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Assoc. Prof. Dr. Karin Hoffmann-Sommergruber klärt auf: Der richtige Umgang mit Allergien

Von der Vorbeugung bis zur adäquaten (Akut-)Behandlung gibt es für Allergiker einiges zu beachten. So gilt es etwa bei Auftreten eines allergischen Schocks, die verbleibende Zeit bestmöglich zu nutzen. Denn der Weg ins nächste Krankenhaus kann oft schon zu lange sein.


Assoc. Prof. Dr. Karin Hoffmann-Sommergruber, Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung, Medizinische Universität Wien © Österreichische Lungenunion

  

Mit Allergien ist nicht zu spaßen. Sie sind nämlich nicht nur lästig, sondern können auch ernsthafte gesundheitliche Schäden verursachen. So kann sich eine vermeintlich harmlose Allergie zu allergischem Asthma entwickeln. Neue Studien geben nun erste Anhaltspunkte, wie mit dieser Gefahr richtig umzugehen ist. Ein weiteres – oft unterschätztes - Problem im Zusammenhang mit Allergien sind die allergischen Sofortreaktionen (Anaphylaxien), die ohne Akutbehandlung innerhalb von Minuten zum Tod führen können. Hier hilft nur eines: Das entsprechende Wissen, um im Ernstfall richtig reagieren zu können.

Allergien werden heute als Epidemie der Neuzeit beschrieben. 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung sind im Laufe ihres Lebens mit einer allergischen Erkrankung konfrontiert. Die Auslöser – vor allem bei inhalativen Allergien - hängen auch von den geografischen Gegebenheiten ab. In unseren Breiten ist es häufig die Hausstaubmilbe, die im Unterschied zu den Pollen das ganze Jahr über eine Expositionsquelle darstellt. Pollenallergiker sind dagegen nur zu bestimmten Jahreszeiten betroffen, müssen dann aber mit einem sprunghaften Anstieg der Symptome rechnen. Die allergenspezifische Immuntherapie (extraktbasiert) für die häufigsten Inhalationsallergenquellen (Gräserpollen, Hausstaubmilbe, Tierhaare) wird bereits seit langer Zeit angewendet. Dazu gibt es Forschungserfolge für die Herstellung von Immuntherapien bei Gräserpollen, die sich ausschließlich auf ein oder mehrere allergenwirksame Moleküle beziehen und somit ganz gezielt wirken können (im Vergleich zu den bisher üblichen Gesamtextrakten).

Bei Hausstauballergien wird ebenfalls an einer molekülspezifischen Immuntherapie gearbeitet. Hausstauballergiker sollten sich aber auf jeden Fall mit Sanierungsmöglichkeiten im Innenraum – Stichwort „Staubfänger“ – beschäftigen und mit dem Arzt beraten, ob eine Immuntherapie zusätzlich zur Symptomtherapie sinnvoll ist.

  

Messen der Lungenfunktion, um Veränderungen festzustellen

Nicht möglich ist derzeit für den einzelnen Allergiker einen Entwicklungsverlauf der Allergie zu prognostizieren. Es lässt sich mit den heutigen Mitteln weder vorhersagen, welcher Allergiker auch zum Asthmatiker wird, noch in welcher Zeitspanne. Grundsätzlich gilt, dass bei jedem Allergiker in regelmäßigen Abständen ein Lungenfunktionstest gemacht werden sollte, um ein schleichendes Absinken der Lungenfunktion rechtzeitig zu bemerken. So können die Betroffenen auch frühzeitig entsprechende therapeutische Maßnahmen, beispielsweise in Form von niedrig dosiertem Kortison oder einer Immuntherapie ergreifen, um eine Verschlechterung der Lungenfunktion zu verhindern. Gerade bei Kindern ist es besonders wichtig, den Übergang von allergischer Rhinokonjunktivitis zu allergischem Asthma zu verhindern und ihnen damit einen späteren langen Leidensweg zu ersparen.

Immuntherapien stehen heute grundsätzlich in Tablettenform und als Spritzenkur zur Verfügung. Beide Therapieformen sind effektiv und bieten bis zu zehn Jahren Verbesserung der allergischen Symptome.

  

Neue Studienergebnisse

Seit kurzem gibt es Ergebnisse der ersten großen placebokontrollierten Studie zur Asthmaprävention mit einer oralen Allergie-Immuntherapie. Die Studie bestand aus einer dreijährigen Behandlungsphase und einer zweijährigen Nachbeobachtungsphase. Eingeschlossen wurden 812 Kinder im Alter von 5-12 Jahren. Die Studie bestätigte, dass die Behandlung mit Immuntherapeutika die Symptome einer allergischen Rhinokonjunktivitis („Heuschnupfen“) ausgelöst durch Gräserpollen signifikant reduziert. Dieser Effekt hielt noch zwei Jahre nach Abschluss der Behandlung an. Außerdem zeigte die Studie, dass durch die Immuntherapie der Anteil der Kinder, bei denen Asthmasymptome auftraten oder die Asthmamedikamente einnahmen, signifikant reduziert war. Allerdings konnte kein (präventiver) Effekt auf die Zeit bis zur Erstdiagnose einer reversiblen Lungenfunktionsstörung (Asthma-Beginn) nachgewiesen werden.

Es bleibt also die Frage, ob die Immuntherapien allein für die Prävention ausreichen oder ob hier noch weitere Möglichkeiten in Frage kommen werden. Dies werden weitere Studien klären müssen. Die ersten Hinweise – Stichwort Symptom- und Medikamentenreduktion – sind jedenfalls als positiv zu werten.

  

Eingeschränkte Therapiemöglichkeiten bei Nahrungsmittelallergien

Bei Nahrungsmittelallergien gibt es bis heute noch keine zugelassenen Immuntherapien. Derzeit laufen Studien mit Anti-IgE-Biologika kombiniert mit kontrollierter regelmäßiger Aufnahme des allergieauslösenden Nahrungsmittels. Ergebnisse liegen aber noch nicht vor. Nahrungsmittelallergien bergen außerdem häufiger als Pollenallergien die Gefahr eines anaphylaktischen Schocks. Die wichtigsten Auslöser sind Erdnüsse, Baumnüsse, Soja, Milch, Ei und Meeresfrüchte. Bei Milch und Ei geht die Allergie meist im Laufe der Volksschulzeit wieder zurück. Problematisch ist, dass es hier keine generelle kritische Dosis des allergenauslösenden Nahrungsmittels gibt. Bei Hochrisikopatienten (etwa zehn Prozent aller Nahrungsmittelallergiker) lösen schon kleinste Mengen einen schweren allergischen Schock aus. Wer ein solcher Hochrisikopatient ist, lässt sich vor der ersten anaphylaktischen Reaktion allerdings nicht bestimmen.

Vor allem Hochrisikopatienten müssen ganz genau darauf trainiert werden, in welchen Lebensmitteln Spuren eines spezifischen Allergens enthalten sind und wie man diese erkennen kann. Ebenso unerlässlich ist eine Anaphylaxie-Schulung mit dem Adrenalin-Autoinjektor (auch bei Bienen- und Wespenallergikern bzw. Medikamentenallergikern). Das gilt nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das Umfeld (Eltern, Tagesbetreuung, Schulen, etc.), denn im Ernstfall reicht die Zeit oft nicht, um das nächste Spital zu erreichen. Sofort-Reaktionen können innerhalb von 15 Minuten auftreten. Besonders gefährdet sind Kleinkinder und Pubertierende, Erwachsene eher selten. Aufklärung und Schulung sind extrem wichtig. Beides bietet der neue Schulungsfilm der Österreichischen Lungenunion, der von TV-Moderatorin Vera Russwurm gemeinsam mit Experten erstellt wurde.

  

Zufüttern statt vermeiden von allergieauslösenden Lebensmitteln

Im Gegensatz zur gängigen Lehrmeinung von vor 10 Jahren, setzt man heute nicht mehr auf das strikte Vermeiden von potenziell allergieauslösenden Nahrungsmitteln bei Babys und Kleinkindern. Empfohlen wird stattdessen das Zufüttern ab dem vierten Lebensmonat und das schrittweise Einführen von Nahrungsmitteln unter genauer Beobachtung der Verträglichkeit. Durch die schrittweise Exposition wird versucht, die Immuntoleranz des Kindes zu entwickeln. Erste Studienergebnisse z.B. aus der sogenannten LEAP-Studie (Learning Early about Peanuts) unterstützen diese Empfehlungen.

  

Quelle: Assoc. Prof. Dr. Karin Hoffmann-Sommergruber beim Pressegespräch der Österreichischen Lungenunion

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