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Narbenlunge: Forschung gegen krankhafte Bindegewebsvermehrung in der Lunge

Narbenlunge: Forschung gegen krankhafte Bindegewebsvermehrung in der Lunge

Grenzen der Therapie: Pirfenidon nicht für jede Form der Lungenfibrose geeignet

Lungenfibrose ist eine schwerwiegende Erkrankung, die dramatische Veränderungen des Lungengewebes bis hin zu Verhärtungen und Vernarbungen hervorruft. Betroffene leiden unter starken Atembeschwerden und Sauerstoffmangel, was ihre Lebensqualität deutlich vermindert. Um ein besseres Verständnis der zugrunde liegenden Krankheitsmechanismen zu bekommen und optimale Behandlungsstrategien für Patient*innen mit Lungenfibrose zu entwickeln, wurde nun im Rahmen eines Forschungsprojektes der Medizinischen Universität Graz und des Ludwig Boltzmann Institutes für Lungengefäßforschung ein neuer Ansatz eines schon bekannten Wirkstoffes untersucht. Dabei stand das Medikament Pirfenidon im Fokus, das hinsichtlich seiner Vorteile und Risiken analysiert wurde.


Wenn die Lunge versteift und das Atmen schwerfällt


Bei der Lungenfibrose, im Volksmund auch „Narbenlunge“ genannt, liegt eine chronische
Entzündung des Bindegewebes in der Lunge vor, die nicht nur eine starke krankhafte
Vermehrung des Lungenbindegewebes auslöst, sondern auch Verhärtungen und
Vernarbungen des Gewebes hervorruft. Dadurch wird mitunter auch die Wand der
Lungenbläschen dicker, der Abstand zwischen Atemluft und Blutgefäßen größer und der
Gasaustausch beeinträchtigt. Darunter leidet letztlich auch die Sauerstoffversorgung im
Blut, wodurch es bei Betroffenen neben Atemnot zu einer bläulichen Färbung der Haut
kommen kann. Die Krankheitsursachen und Risikofaktoren für Lungenfibrose sind nach wie
vor nicht restlos geklärt, jedoch sind einige Auslöser bekannt, die die Entzündung der
Lungenbläschen begünstigen. So kann die Erkrankung etwa durch Infektionen, Schadstoffe,
Allergene und Medikamente ausgelöst, aber auch durch Autoimmunerkrankungen wie
beispielsweise die Bindegewebskrankheit Sklerodermie hervorgerufen werden. Wenn die
Lungenfibrose spontan auftritt, spricht man von der idiopathischen Form, deren Ursachen
noch weitgehend unbekannt sind. Sie schreitet meist rasch voran und geht mit einer
verkürzten Lebenserwartung einher.


Anti-fibrotischer Effekt durch Wirkstoff Pirfenidon


Bei der Sklerodermie (auch systemische Sklerose genannt) können nicht nur das
Bindegewebe und die Haut, sondern auch Muskeln, Gelenke und innere Organe betroffen
sein. „Ist auch die Lunge betroffen, kommt es oftmals zu Lungenhochdruck und
Lungenfibrose. Jene Sklerodermie-induzierte Lungenfibrose steht aktuell in unserem
Forschungsfokus“, so Anna Birnhuber vom Lehrstuhl für Physiologie am Otto Loewi
Forschungszentrum der Med Uni Graz und am LBI für Lungengefäßforschung. Obwohl
gängige Behandlungen den Verlauf der Lungenfibrose verlangsamen können, bieten sie
keine Möglichkeit auf Heilung. Grund genug für Anna Birnhuber und ihre Kolleg*innen, den
Krankheitsmechanismen nachzugehen, um neue Therapieansätze zu finden. Hierfür
untersuchten die Wissenschafter*innen im Mausmodell, ob das für idiopathische
Lungenfibrose bereits angewandte Medikament Pirfenidon ähnlich vielversprechende
Effekte in der Behandlung der Sklerodermie-induzierten Erkrankung haben könnte. Der
Wirkstoff ist dafür bekannt, Vernarbungsprozesse in der Lunge bei idiopathischer
Lungenfibrose zu verlangsamen.


Schwere Nebenwirkungen bei Sklerodermie-induzierter Lungenfibrose


Im Modell der idiopathischen Lungenfibrose zeigte der Wirkstoff den bekannten antifibrotischen Effekt und reduzierte Vernarbungen der Lunge. „Wurde Pirfenidon jedoch im
Modell der Sklerodermie-induzierten Lungenfibrose angewandt, führte es zu schweren
Nebenwirkungen mit vermehrten Entzündungsherden und sogar weiteren Vernarbungen der
Lunge“, beschreibt Anna Birnhuber die Beobachtungen. Genauere Untersuchungen zeigten,
wodurch diese Nebenwirkungen ausgelöst werden: Das Medikament führt im SklerodermieModell zu zusätzlichen Verletzungen der Endothelzellen, jener Zellen, die unsere
Blutgefäße auskleiden. Die Forschungsgruppe gibt an, dass Endothelzellen bei einer
Sklerodermie bereits durch spezifische Entzündungsprozesse und –mediatoren geschädigt
sind und deshalb sensitiver auf eine Behandlung mit Pirfenidon reagieren. „So führt der
Wirkstoff in vorgeschädigten Endothelzellen zu einer erhöhten Durchlässigkeit der
Blutgefäße, wodurch auch vermehrt Entzündungszellen ins Lungengewebe einwandern, die
die Lungenfibrose weiter verschlechtern können“, so das Fazit der Wissenschafterin.

 

Die Studie wurde im renommierten „European Respiratory Journal“ publiziert und
unterstreicht einmal mehr, wie wichtig das genaue Verständnis zugrunde liegender
Krankheitsmechanismen für eine optimale Behandlungsstrategie für Patient*innen mit
Lungenfibrose ist.

 


Weitere Informationen und Kontakt:
Univ.-Ass.in Anna Birnhuber, PhD, MSc
Medizinische Universität Graz
Lehrstuhl für Physiologie
Otto Loewi Forschungszentrum
LBI für Lungengefäßforschung
Tel.: +43 316 385 73864
E-Mail: anna.birnhuber@medunigraz.at


Steckbrief: Anna Birnhuber
Anna Birnhuber forscht am Lehrstuhl für Physiologie am Otto Loewi Forschungszentrum der
Med Uni Graz und am LBI für Lungengefäßforschung an den Pathomechanismen des
Lungengefäßumbaus. Pathologische Veränderungen durch Lungenerkrankungen bewirken
einen Umbau des Lungenkreislaufs und eine massive Veränderung des Lumens mittelgroßer
und kleiner Lungenarterien. Mit ihrer Forschung möchte Anna Birnhuber zur
Entschlüsselung der molekularen und zellulären Mechanismen, die der Pathobiologie des
pulmonalen Gefäßumbaus zugrunde liegen, beitragen.


Zur Publikation
Pirfenidone exacerbates Th2-driven vasculopathy in a mouse model of SSc-ILD
https://erj.ersjournals.com/content/early/2022/03/17/13993003.02347-2021.long

https://www.medunigraz.at/news/

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