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Muskelerkrankungen: Früherkennung steigert Therapiechancen

Muskelerkrankungen: Früherkennung steigert Therapiechancen

Möglichst frühe Diagnose und Behandlung sichert bessere Therapieergebnisse


Optimistisch über weitere Fortschritte bei der Therapie angeborener neuromuskulärer Krankheiten hat sich Günther Bernert, Präsident der Österreichischen Muskelforschung, im Rahmen eines Pressegesprächs gezeigt. Eine möglichst frühe Diagnose sei nach wie vor von großer Bedeutung und erspart Kindern und Eltern Belastungen und Ängste, erklärte der Kinderarzt.

 

Es handelt sich um angeborene Erkrankungen, bei denen zum Beispiel die Muskelfasern kaputt gehen, der Energiestoffwechsel geschädigt ist oder die motorischen Nervenimpulse nicht die Muskelzellen erreichen, wodurch diese verkümmern. Derzeit sind rund 200 neuromuskuläre Erkrankungen bekannt, die alle zu den sogenannten Seltenen Erkrankungen zählen. Die häufigste ist die Duchenne Muskeldystrophie (DMD), sie betrifft nur Buben (einen von 3.500 Neugeborenen). In Österreich leben rund 20.000 Menschen mit einer dieser unheilbaren Muskelerkrankungen, mehr als die Hälfte davon sind Kinder und Jugendliche. Der Verlauf dieser Erkrankungen geht häufig mit zunehmendem Verlust der Mobilität und einer Lebenserwartung bis nur etwa 30 Jahre einher.

 

Wichtig ist zum einen eine möglichst frühe Diagnose, um dem betroffenen Kind - und seinen Eltern - Belastungen durch möglicherweise unnötige Untersuchungen zu ersparen. Therapien können rascher eingeleitet und Medikamente effektiver eingesetzt werden.
Der bedeutendste Test zur frühen Erkennung der Duchenne Muskeldystrophie ist etwa die Bestimmung der Kreatinkinase (CK), so Bernert. In Bayern laufe seit Jänner dieses Jahres ein Pilotprojekt, in dessen Rahmen ein pränatales genetisches Screening zur Früherkennung eingesetzt wird, berichtete Wolfgang Müller-Felber, ärztlicher Leiter des Motorik- und Metabolik-Hauses am Klinikum der Universität München. Generell - auch in Österreich - herrschen Bedenken, wodurch solche Programme nur langsam durchsetzbar seien. Allein der Begriff "Genetik" sei negativ besetzt, sagte Bernert. Nachteile eines derartigen Screenings seien für ihn allerdings nicht zu erkennen.

 

Große Hoffnungen setzt man bei der Spinalen Muskeldystrophie (SMA) in relativ neue medikamentöse Therapien. Bei dieser Erkrankung wird durch die fehlerhafte Bildung des SMN-Proteins in Nervenzellen die Übertragung motorischer Impulse in die Muskelzellen verhindert.
Dadurch verkümmert die Muskulatur. Bei der schwersten Verlaufsform (SMA1) starben betroffene Kinder bisher innerhalb von ein bis zwei Jahren nach der Geburt an Atemversagen. Für diese Erkrankung könnte ein sogenanntes Antisense-Oligonukleotid, das ins Rückenmark injiziert wird, einen Fortschritt bedeuten. Studien haben gezeigt, dass bei Einsatz dieses Medikamentes noch vor Auftreten der ersten Symptome eine optimale Wirkung erzielt werden könnte. Um diese Chance zu nützen, müsste eine Aufnahme der SMA in das genetische Screeningprogramm für Neugeborene stattfinden, so Bernert.

 

Seit rund 20 Jahren unterstützt der Verein Österreichische Muskelforschung ausgewählte Projekte zur Erforschung von Muskelerkrankungen, um therapeutische Ansätze zur Verbesserung der Situation der Patienten zu entwickeln. Am 19. und 20. Jänner 2018 fand in Wien die jährliche Tagung "UpDate Muskelforschung" für Fachpublikum, Betroffene und Angehörige statt. Schwerpunkte lagen auf den Thematiken neue Therapien und Transition - der Übergang der Patienten vom Kinderarzt zu einem Mediziner für Erwachsene. "Mit Pech landet man dann bei sechs verschiedenen Fachärzten", sagte Bernert. Die Suche nach einem Arzt, der die vielen unterschiedlichen Symptome neuromuskulärer Erkrankungen erkennt, sei in Österreich schwierig.

Quelle: APA

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