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Alzheimer: Neurologen fordern bessere Prävention und mehr Unterstützung für pflegende Angehörige

Alzheimer: Neurologen fordern bessere Prävention und mehr Unterstützung für pflegende Angehörige

Alzheimer ist eine große Belastung für daran Erkrankte und ihre Familien. Obwohl derzeit an neuen Therapieansätzen geforscht wird, gibt es noch kein Mittel, um den zugrundeliegenden Krankheitsprozess zu stoppen. Man kann allerdings die Symptome der Krankheit medikamentös behandeln, um das Fortschreiten der kognitiven Beeinträchtigung zu verlangsamen. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist die Alzheimerprävention. Anerkannte Risikofaktoren sind zum Beispiel Hörstörung oder -verlust, Bluthochdruck, Übergewicht, Bewegungsarmut, Rauchen, Alkoholkonsum etc. Geistige Tätigkeit (lebenslanges Lernen), Bewegung, gesunde Ernährung, soziale Interaktion und Überwachung kardiovaskulärer Risikofaktoren helfen bei der Prävention.

 

Die Präsidenten der Österreichischen Alzheimer Gesellschaft und der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie fordern mehr Engagement in der Prävention und bessere Unterstützungsangebote für pflegende Angehörige.

Es gibt zwar noch keine kausale, aber doch symptomatische Therapien gegen Alzheimer und eine Reihe von vorbeugenden Maßnahmen. Darauf möchten wir aufmerksam machen,

sagt Univ.-Prof. Dr. Peter Dal Bianco, Präsident der Österreichischen Alzheimer Gesellschaft (ÖÄG), anlässlich des Welt-Alzheimertags am 21. September.

 

Demenzerkrankungen sind die große medizinische und gesellschaftliche Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Derzeit leiden weltweit rund 50 Millionen Menschen an Demenz, in Österreich etwa 130.000. Die Zahl der Betroffenen (Patienten und Betreuer) und die hohen Folgekosten von derzeit mehr als zwei Milliarden Euro pro Jahr in Österreich, werden sich aufgrund der steigenden Lebenserwartung bis 2050 mehr als verdoppeln. Die ÖAG und die Österreichische Gesellschaft für Neurologie (ÖNG) fordern, dem Thema Alzheimer weiterhin die nötige Aufmerksamkeit zu widmen.

Die Angehörigen von Alzheimer-Patienten brauchen bestmögliche Unterstützung. Wir müssen dafür sorgen, dass die bestehenden Hilfsangebote noch praxistauglicher werden und wirklich bei den Betroffenen ankommen,

betont ÖGN-Präsident Univ.-Prof. Dr. Eugen Trinka (Uniklinikum Salzburg).

Alzheimer ist die häufigste Demenzform

In Österreich leiden etwa 100.000 Menschen an Alzheimer. Mit rund 70 Prozent ist diese Krankheit die häufigste Demenzform. Bei Alzheimer gehen in speziellen Gehirnarealen Nervenzellen zugrunde. Die Folgen: Das Gedächtnis schwindet, das geistige Leistungsvermögen nimmt ab und auch die Persönlichkeit der Betroffenen kann sich verändern. Nur zwei bis drei Prozent der Alzheimerpatienten haben eine vererbte autosomal dominante Variante. Eine Veränderung am Chromosom 14 („Praesenilin1“) ist für diese verantwortlich. Die klinischen Beschwerden treten bereits vor dem 50. Lebensjahr auf.

 

Die häufigste Form aber ist die „sporadische“ Alzheimerkrankheit. Sie beginnt mit ihrer Symptomatik zumeist erst im Alter zwischen 65 und 70 oder auch später und hat eine Verlaufszeit von mehr als zehn Jahren. „Dabei gibt es sehr unterschiedliche klinische Verlaufsformen. Bei manchen Patienten bleiben die Krankheitssymptome sogar über Jahre relativ stabil“, sagt Prof. Dal Bianco.

Noch keine Impfung gegen Alzheimer (Kausaltherapie) – Therapie derzeit nur gegen Symptome

Bekannt ist, dass sich bei Alzheimer Eiweiße wie A-Beta verklumpen, zu Alzheimer-Plaques werden und die Synapsen beeinträchigen oder zerstören. Auch das Tau-Protein, das innerhalb der Zelle durch Hyperphosphorylierung gebildet wird, ist für den Untergang von Nervenzellen verantwortlich. Umstritten ist jedoch, ob diese beiden Phänomene ursächliche Faktoren für die Entstehung der Alzheimererkrankung sind.

Versuche, durch Impfungen die krankheitsverursachenden A-Beta-Eiweißfädchen im Gehirn zu beseitigen und somit das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen, zeigten bisher leider keinen überzeugenden klinischen Erfolg,

bedauert Prof. Trinka.

 

Die schädlichen Eiweiße müssten zudem lange vor dem klinischen Ausbruch der Alzheimererkrankung herausgelöst werden, da diese Veränderungen im Gehirn etwa zwanzig Jahre vor dem Einsetzen der Symptomatik stattfinden. Derzeit wird intensiv an Biomarkern geforscht, um Alzheimer voraussagen und frühzeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können.

 

Obwohl an vielen neuen Therapieansätzen geforscht wird, gibt es noch kein Medikament, um den zugrundeliegenden Krankheitsprozess bei Alzheimer zu stoppen.

Wir können nur die Symptome der Krankheit beeinflussen und das Fortschreiten der kognitiven Beeinträchtigung verlangsamen,

erklärt Prof. Dal Bianco.

 

Aktuell stehen zwei Wirkstoffe mit unterschiedlichen Mechanismen zur Verfügung. Zur Cholinesterase-Hemmung dienen die Medikamente Rivastigmin, Donepezil und Galantamin. Sie wirken ähnlich, sind aber individuell unterschiedlich gut verträglich. Die zweite Medikamentengruppe sind die Glutamatrezeptorantagonisten (z.B. Memantin). 

Beständige geistige Beschäftigung: Wie man sich vor Alzheimer schützen kann

Neue Studien zeigen die Risikofaktoren für die Entstehung von Alzheimer auf, und worauf es in der Prävention ankommt. Wichtig ist demnach beständige geistige Beschäftigung. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Funktion und der Struktur im Gehirn. Geistige Beschäftigung führt dazu, dass neue Synapsen und Verbindungen zwischen den Nerven entstehen. Prof. Dal Bianco betont, dass das nicht nur in jungen Jahren der Fall ist, sondern auch im fortgeschrittenen Alter: „Lebenslanges Lernen, also beständiges ‚Gehirntraining‘, ist ein Präventionsfaktor für den klinischen Alzheimer.“

Risikofaktoren Hörverlust, Rauchen und Alkoholkonsum

Ein Risikofaktor im mittleren Alter ist schlechtes Hörvermögen oder Hörverlust. Dadurch kommt es meist zu sozialer Isolation und weniger Interaktion und somit auch zu einer Verringerung der geistigen Aktivität. Bluthochdruck, Bewegungsarmut und Fettleibigkeit sind ebenso ungünstig, also Faktoren, die auch negativ auf Herz und Kreislauf wirken.

 

Prof. Trinka:

Schlechte Hirndurchblutung führt zu rascherer Hirndegeneration.

Auch das Rauchen und Alkoholkonsum geben dem Verlauf der Alzheimererkrankung Rückenwind.

Bewegung, gesunde Ernährung, soziale Interaktion, Überwachung vaskulärer Risikofaktoren

Das Vermeiden von Risiken kann helfen, den Zeitpunkt des klinischen Ausbruchs von Alzheimer so weit wie möglich nach hinten zu verschieben.

Mit multimodalen Therapien zur Alzheimerprävention kann man zwar keine Wunder bewirken. Aber die ersten Ergebnisse der sogenannten FINGER-Studie zeigen: Mehr Bewegung, Konditionstraining, gesunde Ernährung, soziale Interaktion und Überwachung von vaskulären Risikofaktoren können die Auswirkungen der Alzheimerhirnveränderungen abmildern,

berichtet Prof. Dal Bianco.

 

Der Alzheimer-Experte rät zur Frühdiagnose:

Wenn Sie sich im Vergleich zu zwei Jahren vergesslicher fühlen, sollten Sie Ihren Hausarzt aufsuchen.

Das Symptom Vergesslichkeit muss nicht gleich Alzheimer bedeuten, sondern kann auch mit Depression, Vitaminmangel oder hormonellen Veränderungen zusammenhängen und sich gut behandeln lassen. 

Betreuung verbessern – Verhaltensstörungen rechtzeitig erkennen und behandeln

Der Großteil der Alzheimerpatienten wird zuhause von Angehörigen oder Freunden betreut. „Pflegende Angehörige müssen besser sichtbar gemacht, höher wertgeschätzt und besser unterstützt werden“, fordert Prof. Dal-Bianco. In Österreich gibt es zwar gute Netzwerke, Einrichtungen und Programme, aber „man sollte immer wieder daran arbeiten, dass diese Angebote auch in den Alltag der betreuenden Angehörigen einfließen“, sagt Prof. Trinka.

 

Ein Problem für pflegende Angehörige besteht in der Einstufung der Pflegegeldstufe, da die Schwere der Erkrankung oft falsch eingeschätzt wird. Insbesondere Begutachter, die nicht oft mit Alzheimerpatienten zu tun haben, können sich täuschen lassen. „Die Patienten wollen bei der Begutachtung gut dastehen und zeigen eine geistige Leistungsfähigkeit, die sie im Alltag bei weitem nicht haben“, erklärt Prof. Dal Bianco. Die Ärzte sollten zudem auch nach Verhaltensauffälligkeiten der Patienten fragen:

Reizbarkeit, Ungeduld und Aggression sind Verhaltensänderungen, die von den betreuenden Angehörigen oft verschwiegen werden, weil sie ihre betreute Person nicht bloßstellen wollen. Das Verhalten der Alzheimerpatienten ist im Spätstadium oft das Spiegelbild der Emotionen ihrer Betreuer.

Verhaltensstörungen sollten rechtzeitig erkannt und behandelt werden.

 

Für die medizinische Betreuung der immer größeren Zahl von Alzheimerpatienten braucht es in Österreich nicht nur ambitionierte, gut informierte Allgemeinmediziner, sondern zunehmend mehr neurologische Fachärzte, da Alzheimer mit weiteren neurologischen Erkrankungen verbunden sein kann. In der Spätphase erleiden fünf bis zehn Prozent der Alzheimerpatienten auch einen epileptischen Anfall. In der Endphase der Erkrankung benötigen die Patienten häufig neuropalliative Versorgung. „Dazu brauchen wir jetzt und in Zukunft viel mehr niedergelassene Neurologen“, so Prof. Trinka.

 

Weitere Informationen zum Thema Alzheimer finden Sie hier.

 

Quellen:

Ngandu T et al. A 2 year multidomain intervention of diet, exercise, cognitive training, and vascular risk monitoring versus control to prevent cognitive decline in at-risk elderly people (FINGER): a randomised controlled trial. Lancet 2015; 385:2255-63;

Norton S et al. Potential for primary prevention of Alzheimer’s disease: an analysis of population-based data. Lancet Neurol 2014; 13: 788–94;

Frankish H, Horton R. Prevention and management of dementia: a priority for public health. Lancet 2017;(390): 2614-2615.

Quelle: Presseaussendung der Österreichischen Alzheimer Gesellschaft und der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie | B&K Kommunikationsberatung

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