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Darm und Rheuma: die Schnittstellen

Darm und Rheuma: die Schnittstellen

Der Darm ist eine wichtige Schnittstelle für Entzündungen im Körper – Darmerkrankungen und Darmbakterien können unter anderem als Trigger rheumatologischer Erkrankungen wirken.


Mikrobiom und Darmflora

Das intestinale Mikrobiom besteht aus mindestens 10^14 Bakterien (fast 95 Prozent davon sind Anaerobier), Pilzen und Viren. Im Darmlumen sind bis zu 2000 verschiedene Bakterienstämme genetisch nachgewiesen, hier spricht man vom sogenannten Darmmikrobiom. Darm-Mikroorganismen dürften in der Auslösung entzündlicher Darmerkrankungen eine wichtige Rolle spielen; damit zusammenhängende Entzündungsvorgänge können aber auch andere Organsysteme betreffen, so z.B. Autoimmunerkrankungen. Rheuma-Patienten haben beispielsweise häufig bereits in jungen Jahren fortgeschrittene Zahnfleischentzündungen.

Und auch die Darmflora steht seit langem im Verdacht, das Immunsystem z.B. bei der rheumatoiden Arthritis auf den Plan zu rufen. Allerdings konnte ein Großteil dieser Bakterien nicht oder nur sehr schwer im Labor kultiviert werden, sodass erst genetische Analysen Zusammenhänge aufdecken konnten. Die reaktive Arthritis ist eine asymmetrische Entzündung meist großer Gelenke, die einige Wochen nach bakteriell ausgelösten Durchfallserkrankungen auftritt. Im Darm von Patienten mit Rheuma machten Bakterien aus der Familie Prevotella 38 Prozent der Mikroben aus, in der Kontrollgruppe waren es nur 4,3 Prozent. Auch in der Mundhöhle fand man ein Übermaß an Prevotella-Bakterien, sodass Keime der Mundhöhle überhaupt als Auslöser diskutiert wurden. 

Darm als „Schnittstelle“ der Entzündung

Die innere Oberfläche der Darmschleimhaut ist in der Regel steril; die darüberliegende Mukusschicht ist für die meisten Bakterien undurchlässig und eine Immunstimulation daher nicht wahrscheinlich. Bei Schädigung der Darmbarriere, die Darminhalt und innere Oberfläche trennt, kann allerdings eine immunologische Interaktion zwischen dem Darmlumen und der Mukusschicht auftreten.

 

Obwohl die Störung der Darmbarriere erst seit kurzem systematisch untersucht wird, ist ein Zusammenhang einer gestörten Barriere mit Entzündungen evident. Durch den Verlust der Barrierefunktion sowie den Einfluss genetischer und Umweltfaktoren kommt es zur lokalen Inflammation, welche sich bei entsprechender genetischer Disposition lokal und/oder systemisch ausweiten kann. Die Interaktion zwischen Inflammation und Umweltfaktoren sowie mit vielen Organfunktionen (z.B. mit dem intestinalen Fettgewebe) resultiert unter anderem in Gelenksentzündung.

 

Eine gestörte Darmbarriere wird oft als Auslöser für Darm- und extraintestinale Entzündungen diskutiert. Dabei können chronische Krankheiten wie bspw. Allergien, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie etwa Morbus Crohn sowie rheumatologische Erkrankungen ausgelöst werden.

Rheumatologische Symptome bei gastroenterologischen Erkrankungen

Diverse rheumatologische Erkrankungen hängen mit entzündlichen Darmerkrankungen zusammen – zum Beispiel treten entzündliche Gelenkserkrankungen wie etwa Spondylarthritis, Sacroiliitis etc. im Zusammenhang mit entzündlichen Schüben des Morbus Crohn (chronisch-granulomatöse Darmentzündung) auf, die im gesamtem Verdauungstrakt auftreten kann. Am häufigsten finden sich diese Manifestationen bei einem Dickdarmbefall durch M. Crohn. Auch bei Colitis Ulcerosa können – ähnlich wie bei M. Crohn – Gelenksentzündungen auftreten. Bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen können auch Augen (Uveitis, Skleritis), Haut (Erythema Nodosum, Pyoderma Gangraenosum) und weitere Organe befallen werden. Gelenksschmerzen sowie rheumatoide Arthritis, aber auch Psoriasis-Arthritis können auch bei vorhandener Zöliakie (Glutenunverträglichkeit, die sowohl Merkmale einer Allergie als auch einer Autoimmunerkrankung aufweist) vorkommen.

Rheuma und Darmerkrankungen: die Schnittstellen im Überblick

  • Es existieren pathophysiologische Gemeinsamkeiten zwischen entzündlichen Gelenks- und Darmerkrankungen.
  • Therapeutisch wird eine Analogie durch die gemeinsame Wirksamkeit vieler Medikamente, insbesondere TNFa-Antagonisten, Steroide und Sulfasalazin bestätigt.
  • Das genetische Risiko für beide Krankheitsgruppen ist häufig kombiniert.
  • Eine direkte Korrelation zwischen Gelenks- und Darmentzündung ist nicht immer vorhanden.
  • Die Darmbarriere dürfte eine große Rolle spielen; ihre Schädigung durch den Einsatz nicht-steroidaler Rheumamedikamente wird in der Praxis oft nicht berücksichtigt.
  • Der Zusammenhang Rheuma – Darm – Mikrobiom verspricht noch viele aufregende Entwicklungen.

Header-Bild: Copyright © 2017, Hartford Courant

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