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Grippewelle als Herausforderung für die Intensivmedizin

Grippewelle als Herausforderung für die Intensivmedizin

Mit Influenza auf die Intensivstation

Die jährliche „Grippewelle“ bringt auch für die Intensivmedizin eine wiederkehrende Herausforderung. Denn die Influenza kann manchmal zu schweren Krankheitsverläufen mit hoher Mortalität führen. Die Influenza 2019/2020 ist schon längst auch in Österreich aktiv. Die Intensivmedizin hilft im schweren Akutfall mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.

Auffällig ist, dass neben den ‚klassischen‘ Risikogruppen immer wieder Schwangere besonders schwer an Influenza erkranken,

sagt Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Eva Schaden, Leiterin einer Intensivstation an der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie (MedUni Wien/AKH Wien) und Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), zu Erfahrungen mit den jährlichen „Grippewellen“.

Die klassischen Risikogruppen, bei denen Influenza-Komplikationen häufiger auftreten, sind kleine Kinder und ältere Erwachsene ab etwa 65 Jahren. Bei letzteren sind es oft Personen mit chronischen Leiden,

erklärt die Intensivmedizinerin. Hier seien vor allem Patientinnen und Patienten mit COPD, Diabetes, koronarer Herzkrankheit bzw. Herzinsuffizienz zu nennen.

 

Doch die „echte Grippe“, wie die durch Viren verursachte Influenza oft tituliert wird, führt auch bei anderen Personengruppen zu schweren Verläufen.

Das sind zum Beispiel sehr stark adipöse Menschen (BMI >40), aber auch an sich gesunde Schwangere. Mitverursachend könnte dabei eine mit der Schwangerschaft einhergehende Schwächung der Immunabwehr sein,

sagt Prof. Schaden.

 

Eine Autorengruppe[i] hat wesentliche Eckpunkte des Problems herausgearbeitet. Für Europa wird demnach die mediane jährliche Mortalität infolge von Influenza auf knapp 45.000 Todesfälle geschätzt, was 11 Prozent der weltweiten Influenzamortalität entspricht. Spitalsaufnahmen waren häufiger bei Kindern unter fünf Jahren und Erwachsenen über 65 Jahren. Unter den hospitalisierten Fällen kam bei 34,1 Prozent zur Aufnahme in eine Intensivabteilung. Die Sterblichkeit betrug 12,1 Prozent, wobei ältere Patientinnen und Patienten mit 18 Prozent die höchste Spitalssterblichkeit aufwies. Die Berechnungen bezogen sich auf den Zeitraum von 1999 bis 2015, in diesen Zeitraum fiel auch die Influenza-Pandemie von 2009/2010 (A/H1N1).

Komplikation Lungenentzündung

Die häufigste Komplikation ist die Lungenentzündung (Pneumonie). Andere Probleme betreffen dekompensierte Herzinsuffizienz, Herzinfarkte oder Herzmuskelentzündungen,

sagt die Expertin. 

 

Bei Aufnahmen auf die Intensivstation von Influenzapatientinnen und-patienten geht es zumeist um primär virale Pneumonien. Laut dem bereits zitierten Review weisen 70 Prozent der Patientinnen und Patienten, die im Rahmen einer Influenza auf eine Intensivstation kommen, eine direkt durch Influenza hervorgerufene Lungenentzündung auf. Die Mortalität beträgt laut diesen Zahlen rund 20 Prozent.

 

Die primäre virale Pneumonie ist charakterisiert durch zunehmende respiratorische Symptome zwei bis acht Tage nach Krankheitsbeginn, etwas schlechter werdende Atemnot und schlechte Blutgaswerte (Sauerstoffsättigung, Sauerstoff- und CO2-Partialdrücke).

Eine Studie[ii] für die Jahre 2010 bis 2016 zeigte bei 75,8 Prozent der Intensivpatientinnen und-patienten mit Influenza eine primäre virale Pneumonie. 57,5 Prozent dieser Patientinnen und Patienten entwickelten ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrome, Akutes Lungenversagen). Ähnliche Anteile wurden auch in einer französischen Studie erhoben.

Lange Intensivaufenthalte

Wer mit Influenza und Lungenversagen auf die Intensivstation kommt, ist zumeist recht lange dort. Da geht es um Zeiträume bis zu acht Wochen,

sagt Prof. Schaden.

 

Die wichtigste therapeutische Maßnahme ist die Sicherstellung ausreichender Sauerstoffzufuhr bzw. eines adäquaten Gasaustausches. Das kann per Maske geschehen, aber auch per High-flow-O2-Therapie über eine Nasenkanüle. "Reicht das nicht aus, muss man intubieren und beatmen.“ Dies ist laut dem zitierten Review bei etwa 60 Prozent der Patientinnen und Patienten der Fall. Bei etwa 4 bis 7 Prozent der Influenza-ICU-Patientinnen und Patienten wird eine ECMO-Therapie erforderlich. „Die ExtraCorporale MembranOxygenierung ist eine Art ‚Herz-Lungen-Maschine‘, die den Gasaustausch  ganz oder teilweise übernimmt“, erklärt die Intensivmedizinerin. Die zusätzliche Behandlung mit antiviralen Medikamenten (Oseltamivir) reduziert die Schwere der Influenza und die Mortalitätsrate.

 

Sind rund 70 Prozent der ICU-Aufnahmen im Rahmen einer Influenza auf eine primäre virale Pneumonie zurückzuführen, weisen weitere etwa 20 Prozent eine sekundäre bakterielle Pneumonie auf. Eine mögliche Influenza-Folge sind auch die Herz-Kreislauf-Komplikationen. Eine chronische Herzinsuffizienz kann sich akut dramatisch verschlechtern, auch ein Infarktgeschehen kann ausgelöst werden. Unter Hochrisikopatientinnen und -patienten erhöht sich das Infarktrisiko während einer Influenza auf das Sechsfache. Während die Häufigkeit von Herzmuskelentzündungen in der Literatur mit 0,4 bis 13 Prozent angegeben wird, wurde in Autopsien bei 30 bis 50 Prozent der infolge einer Influenza Verstorbenen Zeichen von Entzündungen und Nekrosen im Herzmuskelgewebe entdeckt.

 

Für alle Risikokonstellationen rund um die Influenza gilt laut Prof. Schaden: „Es ist wie in vielen Bereichen der Medizin: Je früher die Diagnose gestellt wird und je früher auftauchende Komplikationen erkannt werden, desto besser.“

Plädoyer für die Impfung

„Es sollten zumindest die Angehörigen aller Risikogruppen gegen Influenza geimpft sein. Das gilt speziell für COPD-Patientinnen und Patienten, bei denen es zu schweren Verläufen kommen kann. Herzkranke, Diabetiker und Frauen, die schwanger werden wollen, sollten ebenfalls vor Influenza geschützt sein. “, sagt Prof. Schaden.

 

Studien:
[i] Christina Sarda, Pedro Palma und Jordi Rello „Severe influenza: overview in critically ill patients; in: Curr Opin Crit Care 2019, 25:449-457;
[ii] Martinez et al. Risk factors associated with severe outcomes in adult hospitalized patients according to influenza type and subtype. In: Plos One 2019; 14:e0210353.

Quelle: Pressemeldung ÖGARI

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