Artikel

Neue Technik macht erstmals Struktur des Zellkerns sichtbar

Neue Technik macht erstmals Struktur des Zellkerns sichtbar

Verfahren könnte Verständnis grundlegender Prozesse des Lebens verbessern

Der Zellkern gilt als Steuerzentrale sämtlicher lebenswichtiger Prozesse, gibt jedoch der Wissenschaft nach wie vor Rätsel auf. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der MedUni Wien hat nun eine neue Technik entwickelt, die einen bisher unerreichten Blick ins Innerste der Zelle ermöglicht. So konnte erstmals jene strukturelle Besonderheit im Zellkern sichtbar gemacht werden, die für die Funktion der Zellen ausschlaggebend ist. Die aktuell im Top-Journal „Nature Photonics“ publizierten Studienergebnisse können zum besseren Verständnis grundlegender Prozesse des Lebens beitragen.

Die strukturellen Eigenschaften des Zellkerns beschäftigen die Forschung seit langem. Bekannt ist, dass diese Eigenschaften gut reguliert sein müssen, damit die Zelle richtig funktioniert, und dass sie sich bei verschiedenen Krankheiten verändern können. Bekannt ist auch, dass sich der Zellkern sowohl wie eine Flüssigkeit als auch wie ein Festkörper verhalten kann und somit unterschiedliche Steifigkeitsgrade aufweist. Unklar ist aber, wie diese strukturelle Besonderheit lebenswichtige Prozesse wie die komplexe Neuordnung innerhalb des Kerns während der Zellteilung oder die schnelle und höchst effektive Synchronisierung von lebensnotwendigen Abläufen in verschiedenen Bereichen des Zellkerns ermöglicht.


Hochdynamische Struktur dargestellt

Der Beantwortung von Fragen wie dieser ist das Forschungsteam unter der Leitung von Kareem Elsayad vom Zentrum für Anatomie und Zellbiologie der MedUni Wien nun entscheidend nähergekommen. Die Wissenschafter:innen entwickelten eine Technik, mit der die mechanischen Eigenschaften im Zellkern erstmals gemessen, dargestellt und teilweise auch interpretiert werden können. Die Methode beruht auf einem Verfahren namens „Brillouin Light Scattering“. Damit wird im Wesentlichen die Streuung von Licht aus den ständig vorhandenen thermischen Schwingungen in einer Probe gemessen, was zur Berechnung der Steifigkeit in Richtung des einfallenden Lichts verwendet werden kann. Durch die gleichzeitige Messung in allen Winkeln des Zellkerns konnten die Wissenschafter:innen dessen hochdynamische Struktur abbilden und für weitere Forschungen sichtbar machen.


Entstehung von Erkrankungen verstehen

„Was wir mit unserer Technik darstellen können, ist ebenso faszinierend wie wegweisend“, sagt Studienleiter Kareem Elsayad. „Denn es könnte erklären, wie der Zellkern durch seine besonderen Eigenschaften in die Lage versetzt wird, lebenswichtige Prozesse so effizient zu steuern.“ Umgekehrt könnten die Ergebnisse auch zum grundlegenden Verständnis von pathologischen Anomalien und damit der Entstehung von Erkrankungen beitragen. Weitere Studien mit Hilfe der neuen Technik sollen die Erkenntnisse vertiefen und z. B. die molekulare Grundlage der mechanischen Eigenschaften des Zellkerns klären.


Publikation: Nature Photonics
Imaging the microscopic viscoelastic anisotropy in living cells;
Hamid Keshmiri, Domagoj Cikes, Marketa Samalova, Lukas Schindler, Lisa-Marie Appel, Michal Urbanek, Ivan Yudushkin, Dea Slade, Wolfgang J. Weninger, Alexis Peaucelle, Josef Penninger, Kareem Elsayad;
Doi: 10.1038/s41566-023-01368-w
https://www.nature.com/articles/s41566-023-01368-w


Rückfragen bitte an:
Mag. Johannes Angerer
Leiter Kommunikation und
Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 01/ 40 160-11501
E-Mail: pr@meduniwien.ac.at
Spitalgasse 23, 1090 Wien
www.meduniwien.ac.at/pr


Mag.a Karin Kirschbichler
Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 01/ 40 160-11505
E-Mail: pr@meduniwien.ac.at
Spitalgasse 23, 1090 Wien
www.meduniwien.ac.at/pr


Medizinische Universität Wien – Kurzprofil
Die Medizinische Universität Wien (kurz: MedUni Wien) ist eine der traditionsreichsten medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten Europas. Mit rund 8.000 Studierenden ist sie heute die größte medizinische Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum. Mit mehr als 6.000 Mitarbeiter:innen, 30 Universitätskliniken und zwei klinischen Instituten, zwölf medizintheoretischen Zentren und zahlreichen hochspezialisierten Laboratorien zählt sie zu den bedeutendsten Spitzenforschungsinstitutionen Europas im biomedizinischen Bereich. Die MedUni Wien besitzt mit dem Josephinum auch ein medizinhistorisches Museum.

Kommentare