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WHO-Empfehlung für TB-Kurzzeittherapie macht in Europa keinen Sinn

Tuberkulose-Bakterien sind meist gegen eines der Medikamente bereits resistent


Die WHO empfiehlt seit Mai 2016 bei einer multiresistenten Tuberkulose (MDR-TB) eine Kurzzeittherapie, wenn die Bakterien gegen alle eingesetzten Medikamente empfindlich sind. In Europa zeigt diese Therapie aber selten Erfolg. Das haben Forscher des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) in Borstel laut einem Artikel im "American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine" herausgefunden.

Die WHO hat bisher empfohlen, dass Patienten mit einer MDR-TB mit mindestens vier verschiedenen Medikamenten über mindestens 20 Monate täglich behandelt werden. In Studien aus Bangladesch, Niger und Kamerun stellte sich jedoch heraus, dass mit einer bestimmten Kombinationstherapie von Tuberkulosemedikamenten (anfänglich sieben verschiedene Präparate in Kombination) nur neun bis zwölf Monate einer Behandlung ausreichen, um mehr als 80 Prozent aller betroffenen Patienten zu heilen. Die WHO sprach daher im Mai 2016 eine neue Empfehlung aus.

Im Fokus: multiresistente Tuberkulose-Stämme

Die DZIF-Wissenschaftler haben in den vergangenen Jahren die Ausbreitung multiresistenter Tuberkulose-Stämme genauer untersucht und dabei festgestellt, dass die Bakterien, die sich in Europa verbreiten, gegen besonders viele Antibiotika resistent sind. Sie verglichen nun das Niveau der Antibiotikaresistenz von Tuberkulosebakterien bei mehr als 1.000 MDR-TB-Patienten aus Europa.

Es stellte sich heraus, dass über 92 Prozent aller betroffenen Patienten in Europa nicht für die Kurzzeittherapie in Frage kommen, da die Bakterien gegen mindestens eines der Medikamente bereits resistent sind. "Ohne detaillierte Kenntnisse der Antibiotikaresistenz der Tuberkulosebakterien sollte kein Patient in Europa eine Kurzzeittherapie erhalten", empfiehlt daher Studienleiter Christoph Lange. "Wenn einzelne Medikamente in einer Therapie nicht wirksam sind, führt das zu einer weiteren Entwicklung von Antibiotikaresistenzen. Statt einer einheitlichen Behandlung führen individuelle Therapien zu besseren Behandlungsergebnissen", betont Lange.

Quelle: American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine/APA

Bildquelle: FZ Borstel/Lange

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