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Kinderwunsch trotz Corona-Pandemie

Kinderwunsch trotz Corona-Pandemie

Ein exklusives Interview mit Dr. med. Thomas Sander, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, sowie Reproduktionsmedizin, mit eigener Ordination in Bregenz und einem Kinderwunschzentrum in Liechtenstein

 

CredoWeb: Ist es risikofrei bzw. ratsam in den nächsten Monaten eine Schwangerschaft zu planen?

 

Dr. med. Thomas Sander:

Wenn es nicht unbedingt sein muss, würde ich empfehlen, eine Schwangerschaft vorerst bis Ende Mai 2020 aufzuschieben.
Der Grund dafür ist, weil es speziell in den ersten 6 Monaten einer Schwangerschaft noch sehr wenig Erfahrung im Zusammenhang mit COVID-19 gibt.

 

CredoWeb: Werden generell alle Schwangeren, die aus verschiedenen Gründen ins Krankenhaus müssen, auf COVID-19 getestet?

 

Dr. med. Thomas Sander: Nein, es werden nur Schwangere mit verdächtigen Symptomen auf den Virus getestet.

 

 

CredoWeb: Sind zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen für den Aufenthalt im Krankenhaus für werdende Mütter geplant?

 

Dr. med. Thomas Sander: Es gelten alle allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen.

Eine zusätzliche Maßnahme war, dass der Vater bei einem Kaiserschnitt nicht anwesend sein durfte, jedoch wurde diese Regelung mittlerweile schon wieder gelockert.

 

Eine ständige Anwesenheit des Ehegattens bei der werdenden Mutter gilt es so gut es geht zu vermeiden. Besuche sollen nur zu den regulären Besuchszeiten erlaubt sein.

 

 

CredoWeb: Können alle Kontrolluntersuchungen bei Schwangeren planmäßig durchgeführt werden?

 

 

Dr. med. Thomas Sander:

Aus meiner Sicht JA, solange sie nicht infiziert sind und die üblichen Schutzmaßnahmen eingehalten werden.

 

Wenn sie sich in Quarantäne befinden würde ich auf jeden Fall empfehlen zuhause zu bleiben und in dringenden Fällen vorab die behandelnde Gynäkologin/den behandelnden Gynäkologen zu kontaktieren!

 

CredoWeb: Sind bereits Fälle infizierter Schwangere bekannt?

 

Dr. med. Thomas Sander: In Österreich noch nicht - zumindest wurde noch nichts veröffentlicht.

 

Aus China gibt es bereits Einzelfallberichte. Es gibt eine Studie von der Universitätsklinik in Wuhan. Hier wurden 9 Schwangere, die sich im letzten Drittel der Schwangerschaft infiziert haben, aufgrund von Symptomen im Krankenhaus behandelt.

 


Nach der Geburt wurde

 

  • das Fruchtwasser,
  • das Nabelschnurblut und
  • die Schwangere selbst kontrolliert.

 

Bei 6 Frauen wurde zusätzlich auch die Muttermilch getestet.

In keiner dieser Proben wurden Spuren von SARS-CoV-2 gefunden!

Dennoch wird derzeit empfohlen einen Kaiserschnitt zu vermeiden, wenn keine Risiken bestehen und eine natürlich Geburt möglich ist.

 

Es wird ebenfalls von 4 weiteren Einzelfällen berichtet, welche sich alle im 3. Trimenon angesteckt haben. Auch hier gibt es die gleichen Ergebnisse wie bei der Studie in Wuhan.

 

In Deutschland gibt es 1 Fall von der Uniklinik Erlangen, wo eine infizierte werdende Mutter verstorben ist. Hier steht die Frage noch im Raum, ob sie AN oder MIT COVID-19 verstorben ist. Das ist aber der einzige Fall weltweit, der mir bekannt ist.

 

 

CredoWeb: Wie groß ist das Ansteckungsrisiko des ungeborenen Kindes?

 

 

Dr. med. Thomas Sander: Hier gibt es schon mehrere Berichte - hier ist kein Risiko bekannt.

 

 

CredoWeb: Gibt es schon Berichte über Neugeborene, die infiziert wurden?

 

 

Dr. med. Thomas Sander: Nein, diesbezüglich gibt es keine Berichte.


 

CredoWeb: Sind künstliche Befruchtungen derzeit erlaubt?

 

Dr. med. Thomas Sander:

 

Sie sind nicht dezidiert verboten, jedoch laut Empfehlungen sollten momentan nur medizinisch notwendige Behandlungen durchgeführt werden

Ich empfehle auch hierfür noch bis Ende Mai 2020 zu warten.

 

CredoWeb: Ist eine Therapie mit den derzeit bei COVID-19 angewendeten Medikamenten auch für Schwangere möglich, sollten diese einen schweren Verlauf haben?

 

 

Dr. med. Thomas Sander:

 

All diese Medikamente, die hier momentan noch experimentell angewendet werden, sind in der Schwangerschaft kontraindiziert, sprich sie dürfen in der Schwangerschaft nicht angewendet werden.

 

Das ist auch einer der Gründe, warum ich empfehle mit einer Schwangerschaft noch zu warten.

 

Es gibt eben derzeit noch keine medikamentöse Behandlung gegen COVID-19 und die Medikamente an denen geforscht wird sind in der Schwangerschaft nicht bzw. teilweise noch überhaupt nicht freigegeben.


 

CredoWeb: Welche Tipps können Sie Frauen generell geben, die jetzt eine Schwangerschaft planen?

 

 

Dr. med. Thomas Sander:

 

Meine erste Empfehlung lautet, sich als Schwangere unbedingt strikt an alle vorgegebenen Schutzmaßnahmen zu halten.

 

Viele Fehlgeburten sind durch virale Infekte verursacht und auch hier weiß man überhaupt noch nicht, ob bei einer Fehlgeburt das COVID-19-Virus beteiligt sein kann oder nicht. Das ist der Hauptgrund, warum ich sage, ich würde mit einer angestrebten Schwangerschaft noch warten.

 

 

Interview: Christina Neumayer/CredoWeb

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