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Hormone in den Wechseljahren – ja oder nein?

Hormone in den Wechseljahren – ja oder nein?

CredoWeb im Interview mit Dr. Wolfgang Motter, Arzt für Gynäkologie & Geburtsmedizin & Dr. Henriette Motter, Ärztin für Allgemeinmedizin

 

CredoWeb: Die Hormontherapie in der Menopause ist umstritten. Wann hat diese Behandlung Vorteile für die Patientinnen?

 

Dr. Henriette & Wolfgang Motter: Die Geschichte der fast 70-jährigen menopausalen Hormontherapie (= MHT) ist bemerkenswert abwechslungsreich.
Mit Begeisterung wurde die MHT eingeführt. Endlich hatte man eine adäquate Therapie zur Linderung von Wechselbeschwerden in der Hand. Schon bald empfahl der Zeitgeist die MHT auch als Jungbrunnen für das Hinausschieben von Alterungsprozessen (= „Better-Aging“).

 

2002 kam dann mit der WHI-Studie (Women’s Health Initiative) der Absturz der MHT, da die Rate an kardiovaskulären Ereignissen und die Häufigkeit von Brustkrebs erhöht seien.

Mittlerweile wurde die Evidenz dieser Studie aber relativiert, da erkannt wurde, dass auch viele ältere und kranke Frauen in die Studie aufgenommen worden waren.

In der Nachbeobachtung der Teilnehmerinnen der Studie zeigte sich nämlich, dass der Nutzen doch das Risiko überwog, wenn die MHT in der frühen Menopause begonnen wurde.

Bei Beginn der Hormongabe vor dem 60. Lebensjahr konnte eine Reduktion des kardiovaskulären Risikos und der Gesamtmortalität gezeigt werden („Window of Opportunity“). 

Sogar die Brustkrebsrate (unter reiner Östrogentherapie) war plötzlich niedriger.

 


Dieser neuerliche Schwenk in der Medizin freut uns sehr, denn wir empfehlen seit 30 Jahren jeder Frau in den Wechseljahren - mit und ohne Beschwerden - eine zarte Hormonersatztherapie bis zum 70. Lebensjahr. Eine MHT wird also nicht nur als symptomatische Therapie zur Behandlung von Wechselbeschwerden empfohlen, sondern auch für ein „Better-Aging“.

 

Da wir unsere Patientinnen durch viele Jahre begleiten, kennen wir sie beim Erreichen eines Alters von 60 und 70 Jahren.

„Welten“ sind zwischen Frauen mit und ohne MHT in diesem Lebensalter.

 


Konkret haben die Frauen mit MHT noch gute Knochen und ihr Aussehen (Haut, Haare, Erscheinungsbild), Psyche, Sexualität ist mit MHT völlig anders als ohne MHT.

 

CredoWeb: Gibt es bestimmte Voraussetzungen, welche erfüllt werden müssen, bevor man diese Art von Therapie verordnet?



Dr. Henriette & Wolfgang Motter: Die wichtigste Voraussetzung ist, dass eine MHT nur eingeleitet werden darf, wenn die eingetretene Menopause im Blut (Östradiol gesenkt, Follikel-stimulierendes Hormon erhöht) nachgewiesen werden kann.

 

CredoWeb: Was sind die Risiken und wie können diese minimiert werden?



Dr. Henriette & Wolfgang Motter:

Durch eine MHT mit natürlichen Frauenhormonen in „zarter“ Dosierung drohen nicht mehr Risiken wie sie bei einer Frau vor den Wechseljahren mit eigener, viel höherer, Hormonproduktion drohen.

 

Nur, wenn eine medikamentöse Ruhigstellung/Entfernung der Eierstöcke bei einer Frau vor den Wechseljahren notwendig ist (z.B. Hormonsensitiver Brustkrebs) soll eine MHT nicht durchgeführt werden.

In den alten MHT-Studien wurden oft falsche Hormone (z.B. Pferde-Hormone), in hoher Dosis ohne Kontrolle der verabreichten Hormone im Blut gegeben.


Unsere Vorgangsweise war und ist folgende:

Nur geringe Dosen von „natürlichen menschlichen Hormonen“ unter regelmäßiger Blut- Kontrolle des Östradiol (E2 <50) sowie Progesteron alle 2 Monate (unter Kontrolle der Endometriumhöhe) werden verordnet.

 

 

CredoWeb: Wie lange darf man Hormone wegen Wechselbeschwerden nehmen?



Dr. Henriette & Wolfgang Motter: Wenn man eine MHT nur zur Linderung von Wechselbeschwerden nehmen möchte, solange die Beschwerden dauern (Therapie-Auslassversuch).

Da wir aber der Meinung sind, dass der Lebensabschnitt zwischen 50 und 70 Jahren schöne 20 Jahre umfassen kann, empfehlen wir die MHT auch allen Frauen ohne Beschwerden bis zum 70. Lebensjahr für ein „better-aging“.



CredoWeb: Was sind die Unterschiede zwischen Phytoöstrogenen und der Hormontherapie?



Dr. Henriette & Wolfgang Motter: Phytoöstrogene sind pflanzliche Substanzen mit einer mäßig strukturellen Ähnlichkeit zum menschlichen 17ß-Östradiol.

Nach unserer Erfahrung zeigen sie nur wenig Wirkung und, wie in der Literatur beschrieben, dies nur bei mäßigen Beschwerden.

Bei einer Phytoöstrogen-Therapie wird eine Reihe von Pflanzenstoffen verabreicht, deren Dosis im Blut nicht überprüft werden kann.
Wir bevorzugen es deswegen, das Hormon-Molekül zu verabreichen, welches früher schon von den Eierstöcken produziert worden ist und welches im Blut auch überprüft werden kann.

 

Eine Phytoöstrogen-Therapie wird nur verschrieben, wenn „Menschenhormone“ abgelehnt werden.

 

Abschließend möchten wir festhalten, dass Ärztinnen und Ärzte, die ihren Patientinnen von einer Hormontherapie in den Wechseljahren abraten, eigentlich schon mit 40 Jahren die Entfernung der Eierstöcke empfehlen hätten sollen, damit sie nicht länger den „schädlichen“ Frauenhormonen ausgesetzt sind.


Tritt mit 40 Jahren eine vorzeitige Menopause („vorzeitiger Wechsel“) ein, gilt die Nicht-Empfehlung einer MHT bereits als Kunstfehler.

Was für die Zeit zwischen 40 und 50 Jahren als sinnvoll gilt, kann aber ab 50 nicht plötzlich unsinnig sein.

 

 

Interview: Christina Neumayer/CredoWeb

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