinzu kommt das steigende Körpergewicht, welches eine zusätzliche Belastung für den gesamten Bewegungsapparat darstellt.

 

Kinesiotaping kann hier unterstützend und stabilisierend wirken, sowie helfen, eventuelle Fehlhaltungen auszugleichen.

 

CredoWeb: Bei welchen Schwangerschaftsbeschwerden kann man es anwenden?



Dr. med. Anke Moser:

Das wichtigste Anwendungsgebiet in der Schwangerschaft sind sicher haltungsbedingte Schmerzen im Bereich der unteren Wirbelsäule sowie des Kreuzbeins, aber auch im Bereich der Schambeinfuge.

Durch den genannten Stabilitätsverlust im Bereich der ansonsten sehr straffen Gelenksverbindungen im gesamten Becken kommt es in der Schwangerschaft häufig zu durchaus heftigen Schmerzbeschwerden, welcheoftmals nur mit der Einnahme von Schmerzmitteln beherrscht werden können.

Gerade in diesen Fällen kann durch die Tape-Anwendung meist innerhalb weniger Tage eine deutliche Erleichterung erzielt werden, sodass keine medikamentöse Therapie erforderlich ist.

 

Gelegentlich treten in der Schwangerschaft außerdem Schmerzen im Bereich der zunehmend gedehnten Bauchdecke oder des Nabels auf, auch hier kann eine Tape-Anlage die Muskulatur stabilisieren und entlasten.

 

 

Und auch bei massiv gestauten und geschwollenen Beinen kann mittels Kinesiotaping der Flüssigkeitsabtransport über die Lymphbahnen verbessert werden.

 

Nach der Geburt ist es möglich, die Gebärmutter-Rückbildung durch Taping zu unterstützen. Weiters kann man durch die Anlage eines Narbentapings die Wundheilung nach einem Kaiserschnitt verbessern.

Und im Falle eines Milchstaus kann durch die Tape-Anlage ebenfalls sehr effektiv eine Erleichterung erzielt werden, sodass die Entstehung einer Mastitis (= Brustdrüsenentzündung) oftmals verhindert wird.


 

CredoWeb: Wie wird es gemacht?

 

Dr. med. Anke Moser: Je nachdem, welche Strukturen in welcher Körperregion beziehungsweise welche Gewebetiefe man ansteuern möchte, gibt es unterschiedliche Anlegetechniken. Die Wirkung wird durch die Breite des Tape-Streifens sowie durch die Spannung, mit welcher er aufgeklebt wird, reguliert.

Für die erforderliche Länge der Streifen wird unmittelbar an der Patientin „Maß genommen“, das heißt, dass es keine Standardtapes gibt, sondern der Therapeut diese im Rahmen des Tapings individuell zurechtschneidet.

Eine Ausnahme bilden hier jedoch die Crosstapes, dies sind quadratische oder rechteckige Tapes mit einer Gitterstruktur, die es in unterschiedlichen Größen ähnlich wie Pflaster zu kaufen gibt; diese kann man ganz gezielt auf einen einzelnen Schmerz- oder Triggerpunkt aufbringen, allein oder auch in Kombination mit einem klassischen Kinesiotaping.

Über die Farbe der Tapes versucht man eine gewisse Zusatzwirkung zu erzielen, wobei warme Farben wie Rot und Pink eher anregend und energetisierend wirken, während kühle Farben wie Blau und Türkis eher Spannung aus dem Gewebe ableiten sollen; ich lasse die Patientin meist intuitiv wählen, welche Farbe sie haben möchte.

 



CredoWeb: Wie lange bleiben die Tapes auf dem Körper?



Dr. med. Anke Moser: Bei guter Verträglichkeit können und sollen die Tapes durchaus einige Tage bis maximal eine Woche auf dem Körper verbleiben; man rundet auch üblicherweise die Schnittkanten ab, um ein vorzeitiges Ablösen an den Ecken möglichst zu verhindern. Durch die Gewebestruktur wird Schweiß gut nach außen transportiert.

Möchte man die Tapes schließlich entfernen, gelingt dies am besten unter der Dusche oder mithilfe eines Körperöls.



CredoWeb: Wann darf die Methode nicht angewendet werden?



Dr. med. Anke Moser: Wenn eine Pflasterunverträglichkeit bekannt ist, sollte man eher vorsichtig sein, denn obwohl die Tapes an und für sich natürlich auf ihre Hautverträglichkeit geprüft sind, kann man Lokalreaktionen wie Rötung und Juckreiz nie ganz ausschließen.

 

 

Da die Haut am Bauch in der Schwangerschaft häufig besonders trocken ist, kann es auch hier durch die Tape-Anlage zu einer Überbeanspruchung und zu einem unangenehmen Juckreiz kommen, sodass man hier möglicherweise aufs Taping verzichten muss.



CredoWeb: Welche Kosten entstehen? Werden sie von den Krankenkassen übernommen?



Dr. med. Anke Moser: Grundsätzlich ist mit Kosten von ca. 20-30 Euro zu rechnen, je nachdem wie großflächig das Behandlungsgebiet ist. Viele Therapeuten haben einen pauschalen Sockelbetrag und verrechnen dann für jeweils 10cm verbrauchten Tapestreifen zusätzlich eine kleine Summe.

Kinesiotaping wird von zahlreichen Physiotherapeuten angeboten und ich gehe davon aus, dass die Krankenkassen zumindest einen Teil davon im Rahmen einer bewilligten physiotherapeutischen Behandlung rückerstatten, sofern der/die Physiotherapeut/in eine entsprechende Ausbildung vorweisen kann. Im Einzelfall wird dies jedoch immer mit der zuständigen Krankenkasse zu klären sein.

 

 

Interview: Christina Neumayer/CredoWeb

Kommentare