Artikel

Das Geheimnis eines gesunden Rückens

Das Geheimnis eines gesunden Rückens

CredoWeb im Interview mit Allgemeinmediziner & Experten für Osteopathie Dr. med. Sven Seewald, MSc

 

CredoWeb: Sollte man Übungen für den Rücken auch präventiv durchführen auch wenn man noch nicht an Rückenschmerzen leidet?

 

 

Dr. med. Sven Seewald, MSc: Ja, definitiv ist es sinnvoll auch präventiv was zu tun!

 

Wobei man hier unterscheiden muss, ob schon Rückenschmerzen vorhanden sind oder nicht.

Beim Rückenschmerzpatienten liegt der Grund für die Schmerzen zu 80-90 % in der Muskulatur und des Bindegewebes und zwar im Sinne von einer Verkürzung.

D.h. für den Rückenschmerzpatienten liegt der Fokus der Übungen ganz klar auf die Dehnung und Mobilisation, wohingegen derjenige der da und dort was spürt aber keinen akuten Schmerz verspürt bzw. derjenige, der präventiv was tun will, liegt der Fokus zwar auch auf der Dehnung und Mobilisation, aber in dieser Situation sollte die Kräftigung für eine gute Knochenstruktur und zur Vorbeugung einer Osteoporose nicht vernachlässigt werden.

 

2/3 Dehnung/Mobilisation und 1/3 Kräftigung


Dehnung und Mobilisation ist deswegen so wichtig, um die Verkürzungen des Alltags und durch sportliche Aktivitäten wieder auszugleichen.

 

 

CredoWeb: Welche Berufsgruppen sollten auf das Thema "Gesunder Rücken" besonders Acht geben?

 

 

Dr. med. Sven Seewald, MSc:

Ein riesengroßes Problem ist heutzutage einfach das viele Sitzen!

 

Das bedeutet, Berufsgruppen die viel sitzen, sozusagen der klassische Schreibtischtäter, hat einfach ein erhöhtes Risiko.

 

Ein Mensch, der körperlich schwer arbeiten muss, zB am Bau hat hier zwar die vermehrte Belastung aufgrund schweren Hebens etc., jedoch aus meiner Sicht ist er noch immer besser dran, als jemand der am Schreibtisch sitz und damit meist nur sehr einseitig bewegt.

 

 

CredoWeb: Wie wichtig ist richtiges Heben?

 

 

Dr. med. Sven Seewald, MSc: Natürlich ist richtiges Heben definitiv wichtig und dies zu beachten, ist das Um und Auf.

 

Noch viel wichtiger bei jeder Berufsgruppe ist, dass es eine Abwechslung in der Bewegung gibt.

Das bedeutet, die wichtigste Bewegung ist immer die Nächste!

 

Ein höhenverstellbarer Schreibtisch ist zB ein großes Thema, was natürlich sehr wichtig ist, aber die Frage ist immer, wie ich den höhenverstellbaren Schreibtisch einsetze.
Dies bedeutet jetzt nicht, dass ich alle 5 min. den Tisch auf- und abfahre, jedoch macht es auch wenig Sinn, dass ich dann über Stunden in einer stehenden Position verbleibe.

 

Eine gute Möglichkeit mehr Bewegung im Büroalltag zu schaffen, ist es beispielsweise den Drucker so zu positionieren, dass ich aufstehen muss, um mir das Ausgedruckte zu holen.

 

Wichtig ist, dass man nicht alles in Armlängenradius hat, sodass ich mich möglichst viel bewegen muss.

 

D.h. also richtiges Heben ist wichtig, aber es ist eben auch wichtig darauf zu achten, dass ich Abwechslung habe und nicht immer einseitige Bewegungen ausführen.

 

 

CredoWeb: Was soll man nun tun, wenn man bereits an Rückenschmerzen leidet?

 

 

Dr. med. Sven Seewald, MSc: Wenn Rückenschmerzen bereits vorhanden sind, ist es natürlich in erster Linie wichtig, diese von der Ärztin/dem Arzt abklären zu lassen.

 

Meiner Erfahrung nach liegt das Problem bei 80-90 % in der Verkürzung und Verkrampfung der Muskulatur d.h. der Fokus, in der Phase in der bereits Schmerzen da sind, liegt auf der Dehnungs- bzw. Mobilisationsübungen.

Wobei aus meiner Sicht hier häufig auch Fehler gemacht werden im Sinne von, dass die PatientInnen dann zu intensiv üben, sprich in den Schmerz reingehen, was definitiv kontraproduktiv ist.

Man soll auch bei einer Dehnungsübung nur soweit gehen, dass eine Spannung zwar da ist, aber kein Schmerz.


Deswegen stelle ich meinen PatientInnen immer 2 Fragen:

 

  1. Können Sie bei der Übung lächeln?
  2. Können Sie sich vorstellen auch den halben Tag in dieser Position zu bleiben?

Wenn die Pat. dies bejahen ist es gut, wenn Sie jedoch froh sind, dass die 2 min. um sind, weil es sich unangenehm anfühlt, hat man definitiv zu viel gemacht.

 

Der Faktor Zeit ist ebenso wichtig.

 

Die meisten verbleiben in einer Dehnungsposition ca. 30 sec. - aus meiner Sicht ist dies jedoch deutlich zu kurz.

Um auch einen Effekt auf das Bindegewebe zu haben sollte man mind. 2. min. in der Dehnungsposition verharren.

 

Man sollte darauf achten, diese 3 Fehler zu vermeiden:

 

1. Nicht zu intensiv trainieren bzw. dehnen!

2. Nicht zu kurz in der Dehnungsphase bleiben!

3. Auf eine gründliche Ausführung achten!

 

 

CredoWeb: Wie kann man seinen Alltag rückenfreundlicher gestalten?

 

 

Dr. med. Sven Seewald, MSc: Wie schon vorhin erwähnt, spielt Abwechslung in der Bewegung eine äußerst wichtige Rolle!

Man sollte sich daher überlegen, in welcher Position ich die meiste Zeit meines Tages verbringe und dann entsprechende Ausgleichsübungen machen.

 

Ein Mensch der zB am Fließband steht und jeden Tag hunderte-Male die gleiche Armbewegung macht, muss sich überlegen, welche Muskeln werden hier einseitig belastet, um dann Ausgleichsübungen zu machen.

Das heißt in dem Fall für den klassischen Schreibtischtäter die vordere Muskelkette zu dehnen bzw. zu entlasten, d.h. mal aufzustehen & sich zurück zu beugen zB über einen Gymnastikball, um die vordere Kette aufzumachen und zu dehnen.

 

 

Die Problematik im oberen Bereich sprich Brust- und Halswirbelsäule ist, dass die Tastatur häufig nach vorne geschoben wird und damit kommt es zu einer Verkürzung der Brustmuskulatur d.h. man sollte sich im Bürostuhl auch einmal zurücklehnen und die Arme zurücknehmen, um die Brustmuskulatur zu öffnen.

 

Welche Übungen sinnvoll sind, hängt natürlich davon ab, welchen Job ich habe und was meine alltäglichen Bewegungen sind.

 

Es geht vor allem darum, den berufsspezifischen Verkürzungen des Alltags gezielt entgegenzuwirken.

 

 

Interview: Christina Neumayer/CredoWeb

Kommentare