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COVID-19 und die Psyche: Innsbrucker ExpertInnen ziehen erste Zwischenbilanz

COVID-19 und die Psyche: Innsbrucker ExpertInnen ziehen erste Zwischenbilanz


Welche Folgen hat die Covid-19-Pandemie auf die psychische Gesundheit insbesondere in Tirol? An der Medizinischen Universität Innsbruck beschäftigen sich mehrere Forschungsprojekte mit den psychischen Auswirkungen sowie den Strategien, die dabei helfen, mit den Folgen besser umzugehen. Noch lässt sich die psychische Belastung nicht in Zahlen fassen, vieles wird sich erst in den nächsten Monaten oder Jahren zeigen. Die ersten Erfahrungen mit der aktuellen Covid-19-Pandemie geben Anlass zur Beachtung, nicht aber zu Panik, sagen ExpertInnen.

 

Innsbruck, 10.11.2020: Damit eine dauerhafte psychische Erkrankung entsteht bzw. sich chronifiziert, kommen in der Regel mehrere Faktoren zusammen. „Während die einen sich entspannt dem Home-Office widmen können, stoßen andere an ihre Grenzen, um zwischen Kinderbetreuung, Schulunterricht, Arbeitslosigkeit und Haushalt irgendwie zurecht zu kommen“, erklärt Barbara Sperner-Unterweger, Direktorin der Univ.-Klinik für Psychiatrie II in Innsbruck. „Durch die Covid-19-Pandemie bemerken wir bereits eine Zunahme von Anfragen, können derzeit aber die allgemeine Belastung noch nicht in Zahlen fassen.“

 



Von links nach rechts: Alexander Hofer, Barbara Sperner Unterweger, Katharina Hüfner 

© MUI/Bullock

 

Im Vordergrund stehe derzeit die Prävention und rasche, niederschwellige Hilfe. Wichtig sei es, auf vorbeugende Faktoren zu achten, dazu zählen Bewegung, die Schaffung von Tagesstrukturen oder auch Entspannungsübungen. „Wir haben Videos online gestellt, die von allen genützt werden können.“ Auf der Webseite https://www.psychosomatik-innsbruck.at/ werden aus psychiatrisch-psychosomatischer Sicht Anregungen für einen besseren Umgang mit der Krise gegeben. Mittlerweile ist bereits die zweite Version online, in dem die Erfahrungen und das Feedback der ersten NutzerInnen bereits eingebaut wurden. Seit der Onlineschaltung im März 2020 wurden die Videos über 25.000-mal angesehen und knapp 2.000 Fragebögen zur psychischen Gesundheit wurden anonym ausgefüllt.

 

Forschungsprojekte: Kein Anlass zu Panik

„Erst in den nächsten Monaten und Jahren werden wir solide Erkenntnisse über die psychischen Folgen haben“, ergänzt Alex Hofer, Direktor der Univ.-Klinik für Psychiatrie I. Der Psychiater warnt aber vor voreiligen Schlüssen, die ersten Beobachtungen in der Klinik würden keinen Anlass zu Panik geben. „Spekulation und Vermutung verunsichern die Menschen nur weiter, auch in der Psychiatrie brauchen wir verlässliche Daten und Fakten.“ In aktuellen Forschungsprojekten wollen die ExpertInnen daher genau hinschauen. Gemeinsam mit seinem Team leitet Hofer ein Projekt, das folgender Frage nachgeht: „Wie bewältigen Menschen mit psychischen Erkrankungen Quarantäne und soziale Isolation während der Covid-19-Pandemie?“ Im Zentrum stehen die Auswirkungen in Nord-, Ost-  und Südtirol, befragt werden Menschen, die 2019 in einem dieser drei Länder in stationärer psychiatrischer Behandlung standen und die Allgemeinbevölkerung. Follow-Up Untersuchungen nach sechs und 18 Monaten sollen dazu beitragen, längerfristige Effekte erfassen zu können. Das Projekt wird auch mit Geldern des Landes Tirol realisiert, vor 2021 sei aber nicht mit klaren Ergebnissen zu rechnen.

 

In einem weiteren Forschungsvorhaben der Univ.-Klinik für Psychiatrie I werden in Kooperation mit der Ärztekammer sämtliche niedergelassene FachärztInnen und AllgemeinmedizinerInnen Österreichs zu ihrer psychischen Belastung und einer eventuellen Burnoutsymptomatik befragt. In einem Jahr soll dann eine Nachuntersuchung stattfinden, um den Langzeitverlauf beurteilen zu können. Aktuell läuft die Rekrutierung. 

 

Gesundheit nach Covid-19 in Tirol: Auch psychische Aspekte

Speziell auf die psychischen Folgen in der Bevölkerung fokussiert ist das Projekt „Gesundheit nach Covid-19 in Tirol“. „Die digitale Umfrage für alle Personen ab 16 Jahren, die wohnhaft in Tirol sind und in den vergangenen Monaten positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden, ist vor rund sechs Wochen gestartet“, sagt Katharina Hüfner, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin sowie Fachärztin für Neurologie an der Univ.-Klinik für Psychiatrie II. Hier werden neben internistischen und neurologischen besonders auch die psychischen Beeinträchtigungen nach einer Infektion abgefragt. „Je mehr Menschen mitmachen, desto genauer werden wir wissen, welche Folgen eine Corona-Infektion auf die psychische Gesundheit und Lebensqualität der Menschen in Tirol hat“, bittet Hüfner die Tiroler Bevölkerung um weitere rege Teilnahme, mehrere hundert Freiwillige haben den Online-Fragebogen bereits ausgefüllt. 

 

Hier geht’s zur Umfrage: http://covid19-tirol.at

 

Nicht nur die Pandemie auch die Covid-19-Erkrankung selbst kann psychische Folgen haben. „Bereits bekannt ist, dass Patientinnen und Patienten nach einem längeren Aufenthalt auf der Intensivstation Angststörungen oder andere psychische Erkrankungen entwickeln“, sagt Hüfner, die in einer weiteren Untersuchung auch der Fragen nachgeht, inwieweit die Infektion mit SARS-CoV-2 auch ein Stigma für die Betroffenen bedeutet.

 

Medienkontakt für Rückfragen:

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