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Polyzystisches Ovarialsyndrom - eine der häufigsten weiblichen Hormonstörungen

Polyzystisches Ovarialsyndrom - eine der häufigsten weiblichen Hormonstörungen

Polyzystisches Ovarialsyndrom - eine der häufigsten weiblichen Hormonstörungen


CredoWeb im Interview mit Frauenarzt & IVF-Experten Dr. med. Leonhard Loimer

 

CredoWeb: Welche Merkmale sind für das PCO-Syndrom typisch?

 

Dr. med. Leonhard Loimer: Das PCO-Syndrom (kurz PCOS) wird definiert nach den sogenannten „Rotterdam-Kriterien“, welche die folgenden sind:

 

Nach den Rotterdam-Kriterien wird das PCOS durch 3 Hauptmerkmale definiert, von denen 2 für die Diagnosestellung ausreichen, wenn andere Ursachen ausgeschlossen sind:

  • Klinische und/oder biochemische Zeichen der Hyperandrogenämie (= Überschuss männlicher Geschlechtshormone)
  • Oligo-/Anovulatorische Zyklen (= seltener bzw. Ausbleiben des Eisprungs)
  • Polyzystische Ovarien (im Ultraschall)

 

Weitere Merkmale sind

 

  • Zyklusstörungen,
  • meist seltene bis ganz ausbleibende Periode bzw.
  • fettiges Haar, Hautunreinheiten, Akne, Haarausfall im Kopfbereich.

 

Bei der Hälfte der Patientinnen besteht außerdem Übergewicht.

 

 

Bei der Laboruntersuchung fallen erhöhte männliche Hormonspiegel auf, sowie eine Erhöhung des Hirnanhangsdrüse Hormons LH, welches für die Produktion der männlichen Hormone im Eierstock verantwortlich ist.

 

Im Ultraschall findet sich das typische Bild der vergrößerten Eierstöcke mit zahlreichen kleinen Follikeln.

Da es praktisch nie zu einem Eisprung kommt, kommt es oft zu unerfülltem Kinderwunsch.

 

unerfüllter Kinderwunsch

 

 

CredoWeb: Warum ist dieses Syndrom so stark verbreitet?

 

Dr. med. Leonhard Loimer: Aufgrund der Bedeutung von Insulinresistenz und Fettleibigkeit für die Ausbildung des PCOS geht man davon aus, dass sich ein beträchtlicher Teil der heutzutage auftretenden PCOS-Fälle lebensstilbedingt entwickeln.

Zunehmend werden auch Umweltgifte, welche in unserem Köper hormonell aktiv werden können, als Ursachen diskutiert.


Es handelt sich wahrscheinlich um eine evolutionäre Entwicklung für Zeiten mit begrenztem Nahrungsangebot, die erst in unserer Zeit des unbegrenzten Angebots energiereicher Lebensmittel bei gleichzeitig oft nur noch geringer körperlicher Belastung mit entsprechend vermindertem Kalorienbedarf zum Risiko für das PCO-Syndrom wird.

 

Einkaufswagen

 

CredoWeb: Welche Rolle spielt das Stoffwechselhormon Insulin?

 

Dr. med. Leonhard Loimer: Neben den typischen gynäkologischen Auffälligkeiten können beim PCOS auch Störungen des Stoffwechsels vorliegen.
Insbesondere findet sich eine sogenannte Insulinresistenz mit erhöhten Insulinspiegeln im Blut. Insulin seinerseits steigert wiederum die Produktion männlicher Hormone im Eierstock.

Die frühzeitige Diagnose und Therapie eines PCOS ist von großer Bedeutung, da es somit nicht nur gynäkologische Relevanz hat. Im späteren Leben kann ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes bestehen.

 

Diabetes

 

 

CredoWeb: Welche therapeutischen Maßnahmen stehen derzeit zur Verfügung?

 

Dr. med. Leonhard Loimer: Die Behandlung hängt in erster Linie davon ab, was für die Patientin im Vordergrund steht.

Bei gleichzeitigem Übergewicht und Störungen des Zuckerstoffwechsels besteht die wirkungsvollste Behandlung in einer Veränderung des Lebensstils mit regelmäßiger körperlicher Betätigung.

 

Eine Gewichtsabnahme korrigiert praktisch alle pathologischen Parameter bei PCOS einschließlich der erhöhten männlichen Hormone und kann zu einem ovulatorischen Zyklusgeschehen führen.

Bereits eine Gewichtsreduktion von 5–10% verbessert innerhalb der nächsten 6 Monate den Hirsutismus (= ungewöhnlich starke Körperbehaarung bei Frauen) bei ca. der Hälfte der Patientinnen.

behaarte Beine


Die medikamentöse Therapie richtet sich nach dem Hauptanliegen der Patientin.

 

Bei Zyklusstörungen und Problemen mit Haut und Haar kommen speziell gegen männliche Hormone wirksame Ovulationshemmer (Antibabypillen) zum Einsatz.

Eine Akne sollte sich bei 60% der Patienten nach 6 Monaten Behandlung weitgehend normalisiert haben.

 

Akne

 

Bei Insulinresistenz kann die Antwort des Körpers auf Insulin auch medikamentös durch Metformin verbessert werden. Die Einstellung erfolgt meist in Zusammenarbeit mit dem internistischen Endokrinologen bzw. Diabetologen. Metformin kann problemlos mit Ovulationshemmern kombiniert werden.

 

Bei Kinderwunsch ist oft eine direkte hormonelle Stimulation der Follikelreifung unumgänglich. Metformin allein scheint die Chance auf eine Lebendgeburt nicht zu steigern, ist aber oft als Zusatz zur hormonellen Stimulation wichtig.

 

Die Methode der ersten Wahl ist die Gabe des Antiöstrogens Clomifen oder Letrozol in Tablettenform in einer Ausgangsdosis von 50 mg bzw. 2,5 mg pro Tag von Zyklustag 5 bis einschließlich Zyklustag 9.

Mit Clomifen besteht bereits seit 40 Jahren klinische Erfahrung. Wenn Clomifen nicht erfolgreich ist oder auch direkt als Ersttherapie kann der Eisprung in sehr niedriger Dosierung mit Gonadotropinen stimuliert werden in Form von sogenannten Humanem Menopausengonadotropin HMG oder Follikelstimulierendem Hormon FSH.

 

Der Grad ist schmal, bei zu hoher Dosierung kann es bei einem PCOS trotz der spontan ausbleibenden Ovulation gerade schnell zur Entwicklung von zu vielen Follikeln kommen, da die Eierstöcke voll kleiner Follikel sind. 

Die niedrig dosierte Gonadotropinstimulation gehört deshalb in erfahrene Hände.


CredoWeb: Wann ist eine Operation notwendig?

 

Dr. med. Leonhard Loimer:

Methoden wie das Drilling der Eierstöcke über eine Bauchspiegelung sind zweitrangig, können aber durchaus zu ovulatorischen Zyklen (= Zyklen mit Eisprung und Menstruation) führen.

 

Beim sogenannten Drilling der Eierstöcke werden mittels einer speziellen Nadel mehrere kleine Einstiche in die Eierstöcke vorgenommen, wodurch in weiterer Folge der Hormonspiegel abfällt und ein regelmäßiger Zyklus mit Eisprung wiederhergestellt werden kann.

 

 

Interview: Christina Neumayer/CredoWeb

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