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European Melioidosis Congress 2022: Weltweite Fortschritte im Kampf gegen die Infektionskrankheit Melioidose

European Melioidosis Congress 2022: Weltweite Fortschritte im Kampf gegen die Infektionskrankheit Melioidose

Kürzlich fand in Graz der „European Melioidosis Congress 2022“ statt. Es waren Teilnehmer*innen aus 15 Ländern vertreten, unter anderem aus den USA sowie zahlreichen europäischen und asiatischen Ländern. Das Spektrum der wissenschaftlichen Beiträge reichte von mikrobiologischer und immunologischer Grundlagenforschung bis hin zur öffentlichen Gesundheitsvorsorge.
Unter den Teilnehmer*innen waren auch Vertreter*innen des US-amerikanischen Center for Disease Control (CDC) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Der Kongress wurde von Ivo Steinmetz, Vorstand des Diagnostik- & Forschungsinstituts für Hygiene, Mikrobiologie und Umweltmedizin der Medizinischen Universität Graz, und seinem Team federführend organisiert, wobei die Wissenschafter*innen der Med Uni Graz neu entwickelte diagnostische Verfahren sowie Ergebnisse aus internationalen Kooperationsprojekten präsentierten.


Bisher diagnostizierte Fälle von Melioidose sind weltweit nur die „Spitze des Eisberges“

Die COVID-19-Pandemie hat verdeutlicht, dass die Verfügbarkeit von mikrobiologischer Labordiagnostik essenziell ist, um die wahre Verbreitung von Infektionen zu erkennen. Besonders relevant ist die Labordiagnostik, wenn eine gezielte Therapie erst nach erfolgreicher Identifikation des Erregers möglich ist. Die Pandemie zeigt auch, dass in vielen Teilen der Welt aufgrund mangelnder Ressourcen eine ausreichende Labordiagnostik von Infektionen nicht möglich ist.

 

Eine Erkrankung, die wegen mangelnder Laborressourcen besonders schwer zu bekämpfen ist, ist die Melioidose. Hervorgerufen wird die Infektionskrankheit durch das Bakterium Burkholderia pseudomallei, das meist über kontaminierte Erde oder Wasser aufgenommen wird. Die Erkrankung kommt in erster Linie in den Tropen und Subtropen vor. Modellrechnungen besagen, dass weltweit jährlich 165 000 Menschen an Melioidose erkranken, von denen 89 000 versterben. Damit liege die Zahl der Todesfälle in der gleichen Größenordnung wie jene bei Masern.

 

Allerdings sind nicht nur Menschen in Ländern, in denen die Krankheit endemisch ist, von Melioidose betroffen. Es werden zunehmend Erkrankungen von Reiserückkehrenden berichtet. Zu besonderer Aufmerksamkeit haben außerdem kürzlich berichtete Melioidose-Fälle mit tödlichen Verläufen in den USA geführt, bei denen ein aus Indien importiertes Raumluftspray die Ursache war.

 

Wissenschafter*innen des CDC aus Atlanta (USA), die diese Fälle aufgeklärt haben, berichteten auf dem Grazer Kongress, dass sie weiteren Fällen auf der Spur sind, bei denen kontaminierte Importprodukte Quelle für Melioidose-Fälle sind.

 

Auf dem Kongress wurde mit dem Vertreter der WHO diskutiert, welche Schritte notwendig sind, um eine offizielle Anerkennung der Melioidose als „Neglected Tropical Disease“ zu erwirken. Kriterien für eine durch die WHO anerkannte „Neglected Tropical Disease“ sind unter anderem eine überproportionale Krankheitslast bei in Armut lebenden Bevölkerungsgruppen, die prinzipielle Möglichkeit einer effizienten Behandlung und eine bisher unzureichende Entwicklung von neuen Diagnostika. Alle genannten Kriterien treffen auf Melioidose zu.


Nachweis des Melioidose-Erregers in Erdproben in Indien und Nigeria

 

Das Team der Med Uni Graz um Ivo Steinmetz hat in Zusammenarbeit mit indischen Wissenschafter*innen das Vorkommen von B. pseudomallei im Erdboden in Südwestindien analysiert. Die auf dem Kongress präsentierten Ergebnisse zeigen unter anderem, dass die Konzentration des Erregers im Erdboden während der Regenzeit deutlich ansteigt und mit dem besonders häufigen Auftreten von Melioidose während dieser Zeit korreliert. Die Untersuchungen haben auch gezeigt, dass es innerhalb von wenigen Metern enorme Unterschiede in der Erregerkonzentration gibt. Laufende Forschungsarbeiten versuchen die Faktoren zu identifizieren, die die sehr unterschiedliche Verteilung des Melioidose-Erregers in der Umwelt beeinflussen.

 

Im Jahr 2019 fand unter Beteiligung des Med Uni Graz Teams – in Zusammenarbeit mit Kolleg*innen aus Lagos, Amsterdam und der WHO – der „First African Melioidosis Workshop“ in Lagos, Nigeria statt. Ein wichtiges Resultat dieser Aktivität war der Kongressbeitrag einer Wissenschafterin aus Nigeria, die über den kürzlich erfolgten erstmaligen Nachweis des Melioidose-Erregers in Erdbodenproben aus verschiedenen Regionen in Nigeria berichtete. Der Nachweis des Erregers in der Umwelt im bevölkerungsreichsten Land Afrikas ist ein wichtiges Signal, Patient*innenproben gezielt auf das Vorkommen des Erregers zu testen – ein essenzieller Schritt für adäquate Therapiemaßnahmen.


Grazer Wissenschafter*innen entwickeln Diagnostikverfahren

 

Da der Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt, zu dem man dem Erreger ausgesetzt war, und dem Auftreten von schweren klinischen Symptomen häufig mehrere Wochen beträgt, kommt dem Nachweis spezifischer Antikörper auch bei der Diagnostik von akuten Infektionen Bedeutung zu. Darüber hinaus liefern spezifische Antikörpernachweise wichtige Erkenntnisse über durchgemachte Infektionen in einer Bevölkerung und können so neben der Untersuchung von Umweltproben erste Hinweise auf bisher unbekannte Melioidose-Endemiegebiete liefern. Das Grazer Team um Ivo Steinmetz entwickelt hochspezifische Multiplex-Point-of-Care-Tests, bei denen mit nur einem Test Antikörper gegen verschiedene B.-pseudomallei-Proteine nachgewiesen werden. „Der große Vorteil dieser Tests besteht darin, dass keine Laborausstattung benötigt wird und diese Tests daher auch in sehr abgelegenen Regionen der Welt eingesetzt werden können“, so Ivo Steinmetz. In einem weiteren Beitrag des Grazer Teams wurde die Anwendung einer neu entwickelten, molekularbiologischen Typisierungsstrategie von B. pseudomallei vorgestellt. Mit dieser neuen Typisierungsstrategie konnten die Grazer Wissenschafter*innen in Zusammenarbeit mit Kooperationspartner*innen aus Nordvietnam die Umweltquelle eines Melioidose-Ausbruchs in Nghe An (Nordvietnam) exakt identifizieren.


Weltweite Zunahme von Typ-2-Diabetes führt zum Anstieg von Melioidose-Fällen

 

Patient*innen mit chronischen Nieren- und Lungenerkrankungen und Typ-2-Diabetes sind besonders häufig von Melioidose betroffen. Diabetes führt zu einem etwa 12-fach erhöhten Risiko, an einer Melioidose zu erkranken. Da alle Prognosen einen besonderen Anstieg von Typ-2-Diabetes in Asien und Afrika vorhersagen, muss man weltweit von einer deutlichen Zunahme von Melioidose-Fällen ausgehen.


Impfstoff: Erste Studienergebnisse werden 2023 erwartet

 

Eine Gruppe der Oxford University berichtete auf dem Grazer Kongress über den aktuellen Stand der Impfstoffentwicklung. Im Jahr 2023 wird „MELVAC1“, der erste Melioidose-Impfstoff, basierend auf einer Protein- und Polysaccharid-Komponente, getestet. Es wurde auf der Grazer Konferenz dazu aufgerufen, weiter Impfstoffkandidaten zu entwickeln, um die Chance für erfolgreiche Impfungen zu erhöhen. Man geht davon aus, dass weltweit ca. 280 Millionen Menschen mit Diabetes und anderen Risikofaktoren von einer Impfung profitieren können.

 

Weitere Informationen und Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Ivo Steinmetz
Diagnostik- & Forschungsinstitut für Hygiene, Mikrobiologie und Umweltmedizin
Diagnostik- & Forschungszentrum für Molekulare BioMedizin
Medizinische Universität Graz
Tel.: +43 / 316 / 385-73700
E-Mail: ivo.steinmetz@medunigraz.at


Steckbrief: Ivo Steinmetz

Ivo Steinmetz hat Medizin in Graz, Mainz und London studiert und ist Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie sowie Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin. Er habilitierte sich an der Medizinischen Hochschule Hannover und erwarb das Diploma in Tropical Medicine and Hygiene in London. Von 2009 bis 2016 war Ivo Steinmetz W3-Professor und Direktor des Friedrich-Loeffler-Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Universität Greifswald. Seit 2016 ist er Universitätsprofessor an der Medizinischen Universität Graz sowie Vorstand des Diagnostik- & Forschungsinstituts für Hygiene, Mikrobiologie und Umweltmedizin.

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