Artikel

Richtig googeln: Wie kann ich seriöse Gesundheitsinfos von Humbug unterscheiden?

Richtig googeln: Wie kann ich seriöse Gesundheitsinfos von Humbug unterscheiden?

Dr. med. Jana Meixner beantwortet uns alle Fragen rund um dieses Thema und hat für uns sogar einen tollen Leitfaden für das richtige Googeln. Sie ist Medizinerin und an der Donau-Universität Krems als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Redakteurin tätig.

 

CredoWeb: Warum fällt es Menschen so schwer, zuverlässige Informationen im Internet von unzuverlässigen zu unterscheiden?

 

Dr. med. Jana Meixner: Diese Fragestellung würde ich gerne mit einer 2. Frage ergänzen, nämlich: "Warum mögen Menschen eigentlich unseriöse Gesundheitsinformationen so gerne?"

Man hat oft das Gefühl, dass es Menschen gerade zu solchen Falschinformationen hinzieht.

 

 

3 wichtige Punkte zu diesem Thema:

 

  1. Unseriöse Gesundheitsinformation hat sehr viel mit Emotion, Übertreibung und Vereinfachung zu tun.

    Auf so etwas reagiert das menschliche Gehirn generell sehr stark.
    Das Gehirn mag es klar, gefühlsbetont und verständlich. Wenn man nach Gesundheitsthemen im Internet sucht, ist immer viel Emotion mit im Spiel. Entweder ist man selbst oder jemand der einem wichtig ist betroffen.
    Man ist in solchen Situationen oft sehr verunsichert und besorgt und somit ist man sehr anfällig für Übertreibungen, Wundermittel etc.


    Was unseriöse Gesundheitsinformation ausmacht ist, dass oft absolute Aussagen gemacht werden.
    Sie vermitteln somit den Eindruck von Gewissheit und Sicherheit, wie zB folgende Aussage:

    "Zucker übersäuert den Körper und verursacht Schlacken.Mit Basenpulver kann man diese Säure neutralisieren und das Gleichgewicht wieder herstellen."

    Das ist simpel, jeder kann sich das ganz leicht selbst vorstellen und dies wird auch so vermittelt: Als ganz einfache, klare Sache.

    Aber in der Realität und in der Wissenschaft ist es leider so, dass es meist kein Schwarz oder Weiß gibt und man auch noch sehr viele Dinge einfach nicht weiß. Deswegen sind absolute Aussagen in der Wissenschaft meistens tabu.


    Hier ein Beispiel: „Das Medikament X hat keine Nebenwirkungen und wirkt garantiert.“ 
    Wenn man so etwas irgendwo liest, müssen die Alarmglocken schon läuten, denn so etwas gibt es einfach nicht.Auf diese Unsicherheit und Ambivalenz in der Wissenschaft muss seriöse Gesundheitsinformation unbedingt hinweisen.Das ist ein äußerst wichtiges Kriterium für gute Information!

  2. Hinter unseriösen Gesundheitsinformationen stecken sehr oft wirtschaftliche Interessen.

    Oft will uns jemand etwas verkaufen bzw. Patienten anlocken.



    Wenn man zB "Krebs" oder "Krebsheilung" googelt findet man teilweise erschreckende Dinge.

    Hier wird wissentlich versucht, mit der Verzweiflung kranker Menschen Profit zu machen und das ist wirklich gefährlich.

  3. Die Verantwortung der Suchmaschinen mit bezahlten Anzeigen ist auch ein wichtiger Punkt.

    Wenn man zB „Arthrose“ googelt, handelt es sich bei den ersten zwei Suchergebnissen um bezahlte Anzeigen. Diese sind aber, bis auf einen kleinen Vermerk, nicht klar erkenntlich.

    Die Überschrift der Anzeige lautet zB "Arthrose - alles was Sie wissen müssen!" oder "Alle Infos zu Arthrose hier".

    Es wirkt also so, als würden diesen Seiten nur informieren wollen, aber eigentlich steckt jemand dahinter, der Profit machen will.



    Hier liegt die Verantwortung meiner Meinung nach bei den Suchmaschinen.
    Werbung sollte klar als solche gekennzeichnet werden.

    Hier sind meistens Werbeprofis am Werk. Sie wissen genau was sie tun und wie sie Menschen beeinflussen und überzeugen können.
    Die Wissenschaft wirkt daneben oft etwas langweilig ohne eindeutige Aussagen. Das wirkt dann weniger attraktiv als eine Seite, auf der DAS Wundermittel angeboten wird.

CredoWeb: Könnte das Problem unter anderem auch daran liegen, dass Laien die Fachsprache und die spezifischen Argumente der Mediziner nicht bzw. nur teilweise verstehen?

 


Dr. med. Jana Meixner: Ja, das kann durchaus sein.

 

Ärzte haben hier sicher einen "angeborenen Nachteil", trotz Ihres großen Wissens.

 

Oft wissen sie schlichtweg nicht, wie man Wissen gut verpackt, damit es richtig beim Empfänger ankommt.

 

Die Bertelsmann Stiftung hat zB in einer Studie untersucht, warum Menschen im Internet nach Gesundheitsinformation suchen. Demnach googeln 40% der Menschen nach dem Arztbesuch weil sie ihren Arzt nicht verstanden haben oder nachlesen wollten, was Befunde und Fachausdrücke genau bedeuten.

 

Manche Mediziner tun sich einfach schwer, ihr Wissen so auszudrücken, dass es auch Laien verstehen.

Hierzu muss ich allerdings sagen, dass man im Medizinstudium leider nur sehr wenig darüber lernt. Diese Thematik kommt auf jeden Fall zu kurz.
Ich persönlich hätte mir im Studium mehr zum Thema Kommunikation gewünscht.


 

CredoWeb: Haben Sie Tipps für Mediziner, wie Sie Ihr Wissen allgemein verständlicher formulieren können?


Dr. med. Jana Meixner:

Wenn man als Mediziner eine eigene Homepage hat und auf seiner Seite Patienten über bestimmte Themen informieren möchte, würde ich dazu raten, hierfür Medizinjournalisten oder professionelle Texter zu engagieren.

 

Die Fachsprache ist für Ärzte für eine präzise und schnelle Kommunikation unter Kollegen unheimlich wichtig, aber sie ist leider komplett ungeeignet für das Gespräch mit Patienten.

 

Wenn Ärzte Ihren Patienten eine Liste mit vertrauenswürdigen Internetseiten zum Thema Gesundheit in die Hand drücken oder im Warteraum auflegen würden, wäre das eine ganz einfache, aber sehr effektive Sache!

 

CredoWeb: Wie sollen Patienten mit widersprüchlichen Informationen im Netz umgehen?

 

 

Dr. med. Jana Meixner: Wenn Patienten nach Gesundheitsthemen auf wissenschaftlich fundierten, kritischen, seriösen Seiten suchen, sollte es eigentlich nicht passieren, dass sie auf widersprüchliche Informationen stoßen.

Was ich gerade bei der älteren Generation sehr stark bemerke ist, dass Infos aus dem Internet oft sehr unreflektiert konsumiert werden.
Es wird irgendwohin geklickt und gelesen, ohne dass man überhaupt weiß: Wo bin ich hier eigentlich gelandet, wer schreibt hier und will mir hier eventuell jemand etwas verkaufen?

Wenn man dann nachfragt, woher Infos kommen lautet die Antwort oft: „Na aus dem Internet!“

Ich denke, das Finden von Infos im Netz bereitet generell den älteren Menschen ziemliche Schwierigkeiten. Hier ist ein Bewusstsein notwendig, dass das Internet auch viele unseriöse Informationen bietet und man sehr vorsichtig sein muss, wo man hinklickt und was man liest.

 

CredoWeb: Wie könnte man dem entgegenwirken?

 

Dr. med. Jana Meixner: Viele Menschen haben das Gefühl, dass Ärzte es nicht gerne sehen, wenn man vorab im Internet zu Krankheitsbildern oder Therapien recherchiert. Das haben auch Umfragen gezeigt. Es kann vorkommen, dass Ärzte in solchen Fällen tatsächlich mit Augenverdrehen, Seufzen etc reagieren.

 

Hier wäre es ganz toll, wenn die Mediziner Ihre Patienten ein bisschen motivieren könnten auf vertrauenswürdige Seiten zu gehen, um sich zu informieren.

Wichtig ist, dass man hier nicht gleich abblockt, sondern dies unterstützt und auf entsprechende Gesundheitsseiten im Netz hinweist.

 

 

Es ist wichtig über Ärzte selbst und über Medien ein Bewusstsein dafür zu schaffen!


 

CredoWeb: Gibt es einen Leitfaden, wie man vertrauenswürdige Infos von Humbug unterscheiden kann?

 

 

Dr. med. Jana Meixner:

 

Ja, den gibt es tatsächlich!

 

 

Wir bei Medizin Transparent haben hierfür einen Leitfaden zusammengestellt.


Es ist eine Checkliste, die aus 10 Punkten besteht.

 

 

Anhand dieser Punkte können Laien ganz einfach unterscheiden, ob sie eine seriöse Information vor sich haben oder nicht!

 

Den Leitfaden finden Sie hier als PDF-Datei anbei oder direkt über diesen Link: https://www.medizin-transparent.at/ueber/gesundheitsmythen-fake-news-erkennen

 

 

Interview: Christina Neumayer/CredoWeb

 

ANHÄNGE

Checkliste-Gesundheitsinformationen.pdf

Kommentare