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Maske tragen: Sinnvoll oder etwa schädlich?

Maske tragen: Sinnvoll oder etwa schädlich?


Professor Dr. Ojan Assadian
ist Ärztlicher Direktor am Landesklinikum Wiener Neustadt. Er trägt die Verantwortung für 14 Abteilungen und fünf Institute, die im Schwerpunktklinikum die Versorgung der gesamten Region gewährleisten.

Dr. Assadian ist Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie mit Additivfach Infektiologie und Tropenmedizin und bringt seine Fachkenntnis regelmäßig im Corona-Krisenstab der Niederösterreichischen Landesgesundheitsagentur ein und steht den Pflege- und Betreuungszentren im Umgang mit COVID-19 mit Rat und Tat zur Seite.

 

 

 

CredoWeb: Wann und wo hat man derzeit in Österreich die Verpflichtung eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 oder höher zu tragen?

 

 

 

Prof. Dr. Ojan Assadian: Die grundsätzliche gesetzliche Verpflichtung zum Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung leitet sich aus dem „Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz)“ ab. Dieses Bundesgesetz trat mit 27.02.2021 in Kraft und ist bis zum 30.06.2021 gültig. Es ist die Grundlage für Verordnungen des Bundes, die dann im Weiteren, Details zum Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung regeln.

 

Aktuell gilt die 6. Novelle der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung (Gültigkeit: 01.04.2021 bis 25.04.2021). Darin ist aktuell geregelt, dass beim Betreten öffentlicher Orte in geschlossenen Räumen eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard zu tragen ist.

 


 

Explizit wird festgehalten, dass in folgenden Bereichen auf jeden Fall eine FFP2-Atemschutzmaske zu tragen ist:

 

 

  • in Massenbeförderungsmittel,
  • im Auto bei Nutzung als Fahrgemeinschaft,
  • im Kundenbereich von Geschäften,
  • am Ort der beruflichen Tätigkeit,
  • im Gastgewerbe,
  • in Beherbergungsbetrieben,
  • in Alten- und Pflegeheimen und
  • in Einrichtungen des Gesundheitswesens.

 

Schulen sind gesondert gesetzlich geregelt.

 

 

Die 6. Novelle der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung regelt nun auch Sonderbestimmungen für die Bundesländer Wien, Niederösterreich und Burgenland. Diese Bundesländer können zusätzlich Regelungen per Verordnung erlassen. So darf z.B. der Karlsplatz, der Stephansplatz, der Maria-Theresien-Platz, der Schwedenplatz und der Donaukanal in Wien nur mit einer gutsitzenden FFP2-Atemschutzmaske betreten werden.

 

 

CredoWeb: Wie hoch ist die Schutzwirkung vor COVID-19 durch das Tragen von FFP2-Masken?

 

 

 

Prof. Dr. Ojan Assadian:

 

Diese Frage lässt sich nur schwer präzise quantifizieren, da hierzu gut kontrollierte, methodisch sauber durchgeführte klinische Studien nicht vorliegen.

 

 

Wir wissen allerdings aus früheren Fall-Kontrollstudien nach der Zeit des ersten SARS-Ausbruches im Jahre 2003, dass ein Risiko, nach Kontakt mit erkrankten Personen an SARS zu erkranken, mit steigender Filtrationsleistung verwendeter Masken gesunken ist.

 

So zeigten Seto und Mitarbeiter [1], dass Personen, die eine nicht qualifizierte Papiermaske trugen, ein deutlich höheres Risiko hatten, selbst an SARS zu erkranken, und Personen, die eine chirurgische Maske oder eine FFP2 Atemschutzmaske (KN95) trugen, ein signifikant herabgesetztes Risiko einer Infektion aufwiesen. Über alle Maskenarten hinweg war das Risiko zu erkranken um das 13-fache reduziert, wobei je nach Filtrationswirkung die Risikoreduktion um das 3- bis 60-fache reduziert wurde.

 

Wieviel Filtrationsleistung genau je nach Expositionssituation erforderlich ist, ist nicht präzise geklärt.  Jedenfalls lässt sich auch aus anderen Studien grundsätzlich ableiten, dass mit steigender Filtrationsleistung eine Reduktion des Infektionsrisikos eintreten wird.

 


 

CredoWeb: Wie gut schützt uns im Vergleich ein chirurgischer MNS, eine Stoffmaske oder eine FFP3-Maske?

 

 

 

Prof. Dr. Ojan Assadian: Wie bereits ausgeführt, ist die präzise Schutzeffektivität derzeit nicht genau geklärt. Indirekt kann man sich aber über die Partikelfiltrationsleistung einzelner Normmasken dieser Frage nähern.

 

Atemschutzmasken der Klassen FFP1, FFP2 und FFP3 halten 80%, 94% oder 99% an Feinstpartikel der Größe 0,6 µm zurück. Chirurgische Masken können 98% größerer Partikel, im Schnitt Partikel der Größe 4-5 µm zurückhalten.

 

Allgemein wissen wir heute, dass eine Atemschutzmaske der Klasse FFP2 einen sehr hohen Grad an Schutz vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 bietet.

 

Eine Atemschutzmaske der Klasse FFP3 ist lediglich in speziellen Situationen wie Intubieren oder Absaugen beatmeter COVID-19 Patienten erforderlich.


 

CredoWeb: Wie wichtig ist also das Tragen von Atemschutzmasken, um sich und andere vor COVID-19, oder auch anderen durch Tröpfcheninfektion übertragbare Krankheiten, zu schützen?

 

 

 

Prof. Dr. Ojan Assadian:

 

Wenn man in keinen Kontakt mit Menschen kommt, ist das Tragen von Masken überhaupt nicht wichtig. Daher ist der Hinweis, während der Pandemie mit niemanden in Kontakt zu kommen, überhaupt der wichtigste Hinweis.

 

Da der Mensch aber ein soziales Wesen ist und eine völlige Selbstisolierung aus vielerlei Gründen nicht möglich ist, kann das Tragen von Masken auf jeden Fall einen gewissen Selbstschutz bieten. Sofern eine Atemschutzmaske der Klasse FFP2 ohne Ausatemventil getragen wird, stellt diese mechanische Barriere vor Mund und Nase auch zusätzlich einen Fremdschutz dar.

 

Am Höhepunkt der ersten SARS-CoV-2 Welle im Jahre 2020 wurde ein sehr interessantes Experiment in Dänemark durchgeführt [2]. Dabei wurde 2,392 Personen, die zu Beginn der Studie sicher SARS-CoV-2 negativ waren, gesagt, sie sollen strikt bei Verlassen des Hauses über 3 Stunden immer einen chirurgischen Mund-Nasenschutz tragen. 2,470 Kontrollpersonen trugen keine Maske. Das Tragen der Masken reduzierte das Risiko SARS-CoV-2 positiv zu werden oder an COVID-19 zu erkranken um 52%. Da die Studie jedoch zum Ende der 1. Welle durchgeführt wurde und die Wahrscheinlichkeit, in Dänemark auf SARS-CoV-2 positive Personen zu stoßen bereits abnahm, war der Unterschied zwischen Masken tragen und nichttragen leider nicht mehr statistisch signifikant.  Diese Daten wurden dann später bedauerlicherweise auch verkürzt medial missinterpretiert, indem behauptet wurde, dass Maskentragen keinen schützenden Effekt hat, obwohl der Trend zum Infektionsschutz deutlich war.

 


 

CredoWeb: Kann durch das Tragen von Schutzmasken irgendeine Form von Gesundheitsschädigung auftreten?

 

 

 

Prof. Dr. Ojan Assadian: Eindeutig belegt sind Fälle von Kontaktdermatitis aufgrund von Allergie gegenüber Schaumstoffen oder Metallbügel sowie Entwicklung von Akne am Wangen- und Mundbereich.

 

Kontrovers wird die Frage nach der Sauerstoffsättigung im Blut und in Muskeln gesehen. Hierzu gibt es bereits einige Studien, die unterschiedliche Masken und deren Tragen in Ruhe und unter Belastung gemessen haben. Während in körperlicher Ruhe bei chirurgischen Masken und FFP1-Atemschutzmasken keine wesentlichen Reduktionen der Sauerstoffsättigung im Blut zu beobachten sind, so sieht man beim Tragen einer FFP2 Atemschutzmaske unter körperlicher Belastung eine Reduktion.

 

Mapelli und Kollegen [3] zeigten unter anderem, dass 12 gesunde Freiwillige unter Belastung ohne Maske eine maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit von 31,0 mL O2/Kg/min erreichten, bei Tragen einer FFP2 Atemschutzmaske unter Belastung 28,2 mL O2/Kg/min.

 

 

Die Autoren schlossen, dass ein Tragen einer FFP2 Atemschutzmaske unter körperlicher Belastung zu einer moderaten Verschlechterung der Sauerstoffaufnahme führt, dass aber deren Verwendung auch respiratorisch sicher ist.

 

 

Eine abschließende Bewertung hierzu ist schwierig und Gegenstand zukünftiger pomologischer und physiologischer Untersuchungen. Insbesondere der Einfluss langer Tragedauern und deren Langzeitwirkung bei besonderen Populationen (Schwangere, Patienten mit COPD, Kinder) ist wenig untersucht.

 

Wesentlich dabei ist aber, dass ohnedies auch zB von Seiten des Arbeitsinspektorates eine über lange Zeit erstreckende Tragedauer von FFP2-Atemschutzmasken weder empfohlen wird noch erforderlich ist.

 

Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gilt, dass nach 3 Stunden Tätigkeit unter körperlicher Belastung eine gesetzliche Maskenpause von mind. 30 Minuten einzuhalten ist. Unter diesen Regelungen ist jedenfalls nicht mit einer Gesundheitsschädigung auszugehen.

 

 

CredoWeb: Sind Infektionskrankheiten, wie z.B. Influenza, tendenziell im letzten Jahr zurückgegangen? Wenn ja, spielt hier womöglich das Tragen von Atemschutzmasken eine Rolle?

 

 

 

Prof. Dr. Ojan Assadian: Bedauerlicherweise ist mit Stand 1. April 2021 die Jahresstatistik meldepflichtiger Infektionserkrankungen für das Jahr 2020 noch nicht auf der Website des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ausgewertet veröffentlicht. Nach dem Epidemiegesetz wäre allerdings ohnedies nur Influenza durch das Influenza-Virus A/H5N1 meldepflichtig.

 

Grippe-ähnliche Erkrankungen werden jedoch durch die Nationale Referenzzentrale für Influenza-Epidemiologie am Bundesministerium über das so genannte Influenza-Surveillance-System erfasst. Dabei werden Daten aus einem klinischen und einem virologischen Sentinel-Surveillance-System sowie der Labormeldungen von Influenzavirusnachweis von weiteren fünf virologischen Laboratorien ausgewertet.

 

Für die Saison 2019/2020 lag die geschätzte Erkrankungsinzidenz an Grippe-ähnlichen Erkrankungen pro 100.000 Einwohner in Österreich bei rund einem Fünftel der Vorjahre. Lag die Inzidenz pro 100.000 Einwohner in der Kalenderwoche 6 im Jahr 2019 bei rund 1.300, im Jahr 2020 bei rund 2.300, so lag sie derzeit in der Kalenderwoche 6 im Jahr 2021 bei 310!


 

Das Zentrum für Virologie der medizinischen Universität Wien führt diese deutliche Reduktion der Zirkulation von Influenzaviren in Österreich auf die geltenden Hygienemaßnahmen zurück.

 

 

 

CredoWeb: Wie hat sich das Konsumverhalten der Österreicher*Innen im Bereich von Gesundheits- und Hygieneprodukten seit Pandemiebeginn verändert?

 

 

 

Prof. Dr. Ojan Assadian:

 

Auch dies ist eine interessante Frage. Laut rezenter Analyse des IQVIATM PharmaTrend verzeichnete die OTC-Klasse „Präparate zur Behandlung von Husten, Erkältungen und Atemwegserkrankungen“ 2020 ein Umsatzminus von 16%.

 

 

Im Vergleich dazu legten

 

  • Schmerz- und Rheumamittel um + 6%,
  • Vitamine, Mineralstoffe und Nahrungsergänzungsmittel um + 12%,
  • Tonika und Immunstimulanzien um + 17% und
  • Beruhigungs- und Schlafmittel sowie der Stimmungsaufheller um + 17%

 

Wachstum gegenüber 2019 zu.

 

In einer rezenten Aussendung der dpa (= Deutsche Presse-Agentur) berichten Hersteller über einen massiven Einbruch des Verkaufsabsatzes klassischer Papiertaschentücher. Die Nachfrage nach Taschentuch- Einzelpäckchen sei jedenfalls in den vergangenen Monaten deutlich zurückgegangen. 

 

 

 

Interview: Christina Neumayer/CredoWeb

 

 

Referenzen:
[1] Seto WH, Tsang D, Yung RWH, Ching TY, Ho M, Feiris JSM et al. Effectiveness of precautions against droplets and contact in prevention of nosocomial transmission of severe acute respiratory syndrome (SARS). Lancet 2003;361: 1519-20.
[2] Bundgaard H, Bundgaard JS, Raaschou-Pedersen DET, von Buchwald C, Todsen T, Boesgaard Norsk J, et al. Effectiveness of Adding a Mask Recommendation to Other Public Health Measures to Prevent SARS-CoV-2 Infection in Danish Mask Wearers : A Randomized Controlled Trial. Ann Intern Med 2021; 174:335-43.
[3] Mapelli M, Salvioni E, De Martino F, Mattavelli I, Gugliandolo P, Vignati C et al. "You can leave your mask on": effects on cardiopulmonary parameters of different airway protection masks at rest and during maximal exercise. Eur Respir J 2021 Mar 7;2004473

Bezugnehmend auf den Vortrag von Prof. Dr. Assadian "Maskenpolitik – ja, nein, wurscht. Ein aktueller Literaturreview" beim Giftigen Livestream zum Thema "... und schon wieder COVID-19" vom 29.03.2021 veranstaltet von der Österreichischen Gesellschaft für Infektiologie und Tropenmedizin (ÖGIT) unter der Moderation von Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer.

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