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Spitalsärzte im Gespräch: es mangelt an Übergangslösungen

CredoMedia traf Spitalsärzte beim Warnstreik und sprach mit ihnen über ihre Forderungen, die Frustration der Wiener Mediziner und die bestehenden Probleme im österreichischen Gesundheitswesen.


CredoMedia: Welche Forderungen müssen für Sie persönlich unbedingt erfüllt werden, damit die Ärzteschaft und der KAV zu einer Lösung kommen?

Ärztin[1]: Vor allem muss der Personalstand so sein, dass wir die Patienten versorgen können – wenn Ärzte vorher 70 Stunden gearbeitet haben und danach noch 48 Stunden arbeiten müssen, dann bedarf es einer Aufstockung an Personal, weil sonst die Leute zwingend schlechter versorgt sind. Falls in Zukunft Nachtdienste zusätzlich gestrichen werden, bedeutet dies, dass ein Sechstel weniger Ärzte in der Nacht präsent sind, wobei gleichzeitig die Notfälle nicht nachlassen, nur weil beschlossen wurde, dass die Arbeitszeiten in den Tag verlagert werden.

CredoMedia: Und wie ist die Stimmung bei Ihnen im Spital?

Ärztin: An der Abteilung gut, aber generell sind alle frustriert, weil wir dauernd im rechtsfreien Raum arbeiten – wenn man länger bleibt, was man inoffizell tut, ist man nicht versichert. Man kann zum Beispiel während einer Saugglockengeburt nicht sagen: „Ah, es ist 18 Uhr, ich gehe jetzt bald!“ – was wiederum bedeutet, dass der Arzt dann nicht versichert ist.

CredoMedia: Es herrscht die Meinung, dass die Unzufriedenheit der Ärzte zum Teil am Leadership im Spital liegt, weil die Forderungen einfach nicht kommuniziert und mit dem Team besprochen worden sind? Was halten Sie davon?

Ärztin: Ich glaube, dass viele Probleme damit zusammenhängen, dass es keine Übergangslösungen gibt – denke man beispielsweise an die Krankenschwestern, die einen Dienstplan bereits vier Monate im Vorhinein mit den Schichtbetrieben planen und dann an uns, wo angeschafft wird, dass dies erst sechs Wochen im Voraus geschieht, wobei bereits stehende Urlaubspläne dabei ins Wasser fallen – das ist einfach eine Zumutung. Dazu kommt noch, dass die Organisation fürchterlich ist und es in Wirklichkeit keine Unterstützung gibt. Die Vorgabe muss letztlich umgesetzt werden, wie dies geschieht dürfen wir uns dann untereinander ausschnapsen.

CredoMedia: Glauben Sie, dass ein Kompromiss bzw. eine Lösung gefunden werden kann?

Ärztin: Ich weiß es nicht, ich glaube eine erste Reaktionlösung wäre zuzugeben was das wahre Problem ist – nämlich das kein Geld mehr da ist. Und solange niemand offen darüber spricht, wird sich auch schwerlich eine Lösung finden lassen.

CredoMedia: Und haben Sie Ideen dazu, wo Geld gespart werden kann, damit wieder mehr Geld für das Spitalswesen frei ist?

Ärztin: Diese Frage ist schwer zu beantworten, allerdings glaube ich, dass die richtige Lösung keinesfalls damit verbunden ist, beim ärztlichen oder beim Pflegepersonal einzusparen. Vielleicht steckt Einsparungspotenzial unter anderem in der Verwaltung, wo die Kosten massiv angestiegen sind sowie bei den Beratungskosten – die Generaldirektion hat Unsummen dafür ausgegeben, um neue Modelle, die eigentlich ganz schlecht sind, zu implementieren – ein kleines Beispiel dafür: es wurde der Posten eines Abwesenheitsmanagers eingeführt, der darauf achten sollte, wann die Leute nicht da sind – dass es dafür Geld gibt und stattdessen für die Patienten nicht, ist einfach nur enttäuschend.

CredoMedia: Und glauben Sie, dass es einen länger andauernden Streik geben wird bzw. wie geht es dann weiter?

Ärztin: Ich weiß es nicht, bin aber der Meinung, dass es nicht so wie dargestellt eine enorme Verschlechterung der Patientenversorgung bedeutet, wenn nämlich zu Weihnachten eine Woche überall zu ist und auf Dienstbetrieb umgestellt wird, sind die Patienten deswegen auch nicht dramatisch unterversorgt. Das wird immer hoch gespielt, aber in Wirklichkeit ist heute für die Patienten ein Tag wie jeder andere Sonn- oder Feiertag.

CredoMedia: Gutes Argument, vielen Dank!

*Das Interview führten Christina Kolin und Simona Ganeva

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[1] Fachärztin für Gynäkologie an einem der am Streik teilnehmenden Spitälern.

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