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Herzinsuffizienz-Medikamente oft zu gering dosiert

Herzinsuffizienz-Medikamente oft zu gering dosiert

Wichtige Medikamente zur Behandlung von Herzinsuffizienz werden oft in niedrigeren Dosierungen verschrieben als die internationalen Richtlinien vorgeben. Eine Studie unter Mitwirkung der MedUni Wien zeigt eine übervorsichtige Verabreichung der gängigsten Medikamentengruppen durch die behandelnden ÄrztInnen auf. Ungeachtet potentieller Nebenwirkungen liegt ein Grund hierfür bereits im unbewussten Handeln der verschreibenden ÄrztInnen. Die Ergebnisse wurden aktuell im Journal „Annals of Internal Medicine“ publiziert.

 

Herzinsuffizienz ist eine der häufigsten Erkrankungen in westlichen Ländern. Zur Behandlung werden unter anderem drei Medikamentengruppen (ACE-Hemmer, Betablocker und Angiotensin-Rezeptorblocker) eingesetzt, für die es klare Richtlinien zur Dosierung gibt. Eine Studie der MedUni Wien gemeinsam mit ExpertInnen der Arbeitsgruppe für Herzinsuffizienz der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft untersuchte unter der Leitung von Thomas Stefenelli anhand des nationalen österreichischen Herzinsuffizienz-Registers (3.737 PatientInnendaten), welche Dosierungen an die ambulant behandelten PatientInnen verschrieben werden.

 

Während eines Beobachtungszeitraumes von zwölf Monaten erhielt nur ein begrenzter Anteil der PatientInnen mit chronischer systolischer Herzinsuffizienz die vorgeschriebenen Dosierungen. Die meisten PatientInnen lagen deutlich unterhalb der anzustrebenden therapeutisch optimalen Dosierung. Innerhalb einer Substanzklasse mit unterschiedlicher numerischer Maximaldosierung zum Erreichen des gleichen Wirkungseffekts zeigte sich dies besonders deutlich. So wurden Medikamente mit einer höheren Zieldosis in absoluten Zahlen (zB Betablocker 10mg vs 200mg) in einer deutlich niedrigeren Dosierung verschrieben als empfohlen, während bei Medikamenten mit einer niedrigeren numerischen Zieldosis die Wahrscheinlichkeit, dass die maximale Zieldosis verschrieben wurde, deutlich höher war.

 

Martin Hülsmann, Kardiologe der MedUni Wien, der gemeinsam mit seiner Kollegin Henrike Arfsten an der Studie maßgeblich mitwirkte, sieht eine kognitive Voreingenommenheit als Grund:

Wir orten in der KollegInnenschaft eine unbewusste Angst vor Überdosierung und Angst vor Nebenwirkungen von Medikamenten, die auch in der evidenzbasierten Medizin weiter existiert. Diese ist besonders ausgeprägt, je höher die Zieldosis eines Medikamentes ist und verhindert die Verabreichung der in Studien als optimal getesteten Medikamentendosierung.

Hülsmann geht davon aus, dass diese Übervorsichtigkeit kein spezielles Problem der kardiologischen Behandlungen ist, sondern auch in anderen medizinischen Bereichen eine übervorsichtige Dosierung bei Verschreibungen existiert. „wir würden uns weitere Studien wünschen, die dieser ‚Befangenheit‘ auch bei anderen Erkrankungen nachspüren.“

 

Als ersten Schritt schlagen die StudienautorInnen daher vor, diese Ergebnisse in größeren PatientInnengruppen und anderen Krankheitsentitäten zu überprüfen. Sollten sich die Ergebnisse bestätigen, empfehlen die AutorInnen die auf Milligramm-Dosierung basierenden Empfehlungen durch auf Äquivalenzdosierung basierende Richtlinien zu ergänzen. Eine korrekte Dosierung ist wichtig, damit die Medikamente ihre beabsichtigte Wirkung erreichen und damit, in diesem Fall bezogen auf die Herzinsuffizienz, Betroffene eine bestmögliche Lebensqualität gewinnen.

 

Service: Henrike Arfsten, Georg Goliasch, Noemi Pavo, Hanno Ulmer, Martin Hülsmann, Thomas Stefenelli. Prescription Bias in the Treatment of Chronic Systolic Heart Failure. „Annals of Internal Medicine“, publ. 1. October 2019. Published: Ann Intern Med. 2019. DOI: 10.7326/M19-0476.

Quelle: Presseaussendung der Medizinischen Universität Wien

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