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Blasenkarzinom: der unterschätzte Krebs

Blasenkarzinom: der unterschätzte Krebs
  • Harnblasenkarzinom ist zweithäufigste urologische Tumor
  • Internationales EU und FFG gefördertes Projekt zur personalisierten Behandlung
  • Neuer Schwerpunkt an der Abteilung für Experimentelle Urologie

 

Das Harnblasenkarzinom gehört zum zweithäufigsten urologischen Tumor. Männer sind drei- bis viermal häufiger als Frauen betroffen. Ein neues EU-Projekt an der Abteilung für Experimentelle Urologie an der Innsbrucker Universitätsklinik für Urologie (Direktor: Wolfgang Horninger) der Medizinischen Universität Innsbruck soll zu Verbesserungen der individuellen Behandlung vor allem im metastasierten Status führen.

 

Im Bild: Zoran Culig und Renate Pichler im Labor an der Abteilung für Experimentelle Urologie. Foto: MUI/Bullock


Innsbruck, am 18.11.2020: In Österreich erkranken jährlich etwa 1.600 Menschen neu an Harnblasenkrebs, wobei ca. drei Viertel aller Neuerkrankungen auf Männer entfällt. Damit ist der Harnblasenkrebs der vierthäufigste Tumor des Mannes und der zwölfthäufigste der Frau. Bei der Behandlung im metastasierten Status wird meist auf Chemotherapie oder Immuntherapie gesetzt. Ein Innsbrucker Forschungsteam unter der Leitung von Zoran Culig und Renate Pichler von der Abteilung für Experimentelle Urologie untersucht gemeinsam mit Teams von der Universität Luxembourg und dem deutschen Unternehmen Mosaiques Möglichkeiten, die Behandlung dieser Krebsart zu personalisieren.


Risikofaktoren

Als Hauptrisikofaktor für die Entstehung von Harnblasenkrebs ist an erster Stelle das Rauchen zu nennen und somit für etwa die Hälfte aller Karzinomfälle verantwortlich: Es gilt der Harnblasenkrebs nach Lungenkrebs als die zweithäufigste Krebserkrankung bei RaucherInnen. Neben einer berufsbedingten Exposition mit bestimmten Chemikalien in der Öl-, Leder- und Farbindustrie kann das Blasenkarzinom auch als Sekundärtumor als Spätfolge nach Bestrahlungen mit einer Latenzzeit von 10-30 Jahren entstehen. In ca. 75 Prozent aller Erstdiagnosen handelt es sich um nicht invasive Tumoren, die organerhaltend therapiert werden können. Allerdings metastasieren 50 Prozent aller lokal begrenzten invasiven Tumoren im Laufe der Zeit trotz radikaler Operation. Im metastasierten Zustand ist die Prognose sehr schlecht mit einem medianen Überleben von drei bis sechs Monaten ohne weitere Therapie. Eine platinhaltige Chemotherapie bzw. eine Immuntherapie sind der derzeitige Therapiegoldstandard in diesem Status. Hier setzt nun das von der Europäischen Union und der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderte, internationale Forschungsprojekt ReDIRECt (=moleculaR-based, Data-driven drug REpurposing for bladder Cancer) an.

 

Personalisierte Behandlung

„Wir untersuchen, welche Krebs-Gene im Gewebe von Patientinnen und Patienten überexprimiert sind. Diese Onkogene sind mögliche Ziele für die Therapien mit Medikamenten, die derzeit entwickelt bzw. spezifisch eingesetzt werden können“, erklärt die Innsbrucker Urologin Renate Pichler das Vorhaben. In Frage kommende Medikamente werden in Zellkulturen getestet und in weiterer Folge sollen auch in vivo Studien durchgeführt werden.


Neuer Schwerpunkt

„Dieses Projekt wird zur Stärkung des Schwerpunktes Urothelonkologie - mit 90 Prozent die häufigste Harnblasenkrebserkrankung - an der Universitätsklinik für Urologie beitragen“, erklärt Zoran Culig. Es gibt besondere klinische Signifikanz des Projektes, das über drei Jahre sowohl von der EU als auch der FFG gefördert wird: Für die Behandlung des metastasierten bzw. lokal fortgeschrittenen invasiven Blasenkarzinoms stehen etwa eine Chemotherapie oder eine Immunotherapie zur Verfügung. Die WissenschafterInnen aus Österreich, Luxemburg und Deutschland wollen nun herausfinden, ob auch eine individuelle, personalisierte Behandlung des Urothelkarzinoms möglich ist. „Dadurch erwarten wir uns die Verbesserung der Lebensqualität und besseres Überleben“, so die beiden Innsbrucker ForscherInnen.


Infos zum Harnblasenkarzinom:

Die Wahrscheinlichkeit, an Blasenkrebs zu erkranken, steigt mit zunehmendem Alter. So liegt die höchste altersspezifische Inzidenz in Österreich zwischen 65-74 Jahre (Männer) und 75-84 Jahre bei Frauen. In den meisten Fällen (75%) wird er bereits in einem frühen (nicht muskelinvasiven) Stadium diagnostiziert und ist zu diesem Zeitpunkt noch gut endoskopisch und somit organerhaltend behandelbar. Im invasiven Status ist der derzeitige Goldstandard die radikale Operation im Sinne einer kompletten Blasenentfernung mit Harnableitung. Aus histologischer Sicht handelt es sich beim Blasenkrebs in ca. 90 Prozent um ein sog. Urothelkarzinom. Histologische Subtypen sind mit weniger als 10 Prozent sehr selten. Dazu gehören Plattenepithelkarzinome – diese bilden sich aufgrund von chronischen Infektionen und Irritationen bzw. durch eine Schistosomiasis Erkrankung. Adenokarzinome – entstehen in den Schleimdrüsen der Harnblase – und das Urachuskarzinom stellen eine Sonderform dar.


Infos zum Projekt ReDIRECt:

ReDIRECt wird wie alle Eurostars Projekte (Fördergeber EU bzw. FFG) über drei Jahre finanziert. Das Projekt läuft bis Sommer 2023. Es handelt sich um eine wissenschaftliche Kooperation zwischen der Medizinischen Universität Innsbruck, der Université du Luxembourg und dem deutschen Unternehmen Mosaiques aus Hannover. Das Projekt wird in Innsbruck von Zoran Culig und Renate Pichler geleitet.

 

Medienkontakt:

David Bullock
Medizinische Universität Innsbruck
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Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 2.000 MitarbeiterInnen und ca. 3.300 Studierenden ist gemeinsam mit der Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol, Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität Innsbruck werden folgende Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung und das PhD-Studium (Doktorat) als postgraduale Vertiefung des wissenschaftlichen Arbeitens. An das Studium der Human- oder Zahnmedizin kann außerdem der berufsbegleitende Clinical PhD angeschlossen werden.


Seit Herbst 2011 bietet die Medizinische Universität Innsbruck exklusiv in Österreich das Bachelorstudium „Molekulare Medizin“ an. Ab dem Wintersemester 2014/15 kann als weiterführende Ausbildung das Masterstudium „Molekulare Medizin“ absolviert werden.
Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen Onkologie, Neurowissenschaften, Genetik, Epigenetik und Genomik sowie Infektiologie, Immunologie & Organ- und Gewebeersatz. Die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck ist im hochkompetitiven Bereich der Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.

https://www.i-med.ac.at/pr/presse/2020/61.html

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