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Gebärmutterkrebs: Molekulares Tumorprofil könnte Chemo- und Strahlentherapie um ein Fünftel reduzieren

Gebärmutterkrebs: Molekulares Tumorprofil könnte Chemo- und Strahlentherapie um ein Fünftel reduzieren

WissenschafterInnen des Comprehensive Cancer Center (CCC) von MedUni Wien und AKH Wien konnten in einer retrospektiven Studie zeigen, dass die Erstellung eines molekularen Tumorprofils die Risikoeinschätzung und somit die Therapieentscheidung beim Gebärmutterkrebs verbessern kann. Der Einsatz einer sogenannten „Integrierten molekularen Risikoklassifizierung“ könnte den Einsatz von Chemo- und Strahlentherapien, die nach der chirurgischen Entfernung der Gebärmutter Metastasen verhindern sollen, um bis zu 20 Prozent reduzieren. Darüber hinaus konnten die ForscherInnen belegen, dass die Erstellung dieses molekularen Tumorprofils im klinischen Alltag routinemäßig durchführbar ist.

 

Mit 1.000 neuen Fällen pro Jahr ist der Gebärmutterkrebs in Österreich die häufigste bösartige gynäkologische Tumorerkrankung nach Brustkrebs. Im Großteil der Fälle sind Frauen nach der Menopause davon betroffen. Die Prognose bei dieser Erkrankung ist relativ gut, da der Tumor meist in einem sehr frühen Stadium erkannt wird. Die Standardtherapie ist die komplette chirurgische Entfernung der Gebärmutter und der Eierstöcke und häufig auch eine darauffolgende, also adjuvante, Chemo- oder Strahlentherapie, um das Auftreten von Rezidiven zu verhindern.

 

Neuartige Risikoklassifizierung

Die Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Therapie wurde lange durch die Einteilung der PatientInnen gemäß klassischen klinischen und pathologischen Kriterien getroffen. Unter Verwendung dieser Einteilung wurde vermutlich ein Teil der Patientinnen einer „Übertherapie“, also einer unnötig verabreichten Behandlung, unterzogen. Seit kurzem gibt es eine neue Klassifikation auf Basis molekularpathologischer Kriterien. In jüngster Zeit wurden zusätzliche molekularpathologische Risikofaktoren wie Mutationen in speziellen Genen und das Ausmaß, in dem der Tumor in die Blut- oder Lymphgefäße (lymphovaskuläre Rauminvasion) eindringt, entdeckt. Die Eingliederung dieser Faktoren erlaubt eine neuartige, integrierte, molekulare Risikoklassifikation. Dadurch kann es gelingen, eine präzisere Risikoeinschätzung zu treffen und ein individuelles Therapiekonzept zu erstellen.

 

Weltweit erste Untersuchung

Die vorliegende Studie wurde von WissenschafterInnen rund um Studienleiter Richard Schwameis, Universitätsklinik für Frauenheilkunde von MedUni Wien und AKH Wien sowie Mitglied der Gynecologic Cancer Unit des CCC, durchgeführt und untersuchte nun als erste weltweit, ob postoperative Gewebeanalysen gemäß diesem integrierten molekularen Risikoklassifizierungssystem im klinischen Alltag überhaupt durchführbar sind. Der Hintergrund: Es gibt ein Zeitfenster von maximal acht Wochen, in denen die adjuvante Therapie nach der Operation verabreicht werden muss, um die optimale Wirkung zu entfalten und Metastasen zu verhindern. Die ForscherInnen konnten belegen, dass die Erstellung eines molekularen Tumorprofils in der kritischen Zeit machbar ist. Schwameis: „Wir haben im Rahmen der Studie eine Strategie entwickelt, wie die molekularpathologische Aufarbeitung der Proben rasch genug, nämlich in rund vier Wochen, durchgeführt werden kann. Dann bleibt noch genug Zeit, in der eine eventuell nötige adjuvante Therapie ohne Verzögerung geplant werden kann. Damit könnte das sogenannte Tumorprofiling klinisch etabliert werden.“

 

Die WissenschafterInnen analysierten das Tumorgewebe von Gebärmutterkrebs-Patientinnen, die im Zeitraum eines Jahres gemäß den etablierten Guidelines behandelt worden waren und beleuchteten die damals getroffenen Therapieentscheidungen sowie -ergebnisse. Im Anschluss beurteilten sie die Proben mittels der neuen, integrierten molekularen Risikoklassifizierung. Der Vergleich der Ergebnisse zeigt, dass mit dem neuen System bis zu 20 Prozent der adjuvanten Therapien zu verhindern gewesen wären. In manchen Fällen hingegen hätte die neue Klassifikation wegen des sehr hohen Rezidivrisikos eine intensivere Therapie empfohlen. Das Tumorprofiling beim Gebärmutterkrebs könnte somit die Therapieentscheidungen verändern und eine Qualitätsverbesserung bewirken. Schwameis: „Diese Erkenntnis könnte zur Veränderung der aktuellen Guidelines führen. So vielversprechend die Daten jedoch sind, müssen sie erst durch eine prospektive Studie abgesichert werden.“

 

Service: Journal of Personalized Medicine

“Risk Reclassification of Patients with Endometrial Cancer Based on Tumor Molecular Profiling: First Real World Data”. Felicitas Oberndorfer, Sarah Moling, Leonie Annika Hagelkruys, Christoph Grimm, Stephan Polterauer, Alina Sturdza, Stefanie Aust, Alexander Reinthaller, Leonhard Müllauer, Richard Schwameis.  J. Pers. Med. 2021, 11(1), 48; https://doi.org/10.3390/jpm11010048

 

 

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Die Medizinische Universität Wien (kurz: MedUni Wien) ist eine der traditionsreichsten medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten Europas. Mit rund 8.000 Studierenden ist sie heute die größte medizinische Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum. Mit 5.500 MitarbeiterInnen, 30 Universitätskliniken und zwei klinischen Instituten, 12 medizintheoretischen Zentren und zahlreichen hochspezialisierten Laboratorien zählt sie auch zu den bedeutendsten Spitzenforschungsinstitutionen Europas im biomedizinischen Bereich.

 

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Comprehensive Cancer Center Vienna

Das Comprehensive Cancer Center (CCC) Wien der MedUni Wien und des AKH Wien vernetzt alle Berufsgruppen dieser beiden Institutionen, die KrebspatientInnen behandeln, Krebserkrankungen erforschen und in der Lehre bzw. der Ausbildung in diesem Bereich aktiv sind. (www.ccc.ac.at)

 

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