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Weltkrebstag 2017: Paradigmenwechsel in der zielgerichteten Krebstherapie

Weltkrebstag 2017: Paradigmenwechsel in der zielgerichteten Krebstherapie

Innovative Substanzen verbessern Prognose und Lebensqualität. ExpertInnen sprechen von einer "Revolution in der Onkologie". Krebstag im Wiener Rathaus am 14. Februar 2017. Neue Broschüre "Krebs und Beruf" mit Details zum neuen "Wiedereingliederungsteilzeitgesetz" - ab März erhältlich.


Die medizinische Forschung hat in der Krebstherapie in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte erzielt. Fast vierteljährlich werden neue Therapien zugelassen bzw. das Einsatzgebiet der innovativen Immuntherapie um weitere Tumorarten ergänzt. Somit wird die Lebenserwartung der PatientInnen deutlich verlängert und ihre Lebensqualität signifikant verbessert. ExpertInnen sprechen von einer "Revolution in der Onkologie".
 
In vielen Bereichen der Tumortherapie fanden in jüngster Zeit enorme Entwicklungen statt. Beispielsweise läuft in der Behandlung von Tumoren des Urogenitaltraktes derzeit ein Paradigmenwechsel – diese Tumore sind wesentlich besser behandelbar als noch vor wenigen Jahren. "In Abhängigkeit von der Tumorart ist heute Langzeitüberleben auch in fortgeschrittenen Stadien möglich, die früher in kürzester Zeit zum Tod geführt haben", berichtet Univ.-Prof. Dr. Manuela Schmidinger, Univ. Klinik für Innere Medizin I und Klin. Abteilung für Onkologie, Programmdirektorin Metastasiertes Nierenzellkarzinom, MedUni Wien/AKH Wien.

Beispiel Blasenkarzinom

Manuela Schmidinger © feel image - Fotografie e.U. Felicitas MaternAktuellstes Beispiel ist das Blasenkarzinom, der neunthäufigste Tumor des Menschen (http://www.wcrf.org/int/cancer-facts-figures/data-specific-cancers/bladder-cancer-statistics). Bisher bestand die Erstlinientherapie bei Metastasierung aus platinhältigen Chemotherapien, viele PatientInnen sind jedoch nicht einmal zu Behandlungsbeginn fit genug dafür. Nach Versagen dieser Therapie standen bisher kaum wirksame Optionen zur Verfügung. Daher war das metastasierte Urothelialkarzinom bisher mit einer schlechten Prognose verbunden.
Nach mehr als 30 Jahren ohne wesentliche Behandlungsfortschritte brachte die Entwicklung des Immuntherapeutikums Atezolizumab einen dramatischen Durchbruch. Der monoklonale Antikörper gegen das Protein PD-L1 (programmed death-ligand 1) bindet direkt an das auf Tumorzellen und tumorinfiltrierenden Immunzellen exprimierte PD-L1 und blockiert dessen Wechselwirkungen mit den PD-1 und B7.1-Rezeptoren. Dadurch kommt es wahrscheinlich zur Aktivierung von T-Zellen.
"In Europa ist Atezolizumab derzeit noch nicht zugelassen", so Prof. Schmidinger. Aufgrund der positiven Studiendaten aus der Phase-II-Studie IMvigor 210 (Clinicaltrials.gov. NCT02108652. Accessed June 27, 2016) hat jedoch bereits die US-amerikanische FDA (Food and Drug Administration) bereits erste Schritte gesetzt und eine beschleunigte Zulassung von Atezolizumab für die Behandlung von PatientInnen mit bestimmten Formen von lokal fortgeschrittenem oder metastasierendem urothelialen Karzinom erteilt.
Prof. Schmidinger ist optimistisch, dass sich die Prognose urologischer Tumoren weiter dramatisch verbessern wird: "Durch Kombination der besten Strategien wird die Zukunft urologischer Therapien noch wesentlich vielversprechender. Dabei kann die Immuntherapie sowohl mit etablierten zielgerichteten Therapien als auch mit Strahlentherapie positive, teilweise auch synergistische Effekte erzielen."

Comprehensive Cancer Center (CCC) an der MedUni Wien und dem AKH

Christoph Zielinski © MedUni WienEinen zentralen Beitrag zu den stetigen Verbesserungen in der Krebsbehandlung leistet das CCC der Medizinischen Universität Wien und des Allgemeinen Krankenhauses unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Dr.h.c. Christoph Zielinski, Leiter der Univ. Klinik für Innere Medizin I sowie der Klinischen Abteilung für Onkologie. Das 2010 gegründete CCC vernetzt alle Berufsgruppen der MedUni Wien und des AKH Wien, die KrebspatientInnen behandeln, Krebserkrankungen erforschen und in der Lehre bzw. der Ausbildung in diesem Bereich aktiv sind. Wesentliche Pfeiler sind hierbei u.a. Tumorboards. „Diese stellen die Basis interprofessioneller Therapieempfehlungen in der Onkologie dar und sind Schlüssel zu einer individuellen, bestmöglich abgestimmten Versorgung jeder einzelnen Patientin und jedes einzelnen Patienten unter Einschluss des Wissens aller um die jeweilige Erkrankung sich rankenden Disziplinen", erklärt Prof. Zielinski.
Des Weiteren wurden sogenannte "Units" errichtet, die den Bogen zwischen der klinischen Versorgung von PatientInnen mit bestimmten Krebsarten, der klinischen Forschung und der Grundlagenforschung spannen sollen. Darüber hinaus wurde die Plattform für "personalisierte Medizin in der Onkologie" (Molecular Diagnostics and Treatment in Oncology) etabliert. Diese bündelt die Expertise zur individualisierten Behandlung und fördert die Forschungsbemühungen auf diesem Gebiet.

Unterstützung im Berufsleben

Paul Sevelda © privatPatientInnen leben trotz bzw. mit ihrer Tumorerkrankung deutlich länger als vor zehn, zwanzig Jahren. Moderne personalisierte Therapien werden die Chancen auf ein Langzeitüberleben weiter steigern. "Und damit rückt – neben dem Überleben – ein neuer Aspekt immer mehr in den Blickwinkel: die Lebensqualität und das Leben mit Krebs im Alltag", betont Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda, Vorstand der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe im Krankenhaus Wien-Hietzing, Präsident der Österreichischen Krebshilfe.
Viele Menschen mit Krebs stehen mitten im Berufsleben. Die meisten sind während der Behandlung nicht in der Lage, ihrer Tätigkeit wie bisher nachzugehen. In der ersten Zeit der Erkrankung ist es notwendig und verständlich, dass die medizinische Behandlung, der Verlauf und die Wirksamkeit der Therapie im Mittelpunkt des Interesses der PatientInnen stehen. Berufspausen sind aber meist unumgänglich. Betroffene erleben in dieser Phase existenzielle sowie berufliche Unsicherheiten. "In den Krebshilfe-Beratungsstellen verzeichnen wir ein deutliches Ansteigen an der Notwendigkeit spezieller Beratungen zum Thema ‚Krebs und Beruf‘", so Prof. Sevelda.
 
Viele PatientInnen würden gerne nach der Therapie ihre Arbeit wiederaufnehmen, können aber ihre volle Leistung noch nicht erbringen. Bis dato wurden sie faktisch gezwungen, solange im Krankenstand zu verbleiben, bis sie zu 100 Prozent einsatzfähig sind. Es gab aber auch viele KrebspatientInnen die zu 100 Prozent arbeiten gingen, obwohl sie sich erst zu 50 Prozent einsatzfähig fühlten und sich damit überforderten. Die Österreichische Krebshilfe hat deshalb die Bundesregierung aufgefordert, die Möglichkeit eines "Teilzeitkrankenstandes" in das Regierungsprogramm aufzunehmen. Nach sieben Jahren zäher Verhandlungen wurde die Wiedereingliederungsteilzeit Ende 2016 gesetzlich verabschiedet und tritt mit 1. Juli 2017 in Kraft. Damit besteht die Möglichkeit, eine Herabsetzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit für die Dauer von ein bis sechs Monaten mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren – mit einer einmaligen Verlängerungsmöglichkeit (bis zu drei Monaten). Patienten haben – sofern sie sich in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis befinden und dieses davor mindestens drei Monate angedauert hat – die Möglichkeit, so schrittweise in den Arbeitsprozess zurückzukehren und sich stufenweise an die Anforderungen des Berufsalltages anzunähern.

Krebstag im Wiener Rathaus: 14. Februar 2017

Gabriela Kornek © Sabine GruberAufklärung, Information und Erfahrungsaustausch sind für Krebspatienten und ihre Angehörigen besonders wichtig. Der Verein "Leben mit Krebs" lädt daher auch 2017 wieder zum Krebstag ins Wiener Rathaus. Am Dienstag, 14. Februar, 10-15 Uhr, bieten namhaften ReferentInnen bei freiem Eintritt ein umfassendes Vortragsprogramm inklusive einer Podiumsdiskussion zum Thema "Krebs 2020". „Das breite Spektrum der Therapiemöglichkeiten bei Krebserkrankungen von Brust, Lunge, Haut, Prostata, Darm, Niere, Knochenmark und Lymphsystem stehen auf dem Programm. Aber auch begleitende Themen wie Ernährung und Rehabilitation bei Krebs werden angesprochen", erklärt Univ.-Prof. Dr. Gabriela Kornek, Präsidentin des Vereins "Leben mit Krebs" und Ärztliche Direktorin des AKH Wien. Und nicht nur medizinische ExpertInnen bieten am Krebstag Informationen aus erster Hand, auch Mitglieder der Selbsthilfegruppen wie z.B. Europa Donna Austria, Mamma Mia – Selbsthilfe bei Brustkrebs, Multiples Myelom Selbsthilfe, Plattform Hodenkrebs und Selbsthilfe Prostatakrebs stehen vor Ort für persönliche Fragen zur Verfügung. Parallel zum Publikumstag findet auch eine Ärztefortbildung zum Thema Immuntherapie statt.

Weitere Infos:

Krebstag 14. Februar 2017:
http://www.leben-mit-krebs.at
 
Neue Broschüre "Krebs und Beruf":
Ausführliche Informationen rund um das Thema "Krebs und Beruf" sowie die Voraussetzungen und Details zum neuen "Wiedereingliederungsteilzeitgesetz" hat die Krebshilfe in Zusammenarbeit mit dem Sozialministerium und dem Gesundheitsministerium in einer gleichnamigen, neuen Broschüre zusammengestellt.
Ab Anfang März ist sie unter http://www.krebshilfe.net kostenlos bestellbar.
 
Comprehensive Cancer Center (CCC) an der MedUni Wien und dem AKH:
http://www.ccc.ac.at

 

Bildinformationen:

Titelbild:
Univ.-Prof. Dr. Manuela Schmidinger (Univ.-Klinik für Innere Medizin I und Klin. Abteilung für Onkologie, Programmdirektorin Metastasiertes Nierenzellkarzinom, MedUni Wien/AKH Wien), Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda (Vorstand der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe im Krankenhaus Wien-Hietzing, Präsident der Österreichischen Krebshilfe), Univ.-Prof. Dr. Gabriela Kornek (Präsidentin des Vereins "Leben mit Krebs" und Ärztliche Direktorin des AKH Wien) und Univ.-Prof. Dr. Dr.h.c. Christoph Zielinski (Leiter der Univ.-Klinik für Innere Medizin I, Leiter der Klinischen Abteilung für Onkologie und Leiter des Comprehensive Cancer Center der MedUni Wien/AKH Wien)
Copyright: wdw

Christoph Zielinski © MedUni Wien

Manuela Schmidinger © feel image - Fotografie e.U. Felicitas Matern
     
Paul Sevelda © privat

Gabriela Kornek © Sabine Gruber

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