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MUTTERMILCHZUCKER IM BLUT: MÖGLICHER HINWEIS AUF SCHWANGERSCHAFTSDIABETES?

MUTTERMILCHZUCKER IM BLUT: MÖGLICHER HINWEIS AUF SCHWANGERSCHAFTSDIABETES?

Humanmilch-Oligosaccharide (HMO) sind wichtige Mehrfachzucker in der Muttermilch, die in vielerlei Hinsicht zur gesunden Entwicklung von gestillten Kindern beitragen. HMO können schon früh in der Schwangerschaft im Blutkreislauf der Mutter nachgewiesen werden, weshalb sie bereits vor der Geburt eine wesentliche Rolle für Mutter und Kind spielen – möglicherweise auch bei der Regulation des Zuckerstoffwechsels. In einer kürzlich veröffentlichten Arbeit konnten Forscher*innen der Med Uni Graz zeigen, dass eine Steigerung des mütterlichen Glukosespiegels mit Änderungen der HMO-Konzentrationen im Blut einhergeht. Marie-Therese Weiser-Fuchs und ihr Team von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Med Uni Graz gehen nun der Frage nach, wie diese HMO mit der Glukoseregulation im mütterlichen Kreislauf zusammenhängen.


Blutkonzentration von HMO steigt nach Glukoseeinnahme

Die Arbeitsgruppe rund um Evelyn Jantscher-Krenn analysierte die HMO im Blut im nüchternen Zustand und eine bzw. zwei Stunden nach der Einnahme einer Glukoselösung im Rahmen eines routinemäßig in der 24. bis 28. Schwangerschaftswoche durchgeführten Zuckerbelastungstests (OGTT). Sie fanden dabei interessanterweise bereits innerhalb von nur einer Stunde nach Glukoseaufnahme eine signifikante Steigerung eines bestimmten HMO: 3’Sialyllactose (3’SL).

 

Höhere 3’SL-Werte konnten bereits in früheren Studien mit negativen Folgen in Verbindung gebracht werden. „Sind diese Werte bereits früh in der Schwangerschaft erhöht, war dies mit höherem Blutzucker im nüchternen Zustand assoziiert und auch ein verlässlicher Hinweis auf die Entwicklung von Schwangerschaftsdiabetes“, erklärt Marie-Therese Weiser-Fuchs. Diese Ergebnisse haben das Forscher*innenteam dazu gebracht, die Verbindung zwischen HMO und gewissen Parametern des Zuckerstoffwechsels zu analysieren. Im Rahmen dieser Analyse konnte festgestellt werden, dass höhere Konzentrationen der HMO tatsächlich mit erhöhten Diabetesindikatoren verbunden sind.

 

Bei den 90 Teilnehmerinnen der Studienkohorte konnten größtenteils normale Glukosestoffwechselmarker nachgewiesen werden (nur vier Teilnehmerinnen hatten Schwangerschaftsdiabetes). Dennoch konnten zwei unterschiedliche Cluster basierend auf dem Stoffwechselprofil identifiziert werden. Einer dieser Cluster war durch ein sogenanntes diabetogenes Stoffwechselprofil gekennzeichnet. Bei diesen Teilnehmerinnen konnte zum Beispiel eine geringere Insulinsensitivität nachgewiesen werden und sie hatten auch signifikant höhere 3’SL-Werte im Blut.


3’SL – Freund oder Feind?

Über die Mechanismen, die der Erhöhung der 3’SL-Konzentration nach Glukoseeinnahme zugrunde liegen, sowie über deren Konsequenzen kann nach aktuellem Wissensstand nur spekuliert werden. Der nach Glukoseaufnahme erhöhte Blutzucker könnte von der Brustdrüse, die Glukose insulinunabhängig aufnehmen kann, zur vermehrten Produktion der HMO-Bausteine Laktose und Sialinsäure genutzt werden und damit eine vorübergehende Erhöhung von (vor allem) 3’SL bewirken. Bei Schwangeren mit einem diabetogenen Profil (geringere Insulinsensitivität) und damit bereits grundsätzlich erhöhtem Glukosespiegel würde dies nach Glukoseeinnahme zu einem zusätzlichen Effekt führen und auch die erhöhten 3’SL-Werte in dieser Gruppe erklären.

 

Ob diese zusätzliche Erhöhung von 3’SL im Blut letztlich positive oder negative Folgen hat, lässt sich noch nicht sagen. Aufgrund von In-vitro-Studien ist bekannt, dass 3’SL sowie andere HMO als Signalmoleküle wirken und zum Beispiel die Bildung von neuen Blutgefäßen fördern können. „Der 3’SL-Anstieg könnte sich also sowohl günstig auswirken, indem er die gesteigerte Stoffwechselanforderungen kompensiert, zum Beispiel durch Bildung neuer Blutgefäße und damit eine bessere Versorgung von mütterlichem oder kindlichem Gewebe, oder ungünstig, indem er das Entzündungsgeschehen weiter anregt“, führt Marie-Therese Weiser-Fuchs aus.

 

Insgesamt liefern Erkenntnisse dieser Studie weitere Hinweise darauf, dass der metabolische Zustand der Mutter die HMO-Konzentration bereits in der Schwangerschaft beeinflusst und HMO ihrerseits auch als Marker für den metabolischen Zustand interessant sein können. Andererseits können diesen Ergebnissen zufolge HMO-Konzentrationen im Blut durch akute Blutzuckerschwankungen verändert werden, was bei der Interpretation von nicht nüchtern gemessenen Blutglukosewerte entsprechend berücksichtigt werden sollte. „Ob sich diese Ergebnisse auch auf HMO in Muttermilch übertragen lassen, muss in weiteren Studien untersucht werden“, schließt Marie-Therese Weiser-Fuchs ab.

 

Link zur Studie: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37764825/


Weitere Informationen:
Marie-Therese Weiser-Fuchs, BSc, MSc
Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Medizinische Universität Graz
Tel.: +43 316 385 26115
marie.fuchs@medunigraz.at


Steckbrief: Marie-Therese Weiser-Fuchs
Marie-Therese Weiser-Fuchs untersucht im Rahmen ihrer Dissertation den Einfluss des metabolischen Status der Mutter auf die HMO-Zusammensetzung und potenzielle Auswirkungen auf die Gesundheit von Mutter und Kind. Ihr Fokus liegt derzeit auf der Erforschung der Regulation des Glukosemetabolismus in der Schwangerschaft unter Berücksichtigung des Einflusses von HMO. Ein weiteres Interessensgebiet liegt in der Untersuchung der Wirkung von HMO auf Endothelzellen von Schwangeren.

https://www.medunigraz.at/

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