Morbus Bechterew

8 Follower

Morbus Bechterew (Spondylitits ankylosans) ist eine Arthritisform, bei welcher es zu einem Befall der Wirbelsäule kommt. Typisch sind Wirbelentzündungen sowie Sakroilitis – entzündliche Veränderungen im Bereich der Kreuz-Darmbein-Gelenke. Es entstehen tief sitzende Rückenschmerzen, Gesäßschmerzen und morgendliche Rückensteifigkeit. Die Wirbel wachsen zusammen, wodurch sich eine Versteifung der Wirbelsäule entwickelt. Diese Veränderungen können mild oder stark ausgeprägt sein und zu einer gebeugten Körperhaltung führen. Periphere Gelenke sind eher selten betroffen. Die Bechterewsche Krankheit zählt zu den Autoimmunerkrankungen – durch eine Fehlfunktion des Immunsystems werden Entzündungsprozesse im Körper hervorgerufen – und kann zu einer beträchtlichen Einschränkung der Lebensqualität, bis hin zur völligen Arbeitsunfähigkeit führen. Umso wichtiger ist es, dass die Krankheit rechzeitig behandelt wird und der Patient somit den Krankheitsverlauf entscheidend beeinflussen kann.

 

Frühzeitige Diagnose und Therapie helfen, die Schmerzsymptomatik und die Steifheit zu kontrollieren sowie signifikante Deformitäten zu verringern bzw. zu verhindern. Die Einhaltung einer speziellen Bewegungstherapie ist für PatientInnen eine wichtige Voraussetzung, um den Rücken zu stärken, die Schmerzen zu reduzieren, die Entzündungen zu bekämpfen und schließlich die Beweglichkeit zu erhalten. Diese Therapie unterscheidet sich je nach Zustand des Patienten. Empfehlungen dazu können nur von dem behandelnden Arzt ausgesprochen werden, weil er das individuelle Krankheitsbild am besten kennt. In fortgeschrittenen Stadien dieser chronisch-entzündlichen rheumatischen Erkrankung kann auch die Funktion von Nieren, Lunge, Nervensystem und Herz gefährdet sein.

Bechterew Symptome
So erkennen Sie eine Spondylitits ankylosans.

Symptome

Erste unspezifische Anzeichen sind meist Rücken, Hüft-, Knie- oder Schulterschmerzen, häufig begleitet von Gewichtsverlust, Stimmungsschwankungen und Müdigkeit. Besonders der untere Rücken sowie die Sakroiliakalgelenke (Verbindung zwischen Wirbelsäule und Becke) sind oft betroffen, der Schmerz strahlt in das Gesäß und in die Oberschenkel aus. Im Spätstadium können Verknöcherungen zwischen den Wirbelkörpern entstehen – bis hin zur kompletten Versteifung der Wirbelsäule. Neben den Gelenken der Wirbelsäule können auch andere Gelenke und Sehnenansätze befallen werden, ebenso die Regenbogenhaut des Auges. Häufig entwickeln unbehandelte Patienten eine typische Körperhaltung: die Lendenwirbelsäule verliert ihre natürliche geschwungene Form, wird gerade, die Brustwirbelsäule krümmt sich, es entsteht ein Buckel (Kyphose). Hinzu kann es auch zu Engpässen in der Halswirbelsäule kommen. Dem Krankheitsverlauf kann eine Vielzahl von untypischen Beschwerden wie etwa Rücken- und Gelenkschmerzen, vorausgehen, die nicht nur bei der Bechterewschen Krankheit, sondern auch bei anderen Erkrankungen auftreten.

 

Da die Rippen-Wirbel-Gelenke betroffen sind, können Brustschmerzen auftreten, die sich bei Bewegung und durch eine tiefe Atmung verstärken. Gegebenenfalls können Schmerzen und Steifheit im Bereich des Beckenbodens und im Gesäßbereich entstehen. Seltener kann die Bechterewsche Krankheit mit allgemeiner Schwäche, Gelenk-, Muskel- und Sehnenschmerzen am ganzen Körper und einem leichten Fieber (38°C) einhergehen. Im frühen Stadium kann eine Spondylitis ankylosans mit Diskopathie, Ischias, Exostose oder Radikulitis verwechselt werden. Möglicherweise kann die Erkrankung auch mit anderen, durch Infektionen verursachten Krankheiten, verwechselt werden.

 

Die Krankheit kann kontinuierlich aktiv sein, aber auch in Schüben, mit längeren beschwerdefreien Intervallen verlaufen – vor allem in Ruhephasen treten die Beschwerden auf, weshalb sie in der Nacht und den frühen Morgenstunden am stärksten sind. Betroffene sind vor allem nach dem Aufstehen in der Früh in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt. Schweregrad und Verlauf lassen sich allerdings nicht immer bei jedem einzelnen Patienten genau vorhersagen. Grundsätzlich gilt: je früher man die Entzündung in den Griff bekommt, desto besser ist die Langzeitprognose.

 

Entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil ist Morbus Bechterew keine typische Alterskrankheit. Die ersten Symptome treten am häufigsten zwischen dem 20. und dem 35. Lebensjahr auf. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 26 Jahren. In Österreich leiden rund 60.000 Menschen an chronisch-entzündlichem Rückenschmerz - betroffen sind oft sehr junge Menschen, wobei Männer rund drei Mal so häufig wie Frauen erkranken. Bei rechtzeitiger Behandlung könnten Schmerzen der rheumatischen Versteifung gelindert und die Lebensqualität erhalten werden.

Zu den typischen Beschwerden gehören:

  • Schmerzen und Steifheit in der Lendenwirbelsäule;
  • Rückenschmerzen;
  • Morgensteifheit;
  • Steifheit in der Brustwirbelsäule, die die Atmung erschwert.

Wie wird die Diagnose gestellt?

Die Diagnose ankylosierende Spondylitis (AS) wird in der Regel von einem Rheumatologen oder einer Rheumatologin gestellt. Im Rahmen eines ausführlichen Anamnesegespächs werden medizinisch relevante Informationen zu der Krankengeschichte des Patienten sowie zu gesundheitlichen Vorbelastungen in seiner Familie gesammelt und dokumentiert. Zunächst werden eine umfassende körperliche Untersuchung sowie einen Bluttest durchgeführt. Durch den Nachweis einer Sakroiliitis mittels bildgebender Verfahren wie etwa Magnetresonanztomografie (MRT) und/oder Röntgenaufnahmen kann die Diagnose bestätigt werden.

Wirbelsäule bei Bechterew
Im Spätstadium kann die chronisch-entzündliche Erkrankung zur völligen Versteifung der Wirbelsäule führen.

Physische Untersuchung

Bei der körperlichen Untersuchung wird vom Facharzt/von der Fachärztin in erster Linie die Provokation von Schmerzen an Wirbelsäule, Beckenboden, Brust, an den Iliosakralgelenken und den Fersen untersucht. Überdies wird überprüft, ob die Atembreite eingeschränkt und die Beweglichkeit im Brust- und Lendenbereich vermindert ist.

 

Bei der körperlichen Untersuchung werden folgende Punkte beachtet:

 

  • Patientenalter: üblicherweise sind Bechterew-Kranken jünger als 45 Jahre;
  • Dauer der Beschwerden: ob Schmerzen länger als 3 Monate bestehen;
  • Krankengeschichte und familiäre Belastung (gab es in der Familie bereits Fälle von Morbus Bechterew oder anderen Autoimmunerkrankungen);
  • ob die Rückenschmerzen und das Steifheitsgefühl sich in Ruhe verstärken und durch Bewegung bessern;
  • ob Schmerzen auch im Schlaf verspürt werden;
  • ob der Schmerz durch nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) beeinflusst wird;
  • ob Rötungen oder Schmerzen am Auge und/oder Sehstörungen bestehen – auf Uveitis untersuchen;
  • Abklären, ob chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa vorliegen.
Symptome bei Bechterew
Typisches Symptom: über Monate anhaltender, tief sitzender Rückenschmerz

Bechterewsche Krankheit: Diagnostik

Der Nachweis des HLA-B27-Antigens im Blut, das durch einen Labortest bestimmt wird, kann bei der Diagnosestellung helfen. Die Prävalenz des HLA-B27-Antigens in der Bevölkerung beträgt rund 8%. Davon entwickeln aber nur ca. 2% der HLA-B27-positive Menschen eine Spondylitis ankylosans. Die HLA-B27-Bestimmung ist daher kein Suchtest auf M. Bechterew, sondern nur sinnvoll, wenn man schon genug andere Hinweise auf einen Morbus Bechterew hat. Manchmal lassen sich im Blut der PatientInnen erhöhte Entzündungswerte (wie das C-reaktive Protein oder die Blutkörperchensenkung) feststellen. Diese sind allerdings nicht bei allen PatientInnen erhöht und können außerdem auch durch andere Krankheiten erhöht sein. 

 

Folgende Untersuchungen sind notwendig, um die Erkrankung zu diagnostizieren oder auszuschließen:

 

  • Blutbild: um die Blutsenkung und das CRP (C-reaktives Protein), die als Entzündungsmarker gelten, zu messen;
  • Röntgenbild der Wirbelsäule;
  • Kernmagnetische Resonanz der Iliosakralgelenke;
  • Labortest auf das HLA-B27-Antigen.
Bechterew Untersuchung
Die Spondylitis ankylosans zeigt sich im konventionellen Röntgenbild erst im fortgeschrittenen Stadium.

Epidemiologie

In Österreich leiden rund 60.000 Menschen an chronisch-entzündlichem Rückenschmerz, doch nur ein Viertel weiß von der Krankheit, weil die Autoimmunkrankheit erst nach Jahren nach Auftreten der ersten Symptome diagnostiziert wird. Entzündliche Rückenschmerzen entwickeln sich oft schleichend. Betroffen sind oft sehr junge Menschen.

Bechterew bei Frauen

Es wird angenommen, dass Männer ca. drei Mal so häufig wie Frauen an axialer Spondyloarthritis erkranken. Die Krankheit wird bei Frauen wegen der untypischen Ausprägung der Symptome allerdings seltener diagnostiziert. In der Regel liegt der Erkrankungsgipfel zwischen dem 16. und 36. Lebensjahr.

Behandlung des Morbus Bechterew

Die Krankheit kann nicht geheilt werden, bei früher Diagnose können die Betroffenen damit rechnen, dass das Fortschreiten der Erkrankung zumindest aufgehalten und eine weitgehend ungestörte Lebensqualität aufrechterhalten werden kann. In der Behandlung des Morbus Bechterew steht die Bewegungstherapie neben der entzündungshemmenden Schmerztherapie ganz oben – sie dämmt das Fortschreiten der Verkrümmung und Versteifung ein. Die Krankheit erfordert eine kontinuierliche Therapie und ständige Überwachung des Patienten, rechtzeitige Behandlung, regelmäßige Krankengymnastik und Rehabilitation. Somit kann den Krankheitsverlauf positiv beeinflusst werden. Hingegen kann eine unangemessene Therapie zur Behinderung und/oder zur Invalidität führen.

 

Weil die Ätiologie der Erkrankung noch weitgehend unbekannt ist, existiert zum heutigen Zeitpunkt eine spezifische Prophylaxe zur Vermeidung von Morbus Bechterew nicht, d.h. es gibt keine Präventionsmaßnahmen, deren Einhaltung ein geringeres Risiko für das Auftreten der Krankheit sichern. Gegen Schmerzen und Steifheit verordnen Ärzte nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und/oder sog. TNF-Blocker. Neben der entzündungshemmenden Schmerztherapie steht in der Behandlung der Krankheit die Bewegungstherapie ganz oben. Die Therapie zielt in erster Linie darauf ab, die Krankheitsaktivität, die Symptome und die Entzündungsprozesse im Körper zu kontrollieren, die Schmerzen zu lindern, dem Auftreten von Schäden vorzubeugen und die Funktionalität der Wirbelsäule und der Gelenke aufrechtzuerhalten.

 

Dies kann durch folgende Schritte erreicht werden:

 

  • Frühzeitige Diagnose;
  • Frühzeitige Behandlung, um ggf. irreversible Wirbelsäulen- und Gelenkdeformitäten, die sich durch die eingeschränkte Beweglichkeit der Wirbelsäule bilden können, zu vermeiden; das Therapieprogramm besteht i.d.R. aus nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), TNF‐Inhibitoren und physikalischen Maßnahmen, die die Beweglichkeit aufrechterhalten;
  • Regelmäßige Physiotherapie und Rehabilitation.
Physiotherapie bei Bechterew
Die Physiotherapie ist ein wichtiger Bestandteil in der Behandlung von PatientInnen mit Spondylitis ankylosans.

Übungen bei ankylosierender Spondylitis

Schmerzen können Bechterew-Betroffene dazu verleiten, die Bewegung auf ein Minimum zu beschränken. Körperliche Inaktivität kann jedoch zu Muskelschwund führen und die Versteifung verstärken. Durch Bewegung und v.a. durch eine spezifische Bewegungstherapie kann der Rücken gestärkt, die Beweglichkeit der Wirbelsäule erhöht und dem Entzündungsprozess entgegengewirkt werden. Die Bewegungstherapie beinhaltet Dehn-, Kraft-, Beweglichkeits- und Koordinationsübungen für die Hals-, Brust- und Lendenwirbel sowie für die großen Muskelgruppen.

 

Die tägliche Heilgymnastik schützt PatientInnen vor Behinderungen, verbessert erheblich die Lebensqualität und hemmt die Krankheitsaktivität. Therapieprogramme sollten jedenfalls von einem speziell geschulten Physiotherapeuten im Team mit SchmerzspezialistInnen und RheumatologInnen erarbeitet und geleitet werden.

Schwimmen mit Bechterew
Beim Schwimmen werden alle Muskeln und Gelenke beansprucht, ohne dass große Erschütterungen auftreten.

 

Zudem gilt Sport als eine unerlässliche Ergänzung zur medizinischen Gymnastik. Wichtig sind sportliche Aktivitäten, bei denen Kraft, Beweglichkeit, Ausdauer und Koordination trainiert werden. Alst therapeutisch besonders wirksame Sportarten gelten bspw. Volleyball, Badminton, Skilanglauf oder auch Wandern. Ebenso sehr geeignet ist Schwimmen, besonders um die Brust-Expansion sowie die Flexibilität des Brustkorbs wiederherzustellen. Ganzheitliche Methoden wie Yoga, Thai-Chi oder Qi Gong beziehen Körper und Geist mit ein und können eine sinnvolle Alternative darstellen.

 

Bechterew-Betroffene können den Verlauf der Krankheit durch ihr eigenes Verhalten durchaus positiv beeinflussen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass sie über die Erkrankung, die Behandlungsmöglichkeiten und die Übungsprogramme gut informiert sind.