Multiple Sklerose (MS)

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Bei der Multiplen Sklerose (MS), auch Encephalomyelitis disseminata (ED) genannt, kommt es zu einer Zerstörung der Markscheiden der Nervenzellfortsätze (Demyelinisierung) durch vermutlich körpereigene Abwehrzellen. Betroffen sind die weiße Substanz des Gehirns sowie das Rückenmark. Die entzündlichen Veränderungen können allerdings jede Stelle im Zentralen Nervensystem (ZNS) befallen. Somit kann sich die Erkrankung sehr vielfältig äußern. Die Krankheit manifestiert sich meistens im jungen Erwachsenenalter, zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Allerdings kann die MS auch bei Patienten zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr auftreten. In Österreich sind schätzungsweise 12.500 Patienten von der Erkrankung betroffen. Pro Jahr werden etwa 350 bis 400 Neuerkrankungen registriert. Die häufigste Form der Erkrankung ist die rezidivierend-remittierende (schubförmige) MS.

Was ist Multiple Sklerose?

Multiple Sklerose
Multiple Sklerose: die häufigste chronisch-entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems im Mitteleuropa.

 

Trotz der ausgiebigen Forschung um die Krankheit sind die genauen Ursachen der MS bisher nicht eindeutig geklärt. Grundsätzlich geht man davon aus, dass eine genetische Veranlagung in der Entstehung der Erkrankung eine wichtige Rolle spielt. Obwohl die Erkrankung genetisch bedingt ist, ist sie keine Erbkrankheit. Weitere Faktoren, die den Ausbruch der MS steuern können, sind verschiedene Virusinfektionen, insbesondere das Epstein-Barr-Virus (EBV). Darüber hinaus wird ein Zusammenhang mit dem Vitamin-D-Mangel als Ursache für die MS vermutet. Die genauen Ursachen zu ermitteln ist ein sehr komplizierter Vorgang, weil der Krankheit eine komplexe Kombination verschiedener Faktoren zugrunde liegt – sowohl Gene, die bei jeder Person unterschiedlich sind, als auch Infektionen sowie Umwelteinflüsse wird eine Bedeutung für die Entstehung der MS zugesprochen.

Wie lange dauert ein MS-Schub?

Die ersten Schübe im Leben eines MS-Betroffenen dauern in der Regel nur kurze Zeit und verschwinden meist ganz, ohne Spuren zu hinterlassen. Betroffene zögern zu Beginn, ob die Beschwerden ernst zu nehmen sind und suchen zunächst keinen Arzt auf. Erst beim zweiten oder dritten Schub dauern die Symptome etwas länger an. Je nachdem an welchen Orten das zentrale Nervensystem geschädigt ist, sind die hierdurch ausgelösten neurologischen Symptome und deren Schweregrad sehr unterschiedlich. Dennoch treten erste Symptome häufig an den Augen auf. Es kommt zur sog. Optikusneuritis – einer Entzündung des Sehnervs.

 

Klassische Frühsymptome sind Sehstörungen. Oft ist nur ein Auge betroffen – manche MS-Kranke berichten vom Nebelsehen auf einem Auge. Bei anderen Patienten treten dunkle Flecken im Gesichtsfeld, Doppelbilder, verschwommenes Sehen sowie Unschärfen auf. Weitere Symptome, die relativ häufig zu beobachten sind, sind motorische Störungen wie etwa Lähmungen, Gefühlsstörungen, Schwäche in den Beinen, Unsicherheit beim Gehen etc. Bei vielen Patienten kommen noch Kraftlosigkeit sowie Fatigue (Müdigkeit, Erschöpfung) noch hinzu. Die Ersmanifestationen der Multiplen Sklerose sind oft nur flüchtig, unspezifisch und verändern sich. Dennoch ist es sinnvoll die Erstsymptome zu kennen und bei Verdacht auf MS rechtzeitig einen Neurologen zu konsultieren.

Sehstörungen bei MS
MS-Betroffene haben of mit Sehstörungen zu kämpfen, die sich auf unterschiedliche Art manifestieren. 

Kann man MS vorbeugen?

Da die genauen Ursachen der MS nicht bekannt sind, lässt sich die Entstehung der Multiplen Sklerose nicht vorbeugen. Jedoch kann die Kombination aus einer passenden Therapie und einem gesunden Lebensstil den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Die frühzeitige und konsequente Behandlung von Multipler Sklerose soll die Häufigkeit von Rückfällen verringern. Dennoch kennt die Medizin einige Risikofaktoren, die einen MS-Schub auslösen können. Dazu gehören:

 

  • Infektionen;
  • Gewisse Impfstoffe;
  • Hyposensibilisierung (Allergieimpfung) zur Behandlung von Allergien;
  • Gewisse Medikamente oder Wirkstoffe (auch pflanzlich), die das Immunsystem anregen;
  • Hormonelle Umstellung (bspw. nach einer Schwangerschaft);
  • Größere seelische und/oder körperliche Belastungen, Stressereignisse (z.B. Operationen und schwere Verletzungen).

Diagnostik der MS

In der Regel wird die Diagnose MS anhand von mehreren Untersuchungen gestellt: neben Bluttests gehören zu den wichtigsten Untersuchungsverfahren die Magnetresonanztomographie, die Lumbalpunktion, evozierte Potenziale sowie die neurologische Untersuchung. Bei der Multiplen Sklerose werden epigenetische Veränderungen verschiedener Immunzellen und Antikörper beobachtet – deren Werte sind deutlich erhöht. Daher wird im Rahmen der Diagnostik eine Liquoruntersuchung (Lumbalpunktion) durchgeführt. Der Liquor (Nervenwasser) ist eine im Gehirn und Rückenmark vorkommende Körperflüssigkeit, welche u.a. durch eine Lumbalpunktion gewonnen werden kann. Es ist jedoch zu beachten, dass auch bei anderen entzündlichen Erkrankungen des Nervensystems erhöhte Werte beobachtet werden können. Darum werden zusätzliche Diagnosemethoden angewendet, um eine genaue Abklärung zu gewährleisten.

 

Mittels Elektroenzephalographie (EEG) können Nervenimpulse gemessen werden, die als Reaktion auf visuelle und akustische Reize entstehen. Dadurch kann der Arzt feststellen, ob die Leitfähigkeit in einem Seh- oder Hörnerv geschädigt ist. Normalerweise reagieren MS-Kranke auf Lichtblitze oder Klicklaute verzögert.

 

Die Magnetresonanztomographie (MRT) gehört zu den unverzichtbaren Untersuchungsmethoden, um MS zu erkennen. Dadurch können bereits frühzeitig MS-Herde sehr genau dargestellt und das Absterben von Nervenzellen gezeigt werden. Im Rahmen der MS-Diagnostik ist die Computertomographie weniger aussagekräftig als die Magnetresonanztomographie.

 

Patienten sollten möglichst zeitnah mit der Therapie beginnen, weil jeder MS-Schub zu bleibenden Behinderungen führt. Diese werden als Plaques bezeichnet – vernarbte Stellen im Gehirn, wo die Schutzschicht, die die Nervenfasern umgibt (Myelinscheide), beschädigt ist. Häufige Krankheitsschübe können i.d.R. zu starken Beeinträchtigungen führen. Grundsätzlich beeinflussen zwei Faktoren die Häufigkeit der Schübe – die frühzeitige und konsequente Behandlung und der Zustand des Immunsystems. Die Therapie bei MS hat zum Ziel, die Anzahl und die Schwere von Schüben zu reduzieren, um Behinderungen zu verzögern bzw. zu verhindern.

 

++ Im Gespräch mit OA Dr. Michael Guger über die neuesten Entwicklungen bei MS ++

 

Behandlung bei Multipler Sklerose

Der Bereich der Medikation hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt - es sind viele neue Medikamente (u.a. Interferonpräparate sowie Glatirameracetat) zur Behandlung von MS entwickelt worden. Dennoch ist die Erkrankung nach wie vor nicht heilbar. Jedoch kann mit entsprechender Medikation die Aktivität der Krankheit stark gedrosselt werden.

 

Ein frühzeitiger Beginn therapeutischer Maßnahmen ist äußerst wichtig, da der Verlauf der MS sehr komplex ist und ein vollständiges Heilen bislang nicht möglich ist. Durch moderne Therapien ist es heute allerdings möglich den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Die Therapiestrategie ist immer individuell auf den MS-Patienten zugeschnitten. Laut MS-Experten können mit Medikamenten 30-40 Prozent der MS-Schübe verhindert werden. In den letzten Jahren wurden verschiedene Erfolg versprechende Präparate zur Behandlung der MS auf dem Markt eingeführt, die bei der schubförmig-remittierenden MS eingesetzt werden. Ziel der neuen Präparate ist, die bei der MS fehlgeleitete Immunreaktion zu stabilisieren und die Entzündungsreaktion zu hemmen. Dazu gehören sowohl spezielle MS-Medikamente in Tablettenform als auch Medikamente zur intravenösen Verabreichung.

Multiple Sklerose Behandlung
Bei MS sollte die Therapie möglichst frühzeitig nach Diagnosestellung beginnen.

Grundsätzlich stützt sich die MS-Therapie auf vier Therapiesäulen:

  • Schubtherapie (kurzfristig): Ziel dieser Behandlung ist die Häufigkeit und den Schweregrad akuter Schübe zu minimieren;
  • Verlaufsmodifizierende Therapie (Langzeittherapie): Ziel ist, die schubfreie bzw. schubarme Zeit zu verlängern;
  • Symptomatische Therapie: Ziel ist die Symptome möglichst weit einzudämmen und somit die Lebensqualität des Patienten zu erhalten bzw. zu verbessern;
  • Langfristige Immuntherape (immunmodelierende Basistherapie): diese versucht die Zahl der Krankheitsschübe zu minimieren, den Fortschritt der Erkrankung zu verzögern und ist auch in Remissionsphasen der Erkrankung sinnvoll.

Diese Therapiesäulen werden üblicherweise kombiniert und individuell auf den Patienten und das Krankheitsbild abgestimmt. Weitere Möglichkeiten für eine Langzeittherapie sind u.a. moderne Antikörper-Therapien sowie Chemotherapeutika. Beschwerden können auch mit Verfahren wie Physio-, Psycho-, Ergotherapie und/oder Homöopathie gut behandelt werden. Unabhängig davon, welche Therapie in Frage kommt, ist die Erhaltung großtmöglicher Lebensqualität des Betroffenen das oberste Behandlungsziel. Wird die schubförmige MS frühzeitig und konsequent behandelt, stehen für viele Patienten die Chancen gut, das Fortschreiten von MS zu hemmen.

 

Zur Linderung der Symptome kommen u.a. Cannabinoide zum Einsatz. Sie eignen sich besonders gut, um die Spastizität der Muskeln abzubauen. Bei einer Spastizität ist der Muskeltonus dauerhaft erhöht, was zu vielen Gangstörungen und schließlich zu einer massiven Einschränkungen im Alltag führt. Prinzipiell eingesetzt werden Cannabinoide auch für andere Indikationen, z.B. zur Schmerztherapie.

 

Kann der Einsatz von Cannabinoiden in der Behandlung von MS hilfreich sein? Univ.-Prof. Dr. Siegrid Fuchs beantwortet diese Frage im Video:

 

Multiple Sklerose und Schwangerschaft

MS ist eine Erkrankung, die Frauen wesentlich häufiger betrifft als Männer. Viele MS-Betroffene sind junge Frauen im Gebäralter. Obwohl die Erkrankung das Leben der Patientin beeinflusst, schließen sich eine Schwangerschaft und eine bestehende MS nicht aus. Multiple Sklerose ist keine Erbkranheit im eigentlichen Sinne und es besteht kein erhöhtes Risiko für das ungeborene Kind daran zu erkranken. Darüber hinaus hat MS keinen Einfluss auf die kindliche Entwicklung, die Schwangerscahftsdauer sowie auf den Geburtsveraluf. Allerdings kann es innerhalb einiger Monate nach der Entbindung zu einer Verschlechterung der MS-Symptome kommen.

 

Aber auch der Krankheitsverlauf wird durch eine Schwangerschaft nicht ungünstig beeinflusst, im Gegenteil – kurzfristig wirkt sich eine Schwangerschaft schubreduktiv auf die Erkrankung aus, d.h. während der Schwangerschaft sind MS-Schübe in der Regel deutlich seltener. Jedenfalls sind eine sorgfältige Planung und Rücksprache mit dem Neurologen unbedingt notwendig. Auch MS-Medikamente sind nur in Absprache mit dem behandelnden Facharzt einzunehmen, weil sie den Fötus schädigen können.

Multiple Sklerose und Schwangerschaft
Der Kinderwunsch lässt sich auch bei Frauen mit MS erfüllen.

Wie lebt man mit Multiple Sklerose?

MS-Patienten können Temperaturunterschiede nur schlecht wahrnehmen und leiden unter Hitze oder Kälte besonders stark. Beschwerden wie Müdigkeit oder motorische Einschränkungen verstärken sich bei großer Wärme bzw. Kälte. Deshalb sollten MS-Betroffene bei extrem hohen sowie bei niedrigen Temperaturen vorsichtig sein und nicht zu lange draußen bleiben, erhebliche körperliche Anstrengungen in der Hitze­/Kälte vermeiden und die Sonne nur in Maßen genießen. Darüber hinaus wird von vielen MS-Experten von Thermalbad- und Saunabesuchen sowie von heißen Bädern abgeraten. Allerdings können MS-Betroffene selber vorsichtig ausprobieren, ob ein Saunabesuch wärmebedingte Beschwerden auslöst oder nicht, weil jeder Körper anders reagiert. Grundsätzlich haben regelmäßige Aufenthalte in der Sauna positive Effekte auf die Gesundheit – sie aktivieren und stärken das Immunsystem, fördern die Durchblutung und entspannen die Muskeln.

Ernährung bei MS
Lebensmittel, die Omega-3-Fettsäuren in hoher Konzentration enthalten, können die entzündlichen Prozesse bei MS positiv beeinflussen.

 

Es sind mehrere Ernährungstipps und diätische Maßnahmen für MS-Kranke bekannt, aber nach aktuellem Forschungsstand gibt es keine spezielle Ernährungsweise, die den Krankheitsverlauf bremsen kann. Dennoch kann eine gesunde und ausgewogene Ernährung das Immunsystem stabilisieren, den Stoffwechsel anregen und die allgemeine Gesundheit fördern. Durch eine ausgewogene Kost mit viel Obst, Gemüse und Vollgetreide, dafür weniger Fleisch und Fett können Begleiterscheinungen von MS positiv beeinflusst werden. Darüber hinaus besitzen Omega 3-Fettsäuren (u.a. in fettigem Fisch, Pflanzenölen, Nüssen, Avocados enthalten), entzündungshemmende Eigenschaften und sind daher besonders wertvoll. Generell ist eine abwechslungsreiche und vollwertige Ernährung, die sich auf die Entzündungs- und Immunprozesse im Körper positiv auswirken kann, als integraler Bestandteil der MS-Therapie zu empfehlen.

 

Weitere Ernährungsempfehlungen für eine ausgewogene Ernährung bei Multipler Sklerose finden Sie hier.


Autorin: Simona Ganeva (CredoWeb)

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