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Schwerhörigkeit: Diagnose & Behandlungsmöglichkeiten

Schwerhörigkeit: Diagnose & Behandlungsmöglichkeiten

Schwerhörigkeit: Diagnose & Behandlungsmöglichkeiten

CredoWeb im Interview mit Oberarzt an der Universitätsklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg, Uniklinikum Salzburg & Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten Dr. med. univ. Sebastian Rösch

 

CredoWeb: Wann sollte man aufgrund von Hörproblemen zum Arzt?

 

OA Dr. med. univ. Sebastian Rösch:

Bei Erwachsenen:

Es ist zunächst einmal ganz wichtig, zu unterscheiden wie schnell die Hörprobleme aufgetreten sind.
Man muss dementsprechend unterscheiden, ob Hörprobleme plötzlich auftreten oder langsam zunehmend auftreten.

Wenn Hörprobleme ganz plötzlich auftreten, empfehlen wir primär einmal 24 Stunden abzuwarten und zu schauen ob sich das Problem von selbst wieder legt. Es kann sein, dass das Ohr nur durch zB Ohrenschmalz oder ähnlichem verlegt ist.

Wenn die Hörminderung jedoch nach einem Zeitraum von 24 Stunden erhalten bleibt, sollte man zum nächst möglichen Zeitpunkt einen HNO-Arzt aufsuchen.

 

Wenn die Hörprobleme langsam zunehmend sind – und bei langsam sprechen wir von Wochen, Monaten, Jahren - sollte man primär darauf achten, was zB Angehörige berichten. Das können beispielsweise Dinge sein wie, dass der Fernseher immer extrem laut läuft oder die Leute öfter merken, dass man öfter nachfragt, wenn man was nicht verstanden hat. Dies sind erste Zeichen, bei denen man aufmerksam werden sollte und in weiterer Folge auch zum Arzt gehen sollte.

 

TV

 

Ein ganz typisches Zeichen für Schwerhörigkeit ist, dass Leute mehr und mehr Probleme bekommen Ihr Gegenüber in sehr lauten Umgebungen zu verstehen zB in einem gut besuchten Restaurant.

 

Bei Kindern:

 

Ein typisches Anzeichen für eine Schwerhörigkeit, ist eine fehlende Sprachentwicklung bzw. im schlimmsten Fall, wenn das Kind gar nicht erst zu sprechen anfängt oder nur sehr langsam anfängt zu sprechen bzw. wenn sich Zeichen von Aussprachefehlern zeigen.

 

In diesen Fällen sollte man mit seinem Kind auf jeden Fall baldmöglichst einen HNO-Arzt aufsuchen, um das Hörvermögen zu überprüfen zu lassen.

 

Kinderohr

 

Wir haben zum Glück gerade in Österreich schon sehr lange das sogenannte Neugeborenen-Hörscreening. Bei diesem Screening lassen sich schon frühzeitig angeborenen Schwerhörigkeiten erkennen.
Dennoch gibt es immer wieder Möglichkeiten, dass sich Schwerhörigkeiten auch im Kindesalter erst später entwickeln. Deswegen sollte man aufmerksam sein und auf Veränderungen achten.

 

CredoWeb: Woran erkennt man eine Altersschwerhörigkeit?

 

OA Dr. med. univ. Sebastian Rösch: Die Altersschwerhörigkeit wird auch als Presbyakusis bezeichnet. Diese Bezeichnung kommt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich übersetzt „Alter Mann“ und „Hören“.

Der Begriff der Altersschwerhörigkeit beschreibt eigentlich nur, dass die Schwerhörigkeit typischerweise im Alter auftritt.


Die Erkrankung zeichnet sich aber aus medizinischer Sicht durch ganz spezifische Faktoren aus:

 

  • Typischerweise sind beide Ohren betroffen.
  • Auf beiden Ohren ist die Hörminderung gleich stark ausgeprägt.

Wenn wir als HNO-Ärzte von einer Altersschwerhörigkeit sprechen, so müssen wir ausschließen, dass die Schwerhörigkeit keine anderen Ursachen hat wie zB Medikamente die das Hörvermögen beeinträchtigen können oder zB Leute die ihr Leben lang sehr großen Lautstärken oder einem schweren Schalltrauma ausgesetzt waren.

 

Wenn das alles zutrifft & das Hören im Verlauf einfach nach und nach schlechter wird, sprechen wir von der Altersschwerhörigkeit.

 

CredoWeb: Welche Untersuchungsmethoden stehen für die Diagnose zur Verfügung?

 

OA Dr. med. univ.  Sebastian Rösch: Zunächst müssen wir die/den PatientIn genau untersuchen und befragen. Fragen wie „Wie schnell waren die Symptome da?“ und „Was haben Sie bemerkt?“ sind hierbei Standardfragen.

Nach einem ausführlichen Gespräch wird das Ohr untersucht.

Wir schauen uns an, ob die Anatomie normal ist, ob es irgendwelche Veränderungen am äußeren Ohr, im Gehörgang, oder am Trommelfell gibt.  Dies können wir alles mit dem Mikroskop beurteilen. Wenn hierbei nichts auffällig erscheint, dann ist der nächste Schritt der Hörtest.

 

Der Hörtest an sich läuft so ab, dass man Kopfhörer aufgesetzt bekommt und Einzeltöne in verschiedenen Frequenzen präsentiert bekommt. Dann muss die/der PatientIn sagen, ab welchem Zeitpunkt sie/er den Ton wahrnimmt. Das sind sogenannte subjektive Hörtestverfahren.

 

 

Neben den Tönen können wir den Patienten auch Sprache präsentieren. Hierbei handelt es sich um standardisierte Worte, wo wir die Sprachdiskrimination nochmal sehr viel besser untersuchen können.

Es werden typischerweise Zahlen und einsilbige Wörter vom Band abgespielt, und hier wird dann bei bestimmten Lautstärken beurteilt wie viel Prozent der präsentierten Wörter kann die/der PatientIn richtig wiedergeben.

Mithilfe dieser unterschiedlichen Untersuchungen kann man dann sehr gut einschätzen, wie ausgeprägt die Schwerhörigkeit ist und ob es Sinn macht der/dem Patientin/Patienten primär eine Hörverbesserung mit unterschiedlichen Methoden zu empfehlen oder nicht.

Weitere Untersuchungsmöglichkeiten sind die sogenannten objektiven Messverfahren.  Hierbei untersucht man die Reizweiterleitung (= der akustische Reiz wird von der Cochlea (= Hörschnecke) aufgenommen, vom Mittelohr weitergeleitet und über den Hörnerv ins Gehirn übertragen), um beurteilen zu können, ob das Signal überhaupt bis in den verarbeitenden Bereichen im Zentralnervensystem richtig weitergeleitet wird oder ob es hier Störungen gibt.


 

 

Eine weitere Rolle spielen die bildgebenden Verfahren, wo wir uns mittels Computertomographie oder Kernspintomographie, vor allem die Mittel- und Innenohrstrukturen, den Gehörnerv und das Gehirn anschauen können. Es wird dabei überprüft, ob anatomisch alles richtig angelegt ist oder ob es hier Veränderungen gibt, die unter Umständen eine Hörminderung erklären können.

Die Ursache für die Hörminderung zu erkennen ist essentiell - denn nur so lässt sich eine gute Therapie empfehlen!

 

CredoWeb: Wann kommen in der Behandlung nun Medikamente zum Einsatz und wann eine Operation?

 

OA Dr. med. univ. Sebastian Rösch:

 

Medikamentöse Therapie:

Die medikamentöse Therapie im Bereich der Schwerhörigkeiten ist nach wie vor ein sehr stark diskutiertes Feld, weil wir - und das muss man ganz offen und ehrlich sagen - keine gute Studienlage haben, wo wir sagen könnten, wir haben Medikamente, welche definitiv das Hören verbessern.

Es gibt Studien, die Tendenzen zeigen, dass Steroide bzw. das Kortison einen positiven Effekt haben. Allerdings fehlt es weiterhin an klarerer Evidenz für die Wirksamkeit dieser Medikamente.

Deswegen ist es so, dass in der medikamentöse Therapie, wenn dann, Kortison eingesetzt wird.

Kortison wird hierbei entweder über die Vene verabreicht oder, vor allem in Amerika, in Tablettenform gegeben. Dies wird in Österreich jedoch eher selten gemacht.

Es gibt auch die Möglichkeit, Kortison direkt ins Mittelohr zu applezieren um damit das Kortison besser in das Innenohr hineindiffundieren kann.

Alle anderen medikamentösen Ansätze werden in den aktuellen deutschsprachigen Leitlinien nicht mehr empfohlen.

 

Operationen:

 

Für die möglichen Operationen ist es natürlich auch vorerst essentiell, dass man die Ursache der Schwerhörigkeit findet.

Liegt sie beispielsweise im äußeren Ohr oder im Mittelohr - also sprich - ist ein Problem der Übertragung des akustischen Schallreizes auf das Innenohr, dann kann man hier operativ rekonstruieren.

Man kann das Gehörknöchelchen rekonstruieren, den Gehörgang erweitern, das Trommelfell rekonstruieren (entweder mit eigenem Körpergewebe oder mit Prothesen unterschiedlichster Form), immer mit derselben Idee, dass man diese Übertragung des akustischen Reizes auf das Innenohr wiederaufbaut und das ursprüngliche Hören bestmöglich wiederherstellt.
Wobei man immer realistisch sagen muss, dass auch bei der bestlaufenden Operation, sicherlich gewisse, wenn auch minimale, Abstriche gemacht werden müssen.

 

Ist das Innenohr ursächlich betroffen, dann kann man natürlich das sehr weit verbreitete und zum Glück auch unglaublich erfolgreiche Cochleaimplantat verwenden. Das Cochleaimplantat ist ein elektronisches Gerät, welches den Schall über ein Mikrofon aufnimmt, die Schallinformation selbstständig verarbeitet, in ein elektronisches Signal umwandelt, welches den Schall dann über eine Elektrode, die in die Cochlea eingelegt wird, direkt an den Hörnerv überträgt.

 

 

Dann gibt es noch Implantate, die verstärkend wirken und die man unter Umständen im Mittelohr ansetzt. Hierbei ist es so, dass diese Implantate die Vibrationen nachahmen und auf die Mittelohrstrukturen oder direkt auf die Cochlea wirken.

Und letztendlich gibt es dann auch noch Implantate, wo der Reiz direkt auf das Zentralnervensystem übertragen wird. Wobei diese Implantate weltweit noch sehr selten eingesetzt werden und es auch zum Glück nur selten die Notwendigkeit dieser Implantate gibt.

 

WICHTIG:

Bevor man operiert und Implantate, in welcher Form auch immer verwendet, braucht es eine sehr differenzierte Abklärung vorne weg.

 

Es muss geklärt werden, was die Vorstellungen der/des Patientin/Patienten sind und was können wir ihr/ihm realistisch anbieten. Es bedarf der Aufklärung, dass es womöglich ein anderes Hörvermögen sein wird, als das was man gewohnt ist und sie/er muss natürlich auch wissen, wie der Umgang mit dem Gerät handzuhaben ist.

Für diesen Zweck gibt es in Österreich die sogenannten Cochlea-Implant-Zentren.

Hier werden entsprechende Voruntersuchungen gemacht, gemeinsam mit Sprachwissenschaftlern, Linguisten, Psychologen, Audiologen und schließlich auch mit uns ÄrztInnen.
Im Anschluss an die Operation wird mit Logopäden zusammengearbeitet, welche sich dann in der weiteren Betreuung und in der Lernphase sehr intensiv mit den PatientInnen beschäftigen und für die Betroffenen auch weiterhin als Anlaufstelle fungieren, um eine optimale Nachsorge zu gewährleisten.

 



Interview: Christina Neumayer/CredoWeb

 

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