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Hoffnung auf wirksame Medikation gegen COVID-19

Hoffnung auf wirksame Medikation gegen COVID-19

Ein Interview mit Onkologie-Experten Univ.-Prof. Dr. Richard Greil, dem Vorstand der Universitätsklinik für Innere Medizin III am Uniklinikum Salzburg, sowie Leiter der Arbeitsgemeinschaft für medikamentöse Tumortherapie

 

CredoWeb: International werden ca. 70 Medikamente genannt, die möglicherweise gegen COVID-19 helfen könnten. Sind die Arzneien, die Sie aktuell an der Klinik testen, in dieser Liste?

 

Univ.-Prof. Dr. Richard Greil: Grundsätzlich muss man vorab sagen, dass derzeit sehr viele Medikamente getestet werden. Zum größten Teil sind das sogenannte „Repurposing-Medikamente“, was bedeutet, dass man nicht völlig neue Medikamente erfindet, sondern bestehende Medikamente, die bei anderen Indikationen eingesetzt werden, verwendet.

 

Die völlige Neuentwicklung eines Medikaments würde sehr viel länger dauern als wir Zeit haben, um wirksame Maßnahmen bei den aktuell Schwerkranken zu setzen.

 

Es kommt nun sehr rasch zu einer Zunahme der klinischen Studien.

Derzeit sind es meines Wissens über 300 klinische Studien, Off-Label-Use und Registerprogramme.

 

Off-Label-Use bedeutet, dass man die Arzneien außerhalb der üblichen Indikation verwendet bzw. testet. Das sind also zugelassene Medikamente für andere Erkrankungen, wobei man versucht, diese Anwendung über Register zu dokumentieren.

 

Dabei muss unterschieden werden, ob tatsächliche "hochwertige" randomisierte klinische Studien durchgeführt werden, welche Placebo-kontrolliert sind oder wobei ein Medikament mit anderen verglichen wird.

Das dauert sehr viel länger, bis alles aufgesetzt ist und die Ergebnisse da sind.

 

Wir befinden uns jetzt in einer Situation, die eine sehr hohe Belastung durch die hohen Sterberaten etc. bedingt.

 

Es werden unter anderem Medikamente verwendet, die direkt gegen das Virus gerichtet sind, welche vor allem die Virusreduplikationen d.h. die Virusvermehrung innerhalb der Zellen anhalten sollen.

Sie hemmen die Vermehrung des Virus innerhalb der Zellen des betroffenen Gewebes, vor allem in den Lungenepithelzellen, aber auch in anderen Zellen.

 

 

REMDESIVIR

 

 

Zu diesen Medikamenten gehört das Remdesivir, von dem man sich viel verspricht.

 

Dieses Remdesivir ist ein Medikament, dass eigentlich bei den vorangegangenen

Coronavirus-Infektionen wie MERS oder SARS, aber auch vor allem gegen EBOLA entwickelt

wurde. Hierbei hat es In-Vitro (= im Reagenzglas) und auch in präklinischen Untersuchungen eine gute Wirksamkeit gegen Coronaviren gegeben.

 

Dieses Remdesivir ist ein Medikament, dass in einer großen Studie mit über 700 Patienten randomisiert getestet wird. Diese Ergebnisse sind allerdings noch nicht bekannt. Zum letzten Mal, als ich mich erkundigt habe, waren etwa die Hälfte der Patienten in dieser Studie aufgenommen.

 

Außerdem hat es 1 Patienten gegeben, welchem Remdesivir in den USA verabreicht wurde, wovon anekdotisch ein günstiger Verlauf berichtet worden ist.

 

Ebenso ist vor kurzem ein Manuskript im New England Journal of Medicine erschienen, einem sehr angesehenen Journal, in dem 61 Patienten enthalten sind, welche auf der ganzen Welt in unterschiedlichen Kliniken auf der Basis eines institutionellen Einsatzes, mit Remdesivir behandelt worden sind.

 

Der größte Teil von diesen Patienten war schwerstkrank, hat Sauerstoff benötigt und/oder musste beatmet werden. Das ist aber eine sogenannte nicht-kontrollierte Studie d.h. es gibt keine Placebo-Kontrolle und auch keine Matched-Pair-Analyse (= Vergleich mit anderen Menschen die in einer gleich schweren Situation sind).

 


ABER in dieser Studie sieht man nichtsdestotrotz ein „günstiges Zeichen“, um das vorsichtig auszudrücken, wobei immerhin 70% der Patienten eine wesentliche Verbesserung der Sauerstoff-Versorgung hatte und 60% letztendlich extubiert werden konnten, also nicht länger eine Beatmung gebraucht haben.

 

Andererseits wurde diese Studie heftigst kritisiert, weil die Beobachtungszeit zum Teil sehr kurz ist, weil noch gar nicht alle Patienten entlassen waren und weil es keine gematchte Kontrolle dafür gibt etc.

 

Das kann man jetzt so und so bewerten.

 

Nichtsdestotrotz ist es so, dass sich viele Menschen in einer verzweifelten Situation befinden, Medikamente auch Nebenwirkungen relevanter Natur haben und es auf der anderen Seite aber auch nicht richtig wäre, solche Resultate nicht zu publizieren. Man benötigt solche Ergebnisse als Grundlage, um eine randomisierte Studie rechtfertigen zu können.

 

Wenn man kein Beispiel dafür hat, dass ein Medikament wirkt, dann würden in einer kontrollierten Studie unter Umständen die Menschen, die die Arznei bekommen, einem höheren Risiko ausgesetzt werden. Vor allem, wenn es parallel dazu ein anderes, eventuell wirkungsvolleres Medikament geben könnte.

 

Grundsätzlich ist es also wichtig, diese Information, trotz der Kritik, zu haben, welche wissenschaftlich durchaus berechtigt ist.


Nichtsdestoweniger sind wir sehr bemüht und werden demnächst an einer 4-armigen

randomisierten Studie, inklusive diesem Remdesivur, teilnehmen.

 

 

 

RITONAVIR:

 

Dann gibt es Medikamente, die auch in der HIV-Therapie eingesetzt werden, die in China schon für die Behandlung von COVID-19-Infektionen verwendet worden sind. Hier gibt es unter anderem das Ritonavir, jedoch sehen die Daten bis jetzt nicht sehr überzeugend aus, muss man ehrlich sagen.

 

Auch antivirale Medikamente, die gegen Influenzaviren gerichtet sind, werden getestet.

Hier sieht es leider auch nicht so aus, dass sie einen dramatischen Effekt gegen COVID-19 hätten.

 

Trotzdem werden solche Medikamente weltweit, auch in Österreich, getestet, um eine entsprechende zusätzliche Wirkung gegenüber dem haben zu können, was die mechanische Beatmung oder die sonstigen Maßnahmen mit sich bringen.

 

 

CHLOROQUIN und HYDROXYCHLOROQUIN:

 

 

Ebenfalls gegen die Virusinfektion direkt gerichtet, ist das Chloroquin und das Hydroxychloroquin.

Hierbei handelt es sich um Malariamittel. Ziel ist es, dass man diese Medikamente bei viel weniger schwerkranken Patienten einsetzt.

In-Vitro zeigte sich eine Minderung der Replikation, also der Virusvermehrung. Hier wird auch postuliert, dass es einen Effekt haben könnte.

 

Dass es eine Verminderung der Ansteckung bewirken könnte ist relativ wenig bewiesen.

 

Es gibt eine kleine randomisierte Studie aus China, die insgesamt 40-50 Patienten umfasst, die zu einem sehr frühen Zeitpunkt gestartet worden ist.

Also bei Menschen, die Husten und Fieber, jedoch keine schweren respiratorischen Symptome zeigten.

 

 

In dieser sehr kleinen Studie hat man eine

 

 

  • Verminderung der Zeit mit Fieber,
  • eine Verminderung der Zeit mit Husten und auch
  • eine Verminderung der Zahl der schweren Pneumonien

 

 

festgestellt.

 

 

Das sind aber wie gesagt nur kleine Fallzahlen, diese Studie ist nicht sehr belastbar und ist auch deswegen problematischer, weil sie nicht bei den schwerstkranken Patienten eingesetzt worden ist.

 

Hier gibt es eine andere Relation zu möglichem Nutzen und möglichem Schaden.
Bei schwerkranken Patienten kann man unter Umständen nicht mehr viel verlieren und da ist man unter Umständen auch bereit, ein Medikament einzusetzen, über das man weniger weiß.

 


Wenn die Patienten nur wenig Symptome haben, dann treten natürlich auch die möglichen

Nebenwirkungen, wie beispielsweise Herzrhythmusstörungen, die zB dieses Chloroquin auslösen kann, stärker in den Vordergrund.

Hierzu gibt es eine angeheizte Debatte in den Vereinigten Staaten, insbesondere durch den Präsidenten verursacht, der das für ein Wundermittel hält.

 

 

Die Haltung der Scientific Community ist eher sehr zurückhaltend gegenüber Chloroquin

und Hydroxychloroquin.

 

 

ACE-2-REZEPTOR:

 

Dann gibt es ein österreichisches Medikament bzw. eine österreichisch-kanadisches-Medikament - einem löslichen ACE-2-Rezeptor.

 

Hier spricht man von dem löslichen Andock-Molekül für das Virus.

Wenn man das im Überschuss spritzt, dann bindet sich das Virus an diesen löslichen Rezeptor, was zum Resultat hat, dass es sich nicht mehr an das natürliche Andock-Molekül bindet, das zur Aufnahme in den Zellen führt.

Dies wird in einer randomisierten Studie getestet, woran wir uns auch beteiligen.

 

TOCILIZUMAB (Interleukin-6-Rezeptor-Antikörper):

 

 

Es werden ebenso Medikamente getestet, welche eine überschießende Immunreaktion blockieren sollen.


Das Medikament, welches wir hierfür verwenden ist das sogenannte TOCILIZUMAB. Es ist ein sogenannter Interleukin-6-Rezeptor-Antikörper.

Ein Medikament, welches zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis in der Rheumatologie

zugelassen ist und wir in der Onkologie verwenden, um eine überschießende Immunreaktionen bei der Immuntherapie zu blockieren.

 

 

Eine Virusinfektion wie COVID-19 löst durch den Untergang der Zellen des Lungengewebes

eine massivste Entzündung aus und durch das Virus selbst eine massive Immunreaktion.

 

Das Interleukin-6 ist ein zentraler Regulator in dieser Entzündungs- und Immunreaktion.

Der wesentliche Punkt ist, dass diese Reaktion so massiv sein kann, dass sie selbst zur Todesursache wird und dass sie durch die Verdickung des Gewebes und durch eine Fülle anderer Effekte, zu einer so starken Minderung der Sauerstoffsättigung führt, dass es in der Situation sehr wichtig ist,  das Immunsystem zu beruhigen und niederzuregulieren.

 

Genau das tut dieser Interleukin-6-Rezeptor-Antikörper!

 

Wir machen eine Studie im Rahmen eines Programmes, wo jeder einzelne Patient genehmigt werden muss. Hier haben wir bisher 19 Patienten innerhalb von 2 Wochen behandelt. Wir sind gerade dabei, die Daten entsprechend auszuwerten.

Wir haben hier insgesamt kein so schlechtes Gefühl dabei!

 


JAK2 INHIBITOREN:

 

Getestet werden auch andere Medikamente, die aus der Onkologie stammen, sogenannte

JAK2 Inhibitoren. Das sind Moleküle, die diese Entzündungsreaktion ebenso niederregulieren sollen.

 

 

PLITIDEPSIN:

 

Es gibt noch eine Reihe anderer Medikamente, die für uns auch interessant sind, wie zB das Plitidepsin, dass wir bei Myelom-Patienten, also bei Tumorpatienten, verwendet haben und das hier eventuell auch eine Rolle spielen kann.

 

Wir haben über die AGMT (= Arbeitsgemeinschaft für medikamentöse Tumortherapie), welche ich selbst leite, ein österreichisches Register aufgesetzt, damit wir versuchen können, die Daten über COVID-19-Patienten, die behandelt werden müssen, zu generieren.

 

--> https://www.agmt.at/

 


CredoWeb: Wie sind Sie auf die Idee gekommen Tocilizumab auf der Klinik zu testen?

 

 

Univ.-Prof. Dr. Richard Greil:

 


Hierfür gibt es 2 Grundlagen:

 

Erstens ist der Mechanismus einer überschießenden Immunreaktion auch bei Gentherapien unter Auswirkungen in der Behandlung von Lymphknotenkrebs-Erkrankungen bekannt.

Tocilizumab ist auch hier wirksam.

 

Und das zweite ist, dass es eine kleine Studie aus China mit 19 Patienten gibt, also mit genauso vielen, die auch wir mittlerweile damit behandelt haben, welche sehr gute Resultate gezeigt hat.

Hierbei handelt es sich um eine unkontrollierte Studie mit einer sehr kleinen Fallzahl, aber die Hypothese des Mechanismus, der angegriffen wird und diese ersten Resultate aus China, passen zusammen.

 

 

Man darf nicht vergessen, dass die ersten COVID-19-Infektionen im Dezember 2019 aufgetreten sind.

Nun ist es erst 4 Monate her, nachdem überhaupt die erste Infektion gesichtet worden ist. Die Evidenzlage kann man sich in diesem kurzen Zeitraum daher nicht so vorstellen, wie man das typischerweise für lange bestehende Erkrankungen handhabt.

 

 

CredoWeb: Wie lange dauert diese Studie?

 

 

Univ.-Prof. Dr. Richard Greil: Wir machen eine Registerstudie, d.h. wir dokumentieren hierbei die einzelnen Patienten.

 

Das ist keine klassische Studie, sondern es ist einsogenannter Off-Label-Use (= Anwendung

außerhalb der zugelassenen Indikation) mit einer entsprechenden Hinterlegung, wo wir die entsprechenden Dokumentationen des Erfolges durchführen.

 

Wir sind im Moment dabei, uns die Effekte sehr detailiert anzuschauen und werden versuchen, das relativ rasch zu einer Publikation zu bringen. Von der Fallzahl her ist es zwar eine kleine Registerstudie, sie ist jedoch ungefähr so groß wie die chinesische Studie zu diesem Thema.

 

Man muss sie aber auch mit den Einschränkungen im Vergleich zu einer randomisierten Studie mit 3.000 Patienten sehen. Das kann sie natürlich nicht ersetzen.

 

 

CredoWeb: Ist Tocilizumab in Österreich bzw. Europa bereits zugelassen?

 

 

Univ.-Prof. Dr. Richard Greil:

 

Ja, nur mit einer anderen Indikation. Es ist aber definitiv in Österreich und Europa zugelassen und erhältlich.

 

 

CredoWeb: Was genau bewirkt diese Substanz im Körper?

 

 

Univ.-Prof. Dr. Richard Greil:

 

Was im Körper hierbei angegriffen wird ist ein zentraler Regulator der Immunregulation.

 

Das Interleukin-6 spielt eine ganz zentrale Rolle bei allen Infektionen und in der Immunabwehr.

Es ist ein klassischer Parameter, der zB bei einer Sepsis ansteigt, weil es eine so

zentrale Rolle in einem unglaublich komplexen Netzwerk von Immunität und Inflammation (= Entzündung) hat.

 

Es ist ein Molekül, das eine ganze Kaskade von anderen Immunregulatoren andreht und wesentliche Effekte auf die Abwehr- und Entzündungszellen selbst hat.


In einem Orchester ist es einer der wichtigsten Dirigenten, wenn sie so wollen.

 

Weil diese Reaktion so überschießend ist, sodass sie sehr schädlich wird, versucht man diesen zentralen Regulator bzw. diesen Dirigenten aus dem Spiel zu nehmen, um damit sozusagen eine Dämpfung der Lautstärke des Orchesters zu erreichen.

 

 

CredoWeb: Wann und wie soll dieses neue Medikament dann eingesetzt werden?

 

 

Univ.-Prof. Dr. Richard Greil:

 

Davon sind wir leider noch weit entfernt!

 

Das was wir im Moment machen, sind nur Therapieversuche.

 

Tocilizumab ist ein Medikament, welches wir bei schwerstkranken Patienten einsetzen, die sich in einer verzweifelten und sehr schwierigen Situation befinden. Hierbei ist nicht nur ein solcher Einsatz außerhalb der zugelassenen Indikation medizinisch sinnvoll, sondern wird nach der österreichischen Gesetzeslage auch angeboten.

 

Wir schauen uns sehr regelmäßig an, ob mehr Nutzen als Schaden erwartet wird und wir haben glücklicherweise auch genug Daten, um dies zu tun.

 

Bis man etwas zu einer Regelanwendung erklärt, braucht es noch sehr, sehr, sehr viel mehr

Daten.


CredoWeb: Gibt es Nebenwirkungen und/oder Kontraindikationen?

 

 

Univ.-Prof. Dr. Richard Greil: Es gibt für jedes Medikament Nebenwirkungen und Kontraindikationen, das ist klar.

 

Wenn ein Molekül eine so zentrale Rolle in der Entzündungs- und Abwehrreaktion spielt, dann bedeutet das auch, dass unter Umständen eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, einen anderen Infekt zB eine Bakterien- oder Pilzinfektion, zu bekommen.

 

 

Das bedeutet, dass man sowohl die begleitende Medikation berücksichtigen muss, als auch einschätzen muss, wie gefährdet dieser Patient nur durch die Virusinfektion oder durch begleitende und eventuell schon vorhandene bakterielle Infektionen ist.

 

Wenn ein stärkerer Hinweis dafür besteht, dass eine bakterielle Infektion oder eine Pilzinfektion gleichzeitig besteht, dann würden wir das mit noch sehr viel größerer Zurückhaltung einsetzen.

 

Es gibt auch andere Nebenwirkungen, die auftreten können, wie zB Darm-Nebenwirkungen und einer Reihe anderer Nebenwirkungen.


Das ist immer eine Abwägung zwischen dem relativ zu erwartendem Nutzen gegen den relativ zu erwartenden Schaden.

 

 

CredoWeb: Wie teuer sind die Wirkstoffe, an denen geforscht wird?

 

Univ.-Prof. Dr. Richard Greil:

 

Das Chloroquin ist beispielsweise unter normalen Bedingungen ein sehr günstiges Medikament, weil es ein Uralt-Medikament in der Malaria-Therapie ist.

 

Es ist nicht teuer, wenn es nicht gehortet und nicht im großen Stil gekauft wird. Dann steigt

natürlich der Preis, was derzeit leider der Fall ist.

 

Für das Remdesivir gibt es in Wirklichkeit keinen Preis, weil es noch nicht zugelassen ist. Es wird von der Pharmafirma entweder außerhalb oder innerhalb einer Studie zur Verfügung gestellt. Wie dann der Preis sein wird, kann man nicht sagen. Das wird erst nach einer Zulassung relevant werden.

 

Das Tocilizumab ist ein relativ teures Medikament, aber es ist immer die Frage, womit man das vergleicht. Es ist aber ein deutlich teurerer Wirkstoff als das Chloroquin.

 

 

CredoWeb: Ist es Ihrer Meinung nach sinnvoll, die Maßnahmen der Regierung zu lockern, solange noch kein Impfstoff oder zugelassenes Medikament gegen COVID-19 vorhanden ist?

 

 

Univ.-Prof. Dr. Richard Greil: Das ist eine Abschätzungsfrage. Man muss hier mehrere Dinge aus einer politischen Perspektive betrachten.

 

Man muss auch die nicht-betroffenen Menschen und die wirtschaftlichen Aspekte miteinbeziehen. Man muss  also eine Gesamtperspektive haben.

 

Aber klar ist, dass wir in Österreich am Beginn der Pandemie einen sehr starken Suppressionseffekt gesetzt haben d.h. die Infektionsrate und vor allem die Hospitalisierungsrate ist bewältigbar geblieben.

 

Das bedeutet, dass der Piek, also der Tag, an dem die Maximalzahl an COVID-19-Patienten vorliegt, niedrig sein wird. Das bedeutet aber auch, dass man die Erkrankung mindestens 1 Monat länger in Österreich haben wird.

 

Ein weiterer Punkt ist, dass man zu einem gewissen Grad damit rechnen muss, dass die Erkrankung wiederkommt. Gerade weil der Suppressionseffekt so stark ist.

 

Wenn es in der Zwischenzeit nicht schon hoch wirksame Medikamente und eine wirksame Impfung gibt, dann wird die Erkrankung mit großer Wahrscheinlichkeit wieder kommen und kann dann auch mit der gleichen Geschwindigkeit relevant werden, wie es am Beginn der Fall gewesen ist.

 

Dabei ist auch zu beachten, dass wir einen Teil der Dinge noch gar nicht wissen.

 

Wir wissen zB nicht, ob die durchgemachte Infektion mit einer dauerhaften Immunität

verbunden ist.

Hier gibt es zunehmende Zweifel, dass dies bei allen Menschen der Fall sein wird.

Wenn man rechnet, dass die Entwicklung einer wirksamen Impfung zwischen 12 und 18

Monaten dauert, sind wir weit am Ende von 2021.

Damit rechnet aber die Mehrheit!

 

Wenn es schneller geht, dann ist das natürlich mehr als günstig, aber das sind die Zeiträume, mit denen man im Durchschnitt im Moment auch in den Modellen rechnet.

 

Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass mehrere solcher Episoden nachkommen und dass man dann auch erneut einen partiellen oder stärkeren Lock-Down machen muss.

 

Der Versuch zu sagen, dass man jetzt im Vergleich zu China zB sehr viel früher aufmacht, ist, bis zu einem gewissen Grad, verständlich, wird in der gegebenen Situation aber natürlich auch Risiken mit sich bringen.

 

Da wird man sehr genau kontrollieren müssen, damit man, wenn es noch keinen Impfstoff gibt, früh genug reagieren kann.

 

Man muss sich also auf eine deutlich längere Zeit mit COVID-19 einstellen.

 

 

Interview: Christina Neumayer/CredoWeb

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