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"FRECH - Frauen ergreifen Chancen" diesmal mit Internistin Dr. Scholten

"FRECH - Frauen ergreifen Chancen" diesmal mit Internistin Dr. Scholten

Das Alternativprogramm zum Opernball am 23.02. lieferte der waff: zum 2. FRECH Talk lud man die Internistin Dr. Christine Scholten ein. Sie wurde 2015 mit dem Wiener Frauenpreis für die Initiative „Nachbarinnen“ ausgezeichnet.


Sie war die Stargästin des Abends: Dr. Christine Scholten - Ärztin aus Leidenschaft und Mitbegründerin des Vereins Nachbarinnen. Im Rahmen des vom waff (Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfond) organisierten 2. FRECH Talks*, der am 23.02.2017 stattfand, erzählte Frau Dr. Scholten Geschichten aus ihrem bewegten Leben. Das Potenzial in anderen Menschen erwecken; mit Schwierigkeiten und Rückschlägen umgehen; nach einer bestimmten Taktik vorgehen, um sich selbstständig zu machen - das waren nur einige der Themen, die eine lebhafte anschließende Diskussion auslösten.

"Ärztin am Land" wollte sie eigentlich werden - und bewarb sich selbstbewusst in Niederösterreich für ausgeschriebene Kassenarztstellen. "65 Bewerbungen waren es an der Zahl", sie weiß es noch genau, und als sie um wiederholten Male zum Bürgermeister eines kleinen Städtchens eingeladen wurde und wieder mal zu hören bekam "Wir nehmen nur ungern Frauen", da platzte ihr der Kragen.

Frech sein zahlt sich aus!

sagte sie, denn kurze Zeit später verhalf ihr genau dieser "Grobian" zu einem Vorstellungsgespräch im AKH Wien. 15 Jahre war sie dort angestellt bevor sie sich entschloß im 10. Wiener Gemeindebezirk eine Praxis zu eröffnen. Und wieder mal war sie mit der Thematik "Männer" konfrontiert. Viele türkische Männer wollten partout dabei sein, wenn ihre Frauen untersucht werden. "Inzwischen kann ich das perfekt auf Türkisch sagen: Bitte verlassen sie den Raum - ich möchte Ihre Frau alleine untersuchen", erzählt die lebenslustige Frau Dr. Scholten. Ihre Ordinationsassistentinnen waren großteils aus der Türkei. Die Kopftuchdebatte kann sie gar nicht nachvollziehen, denn Migration, Integration, und sich auf fremde Kulturen einzulassen gehört für Sie zum Leben dazu.

12 Jahre später lernte sie Frau Renate Schneeberg kennen - eine Seelenverwandte, mit der sie gemeinsam den Verein "Nachbarinnen" gründete. Ein kurzes Interview dazu:

CredoMedia: Was bedeutet für Sie „Nachbarschaft“ bzw. warum heißt die Initiative „Nachbarinnen“?

Dr. Christine Scholten: Nachbarschaft bedeutet, dass man rund um sich herum schauen geht, ob jemand etwas braucht bzw. wenn man selbst etwas braucht rund um sich schaut, ob man Hilfe findet. Der Begriff ist bei uns mittlerweile in Vergessenheit geraten, weil wir oft so aufwachsen, dass wir über Jahre gar nicht wissen, wen wir als Nachbar haben – dagegen legen die Familien, mit welchen wir in dem Verein arbeiten, jedoch einen großen Wert auf die Nachbarschaft. In diesem Sinne leisten wir im Rahmen der Initiative Nachbarinnen aufsuchende Sozialarbeit, die sich gut mit „Nachbarschaft“ erklären lässt – man geht und schaut, ob jemand etwas braucht und bringt, was man bringen kann.

CredoMedia: Was können wir von unseren Nachbarinnen lernen?

Dr. Christine Scholten: Alles, was die Nachbarinnen können - man sollte nur daran interessiert sein! Dafür könnte man selbstverständlich auch etwas zurückgeben.

CredoMedia: Womit beschäftigt sich der Verein Nachbarinnen?

Dr. Christine Scholten: Die Initiative setzt sich mit Lebenssituationen auseinander, bei welchen keine Perspektive mehr da ist. Der Verein unterstützt etwa 300 benachteiligte Familien im Jahr und will Menschen durch die Formulierung von neuen, vielfältigen Zielen Freiheit zeigen. Zudem fördert der Verein die nachhaltige Integration von Familien, die aus anderen Ländern kommen und zum Teil in präkeren Situationen leben.

CredoMedia: Sind Sie der Meinung, dass Menschen, die unter der Armutsgrenze in Österreich leben, eine angemessene medizinische Versorgung bekommen?

Dr. Christine Scholten: Nein, in diesem Bereich besteht definitiv Verbesserungsbedarf.

* Zu den vom waff orgnisierten FRECH TALKS werden erfolgreiche Frauen aus Politik, Wirtschaft, dem Sozialbereich und anderen Bereichen eingeladen, um aus ihrem Berufsleben und über ihre Erfahrungen zu erzählen. Den Frauen bietet es vor allem auch die Möglichkeit, wichtige Netzwerke zu knüpfen. Nähere Infos

Text: Christina Kolin / Simona Ganeva; Fotocredit: Alexandra Kromus

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