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Welche Rolle spielt die Schilddrüse in der Frauenheilkunde?

Welche Rolle spielt die Schilddrüse in der Frauenheilkunde?


Ein Experteninterview mit Dr. med. Cornelia Schwarz aus Dornbirn mit eigener Praxis, in sie seit 1992 ordiniert. Seit 1988 ist sie als Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe tätig und absolvierte neben gynäkologisch-endokrinologischer Fortbildungen eine Zusatzausbildung am Zentrum für europäische Medizin in Bamberg zur Schilddrüsenpraktikerin.
Dr. Schwarz nimmt außerdem schon seit vielen Jahren an fachübergreifende endokrinologische Fortbildungen in Wien bei Prof. Huber und in Frankfurt bei Prof. Römmler teil.

 

CredoWeb: Welche Bedeutung hat die Schilddrüsenfunktion in der Gynäkologie?

 

Dr. med. Cornelia Schwarz: Alle hormonelle Drüsen des menschlichen Körpers stehen miteinander in Verbindung und haben wechselseitige Wirkungen. Es besteht ein hormonelles Netzwerk, dass sich gegenseitig beeinflusst.


 

Zum hormonellen Netzwerk des menschlichen Körpers gehört von oben nach unten:

 

  • die Epiphyse (= Zirbeldrüse),
  • der Hypothalamus (= lebenswichtiger Teil des Zwischenhirns; zentrale Regulationsstelle zwischen dem endokrinen System und dem Nervensystem)
  • die Hypophyse (= Hirnanhangsdrüse)
  • die SCHILDDRÜSE,
  • der Thymus (= Thymusdrüse, Bries; wichtiger Teil des Immunsystems)
  • die Nebenniere,
  • die Bauchspeicheldrüse,
  • die Eierstöcke und die Hoden.

 

Wenn ich in einer dieser Drüsen eine Funktionsstörung habe, kann das mehr oder weniger Auswirkung auf die anderen Hormondrüsen haben.

Die Schilddrüse hat die Aufgabe Jod, welches wir mit der Nahrung aufnehmen, zu binden, indem Jod in verschiedene Schilddrüsenhormone eingebaut wird, um dann in praktisch jede Zelle des Körpers transportiert zu werden. Jod ist eines der Kraftstoffe für unsere Körperzellen und beeinflusst damit eine Vielzahl von Stoffwechsel- und Hormonprozesse.


 

CredoWeb: Welche Beschwerden macht eine gestörte SD-Funktion?

 

Dr. med. Cornelia Schwarz:



Die Schilddrüse reagiert bei jeder Hormonumstellung im Leben einer Frau:

 

  • vor der Pubertät,
  • zu Beginn und nach einer Schwangerschaft,
  • nach Fehlgeburten 
  • vor und nach den Wechseljahren.

 

Beschwerden und Krankheitsbilder durch Schilddrüsenfehlfunktion können sich zeigen bei:

 

  • Zyklusstörungen aller Art,
  • erfolgloser Kinderwunsch,
  • Haarausfall,
  • Prämenstruellem Syndrom, (Beschwerden verschiedenster Art, die ungefähr 1-2 Wochen vor der Periodenblutung auftreten),
  • häufige Fehlgeburten

 

Symptome, die eher auf eine SCHILDDRÜSENUNTERFUNKTION hinweisen:

 

  • Trockene Haut,
  • Müdigkeit,
  • Leistungsabfall,
  • Kälteempfindlichkeit,
  • Übergewicht,
  • Verstopfung,
  • heisere, raue Stimme,
  • Wasseransammlungen in den Beinen und Armen,
  • Haarausfall,
  • Depressionen u.a.


 

Symptome, die eher auf eine SCHILDDRÜSENÜBERFUNKTION hinweisen:

 

  • Nervosität,
  • Schwitzen,
  • Hitzeüberempfindlichkeit,
  • Herzklopfen/Herzrasen
  • Gewichtsverlust
  • Appetitzunahme,
  • Atembeschwerden,
  • Augenbeschwerden,
  • vermehrter Stuhlabgang,
  • auffällig leichter Schlaf u.a.


 

CredoWeb: Wie lässt sich die Funktion der Schilddrüse überprüfen?


Dr. med. Cornelia Schwarz:

 

  1. Ausführliche Erhebung der Krankengeschichte
  2. Sonographie der Schilddrüse

  3. Laborwerte

    - TSH (= zentraler Schilddrüsenwert; wird in der Hirnanhangdrüse gebildet; von Jodversorgung abhängig)
    - fT3 & fT4 (= periphere Schilddrüsenwerte; werden in der Schilddrüse gebildet) und ggfs noch weitere 

 

CredoWeb: Was versteht man unter einer „Hashimoto Thyreoiditis“ und hat diese Erkrankung besondere Auswirkungen speziell bei Frauen?

 

Dr. med. Cornelia Schwarz:

 

Morbus Hashimoto ist eine immunologisch bedinget Schilddrüsenentzündung, die bei Frauen häufiger als bei Männern auftritt.

Das Immunsystem der Hashimoto-Patientinnen bildet Antikörper gegen ein Enzym, welches bei der Bildung des stärksten Schilddrüsenhormons T4 benötigt wird. Diese Dauerentzündung kann zu einer zunehmenden Zerstörung von Schilddrüsenzellen führen.

 

 

CredoWeb: Hat eine funktionierende bzw. nicht-funktionierende Schilddrüse Auswirkungen auf die Psyche?


Dr. med. Cornelia Schwarz: Jod wird in jeder Körperzelle benötigt, auch im Gehirn. Schilddrüsenpatienten können deshalb auch über psychische Beschwerden klagen.

 

CredoWeb: Was hat der Schilddrüsenstoffwechsel mit Kinderwunsch zu tun?


Dr. med. Cornelia Schwarz: Bei Kinderwunsch gehört die Abklärung der Schilddrüsenfunktion zur Basisdiagnostik.

Schilddrüsenfunktionsstörungen haben direkte und oder indirekte Auswirkungen auf die Funktion der Eierstöcke und können das Schwanger werden erschweren und oder auch für das Auftreten von  Fehlgeburten verantwortlich sein.


CredoWeb: Wie wird eine gestörte SD-Funktion therapiert?

 

Dr. med. Cornelia Schwarz: Schilddrüsenfunktionsstörungen oder Schilddrüsenerkrankungen werden je nach Beschwerde- oder Krankheitsgrad unterschiedlich behandelt.


Ich versuche bei meinen gynäkologischen Schilddrüsenpatientinnen das ganze hormonelle Netzwerk in die Beratung und Therapie einzubeziehen.

 

Interview: Christina Neumayer/CredoWeb

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