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COVID-19 & Krebspatient*innen

COVID-19 & Krebspatient*innen


Professor Dr. Richard Greil ist Vorstand der Universitätsklinik für Innere Medizin III am Landeskrankenhaus Salzburg. Dr. Greil ist allgemein als Onkologie-Experte bekannt, was sich durch seine intensive Publikationsarbeit auf diesem Gebiet, in bisher über 500 wissenschaftlichen Veröffentlichungen, niederschlug.

 

 

 

CredoWeb: Stellt eine Krebserkrankung per se einen Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf bzw. ein erhöhtes Risiko dar, an der Infektion zu versterben?

 

 

Univ.-Prof. Dr. Richard Greil:

 

 

Ja, Krebserkrankungen sind mit einem hochsignifikanten Risiko an der COVID-19-Infektion zu versterben, verbunden. Wie hoch dieses Risiko für jeden einzelnen Betroffenen ist, ist von einigen weiteren zusätzlichen Faktoren abhängig.

 

 

Die Risiken bei Krebspatient*innen sind teilweise, je nach Altersgruppe und je nach Komorbiditäten, bis zu 3-5-fach höher.

 

 

Dieser Größenordnungsbereich variiert zwischen 1% der Betroffenen, die eine Krebserkrankung durchgemacht haben und mittlerweile keine Therapie mehr benötigen, bis hin zu deutlich über 20% der Patient*innen, die an der COVID-19-Infektion versterben, wenn sie unter einer laufenden Tumortherapie stehen und/oder vor allem wenn die Patient*innen bereits unter einer metastasierten Tumorerkrankung leiden. Hier kann die Mortalitätsrate sogar deutlich über 40% liegen.

 

 

Hier spielen jedoch auch andere Risikofaktoren eine Rolle:

 

 

  • Rauchen
  • Höheres Alter
  • Diverse Begleiterkrankungen, vor allem hämatologische Systemerkrankungen, gegenüber soliden Tumorerkrankungen

 


 

CredoWeb: Welche Komorbiditäten von onkologischen Patient*innen stellen hierbei zusätzlich weitere Risikofaktoren dar?

 

 

 

Univ.-Prof. Dr. Richard Greil:

 

 

Hier spielt vor allem die Art, die Dauer und der Zeitabstand der Tumortherapie mit entsprechender Immunsuppression eine Rolle und vor allem auch die Frage, ob es sich um eine aktiv metastasierte Erkrankung handelt oder nicht. Auch die Frage ob vorwiegend Lungenmetastasen vorhanden sind oder nicht ist ein wichtiger Faktor.

 

 

 

 

CredoWeb: Stellt eine Krebstherapie auch ein Risiko in Bezug auf eine COVID-19-Infektion dar? Wenn ja, bei welchen?

 

 

Univ.-Prof. Dr. Richard Greil: Ja, grundsätzlich stellen alle systemischen Therapien ein Risiko dar.

Allen voran Chemotherapien, die mit einer Leukopenie (= Verminderung der Leukozyten), vor allem aber mit einer Lymphozytopenie (= Verminderung der Lymphozyten) einhergehen.

 

 

Lymphozyten spielen die zentrale Rolle in der antiviralen Aktivität und eine Verminderung dieser, ist mit einer deutlich erhöhten Mortalität in Bezug auf COVID-19 verbunden.



 

Wenn der Patientin/dem Patienten eine Kombination von Medikamenten verabreicht wird, welche

 

 

  1. gegen die B-Lymphozyten gerichtet ist,
  2. mit einer Chemotherapie, welche gegen die T-Zellen (= gehören auch zur Zellgruppe der Lymphozyten und spielen eine wichtige Rolle im Immunsystem) gerichtet ist und dann unter Umständen noch
  3. simultan eine Myelosuppression (= Aussetzen der normalen Blutbildung im Knochenmark) besteht,

 

 

dann ist das Risiko sehr, sehr hoch.

 

 


 

CredoWeb: Hatte die Pandemie bisher negative Auswirkungen betreffend der Krebsfrüherkennung?

 

 

 

Univ.-Prof. Dr. Richard Greil: Das hat sie weltweit auf jeden Fall.

 

 

 

Die deutlichsten Daten hierzu kommen aus Großbritannien, wobei man davon ausgehen muss, dass die Krebssterblichkeit vor allem für Tumoren des Dickdarmbereichs und Tumoren, die im Bereich der Mamma (= weibliche Brust) gelegen sind in den nächsten 5 Jahren um etwa 15% ansteigen wird.

 

 

 

Nicht nur die Früherkennung hat unter der Pandemie gelitten. Operationen und medikamentöse Tumortherapien, die in der ersten Phase der Pandemie, wo das Gesundheitssystem so massiv überfordert war, wurden dementsprechend verschoben.

 

 

In Österreich ist es vor allem zu einer Reduktion des Mammakarzinom-Screenings und zu einer Abnahme von Mammakarzinom- und Dickdarmkarzinom-Operationen in den Frühstadien gekommen. Welche Auswirkungen das tatsächlich haben wird, werden wir erst sehen.

 


 

CredoWeb: Können/sollen Krebspatient*innen die Corona-Schutzimpfung erhalten? Spielt es hier eine Rolle, ob es ein mRNA- oder Vektorimpfstoff ist?

 

 

 

 

Univ.-Prof. Dr. Richard Greil:

 

 

Grundsätzlich sollen Tumorpatient*innen geimpft werden, mit der Empfehlung, dies mit einem mRNA-Impfstoff zu tun.

 

 

 

Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass die Impfwirksamkeit etwas geringer ist. Deswegen sind die sogenannten Barriereschutzimpfungen für Lieferanten und im gleichen Haushalt lebende Personen, sowie die die Einhaltung der Hygienemaßnahmen, äußerst wichtig.

 

 

Die rasche Durchimpfung der gesamten Bevölkerung ist jedoch am wichtigsten, um die Wahrscheinlichkeit des Aufeinandertreffens von Immunsupprimierten und Nicht- immunsupprimierten-Infizierten zu reduzieren.

 

 

 

 

Interview: Christina Neumayer/CredoWeb

 

Quelle: Vortrag Immunologische Aspekte der Impfung beim Giftigen Livestream auf infektiologie.co.at zum Thema Update COVID-19 und hämato-onkologische Patient*innen vom 31.03.2021, veranstaltet von der Österreichischen Gesellschaft für Infektiologie & Tropenmedizin (ÖGIT) unter der wissenschaftlichen Leitung von Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer

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