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Lieferengpässe bei Medikamenten: ein komplexes Problem

Lieferengpässe bei Medikamenten: ein komplexes Problem

In einem reichen Land wie Österreich mit seinem solidarischen Sozialversicherungs- und Krankenkassensystem sollte die Arzneimittelversorgung eigentlich kein Problem sein. Doch es knirscht offenbar immer wieder im Getriebe. Das Problem von Lieferengpässen ist komplex und - je nach betroffenem Arzneimittel - auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen.

Einerseits geht es um die sogenannte Kontingentierung hoch innovativer und teurer Medikamente, zum Beispiel bestimmte Biotech-Arzneimittel. Auf der anderen Seite kommt es immer wieder zu Produktionsproblemen zunehmend weniger Wirkstoffproduzenten in anderen Weltregionen, zum Beispiel in China oder Indien.

 

Bei innovativen, in der Herstellung komplizierten Biotech-Präparaten kann es durch die sogenannte Kontingentierung zu Problemen kommen. Die österreichischen Niederlassungen internationaler Pharmakonzerne erhalten nach der Markterwartung vorausberechnete und vorbestellte Mengen. Um das Aufkaufen und den Export ins teurere EU-Ausland durch Pharmagroßhändler und offenbar auch durch Apotheker zu unterbinden, versorgen die Konzerne den Markt nicht über den Pharmagroßhandel, sondern über Pharmalogistik-Unternehmen. Anfangs bedeutete das für die Patienten zum Teil längere Vorlaufzeiten, bis das Medikament in der Apotheke nach Bestellung auch wirklich vorhanden war.

Das hat man in den Griff bekommen. Binnen einem Tag ist das bestellte Arzneimittel da,

sagte dazu ein Apotheker gegenüber der APA.

 

Doch österreichische Apotheken könnten sich bald auch außerstande sehen, diese Arzneimittel überhaupt zu bestellen. "Die Logistikunternehmen haben ein Zahlungsziel von wenigen Tagen. Wenn eine Packung zum Beispiel 10.000 Euro kostet, muss ich das vorfinanzieren. Die Krankenkasse zahlt erst nach einigen Wochen. Bei einem Rezept geht das. Aber kommen in einer Woche mehrere Patienten mit Rezepten auf solche Arzneimittel, ist das finanziell unmöglich", sagte der Apotheker. Normalerweise - bei Bezug via Pharmagroßhandel - übernimmt der Grossist die Zwischenfinanzierung, bis die Krankenkasse zahlt.

 

Die Pharmig als Verband der österreichischen Pharmaindustrie verwies darauf, dass bei rund 13.000 Pharmaprodukten eine Lieferfähigkeit von 99 Prozent gegeben sei. Doch ist ein wichtiges Medikament nicht verfügbar - wird das für die betroffenen Patienten, deren Ärzte und Apotheker zum Problem. "Von heute, 13.00 Uhr, bis um 17.26 Uhr habe ich drei Nachrichten über Lieferausfälle erhalten", sagte vergangenes Jahr ein oberösterreichischer Krankenhausapotheker. Es handelte sich bei den plötzlich fehlenden Arzneimitteln um zwei wichtige Krebsmedikamente und ein auf Intensivstationen eingesetztes Antibiotikum.

 

Ein anderes Beispiel, wie ein Krankenhausapotheker vor wenigen Tagen schilderte: Ein Produzent ließ plötzlich zwei Stärken eines bei fast jeder Narkose verwendeten Beruhigungsmittels auf. Von einem Tag auf den anderen musste umdisponiert werden. Ein extrem wichtiges Arzneimittel für viele Patienten, ein Präparat mit niedermolekularem Heparin, sei seit Monaten immer wieder nicht lieferbar. Der Eigentümer einer öffentlichen Apotheke wiederum sagte: "Wir sind heute bei unserem Großhändler mit weit mehr als 200 Produkten vorgemerkt, die wir erhalten sollen, wenn sie wieder verfügbar sind."

 

Eine Wiener Hausärztin sagte: "Seit einiger Zeit ist ein bei Patienten oft verwendetes und von den Krankenkassen bezahltes Venenmittel nicht verfügbar. Das macht die Patienten unruhig."

Ein Teil der Problematik liegt in der zunehmenden Monopolisierung der Wirkstoffherstellung. "Wo es früher sieben Anbieter gab, sind es nur noch zwei. Die Lieferausfälle betreffen zumeist Medikamente, deren Herstellung sehr aufwendig ist und die einen sehr niedrigen Preis haben", sagte vergangenes Jahr ein Experte der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit. Schon der Ausfall eines Produzenten durch technische Schwierigkeiten etc. könne dann zu einer extremen Verknappung der vorhandenen Mengen bei dem jeweils betroffenen Arzneimittel führen.

Engpässe bei der Versorgung mit Arzneimitteln sind nicht akzeptabel,

kritisierte die Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer, Ulrike Mursch-Edlmayr, nach dem Aufflammen der Diskussion über Probleme in der Arzneimittelversorgung.

Arzneimittelengpässe sind eine fatale Folge der scheinbar grenzenlosen globalen Liberalisierung. Die Politik muss der ungeregelten Marktliberalisierung im Gesundheitsbereich aktiv entgegentreten, auf nationaler Ebene ebenso wie EU-weit.

Zu qualitätsbedingten Engpässen - für international großes Aufsehen erregte die Kontamination von Blutdruckmitteln (bestimmte Sartane; Anm.) mit potenziell toxischen Substanzen aus chinesischer Produktion - kann man sich auf der Website des Bundesamtes für Arzneimittelsicherheit im Gesundheitswesen unter https://medicineshortage.basg.gv.at informieren.

Quelle: APA

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