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Onkologie: Reformen für Krebspatienten notwendig

Onkologie: Reformen für Krebspatienten notwendig

Rund 341.000 Menschen leben in Österreich mit der Diagnose Krebs. Für Aufrechterhaltung des hohen Versorgungsstandards und für weitere Verbesserungen wären dringend Reformen notwendig, hieß es bei einem Expertengespräch am Rande des Gesundheitsforums Prävenire in Seitenstetten (NÖ).


Der österreichische Weg ist das Nichtstun. Wenn wir Sorge haben, tun wir nix,

sagte Michael Gnant, Chef der Chirurgischen Universitätsklinik am Wiener AKH (MedUni Wien). In einer Zeit des rasend schnellen Fortschritts in Forschung und Entwicklung und mit teilweise sehr kostspieligen innovativen Therapien tendiere das System in Österreich zum Herumschieben von Kosten und zu einer "schleichenden Triage", bei welcher Wissen, Beziehungen etc. - nicht objektive Kriterien zum echten Bedarf - den Zugang zur Versorgung öffneten.

 

In vielen Fällen waren in der Diskussion die Krankenkassen bzw. der Hauptverband der Sozialversicherungsträger die Ansprechpartner. Der stellvertretende Vorsitzende des Verbandsvorstandes des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, Martin Schaffenrath, musste den größten Teil der Wünsche enttäuschen: In der Debatte über die Reform der Struktur des Krankenkassenwesens "schauen wir (derzeit; Anm.), wer zuerst in die Knie geht - die Bundesregierung oder die Krankenkassen? So eine Zeit wie jetzt haben wir in den vergangenen 20 Jahren noch nicht erlebt. (...) Jetzt geht es an die Grundfesten, auch an die Selbstverwaltung. Was derzeit geplant ist, ist die Verstaatlichung des Gesundheitswesens. Der Hauptverband ist die Institution, die man auf jeden Fall zerschlagen will." Der Grund dafür: Die gegenwärtigen Strukturen seien ein Kernbereich der Sozialpartnerschaft.

 

Dabei besteht offenbar ein ganzes Sammelsurium an Defiziten in der Krebsmedizin in Österreich. "In den USA werden pro Einwohner und Jahr 18 US-Dollar aus öffentlichen Geldern für klinische Forschung ausgegeben. In Großbritannien und Deutschland sind es so um acht bis neun Dollar pro Person. Im EU-Durchschnitt sind es sechs bis sieben Dollar, in Österreich jedoch nur 20 Cent pro Einwohner und Jahr", sagte der Wiener Onkologe Günther Steger (MedUni Wien/AKH). Modernste und innovative Therapie mit schnellster Umsetzung der Forschung in die klinische Praxis sei aber ohne wissenschaftliche Projekte nicht möglich.

 

Daneben gibt es offenbar Probleme, die mit der Struktur und derzeitigen Aufgabenverteilung im österreichischen Gesundheitswesen zu tun haben. So seien die hämatologischen und onkologischen Spitalsabteilungen viel zu oft mit der Abklärung von Verdachtsfällen und mit der Nachsorge beschäftigt. Sie sollten aber vor allem dazu da sein, hoch spezielle Therapien für Patienten zur Verfügung zu stellen, welche eine optimale Behandlung gewährleisten. Hier fehlten die entsprechenden Strukturen, betonten beispielsweise Birgit Grünberger, Leiterin der Onkologischen Abteilung am LKH Wiener Neustadt, und der Hämatologie Felix Keil, Leiter der 3. Medizinischen Abteilung am Wiener Hanusch Krankenhaus.

 

Keil hat in Außeneinrichtungen der Wiener Gebietskrankenkasse vier hämatologische Ambulanzen aufgebaut. Dort gelingt es zum Beispiel, ohne den Aufwand eines Spitals aus jährlich rund 5.000 Patienten mit Anämie jene rund 500 herauszufiltern, welche wirklich eine hämatologisch-onkologische Erkrankung haben. Problematisch sei auch der hohe bürokratische Aufwand betonte Birgit Grünberger. Erst nach längerer Zeit sei es nun gelungen, für das Warten des NÖ Registers über Versorgung von Krebspatienten in den Spitälern entsprechendes Administrationspersonal zu bekommen.

Eine Studie, die wir durchgeführt haben, belegt, dass die Brustkrebspatientinnen nach einer Erkrankung viel weniger Einkommen haben als vor der Erkrankung. Das geht von Ganztags- zu Teilzeitbeschäftigung und von der Teilzeitarbeit zur Pension,

sagte Mona Knotek-Roggenbauer, Präsidentin von Europa Donna Austria. Um den Zugang und die Verwendung hoch innovativer Krebstherapien in Österreich überwachen zu können, benötige man ein bundesweites Register, hieß es bei dem Expertengespräch. Doch das scheitere am (Bundesländer-)Föderalismus sowie an den zersplitterten Strukturen des Gesundheitswesens. Die Diskussionen soll in Projekte als Folge eines "Manifests zur zukünftigen onkologischen Versorgung Österreichs" einfließen, welches vergangenes Jahr in Seitenstetten formuliert worden ist. Zum Beispiel soll auch überlegt werden, ob man Krebspatienten bei Impfungen unterstützen könnte. Der Wiener Onkologe Matthias (MedUni Wien/AKH) wiederum wünscht mehr Nachwuchsförderung in der Onkologie. Der Bedarf an Behandlungskapazitäten in der Krebsmedizin wird nämlich in den kommenden Jahren wegen der demografischen Entwicklung erheblich steigen.

Quelle: APA

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