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DNA aus sterbenden Zellen könnte bald Leben retten

Wissenschaftler arbeiten an faszinierenden Methoden, im Blut zirkulierende DNA bis zu ihrem ursprünglichen Gewebe zurück zu verfolgen. Das bietet Perspektiven für ganz neue diagnostische Tests.


Das minimal-invasive Aufspüren von Zelluntergang kann eine wertvolle Informationsquelle sein, da absterbende Zellen bei einer ganzen Reihe von akuten, degenerativen und neoplastischen Erkrankungen eine Rolle spielen. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass bei schweren Gewebeschäden cell-free circulating DNA (cfDNA) ins Blut freigesetzt wird. Diese wird zwar rasch – auf bisher unbekannte Weise – wieder abgebaut, dennoch besteht ein diagnostisches Fenster, das gerade in der frühen Phase einer Erkrankung wichtige Anhaltspunkte geben kann.

Die Vorteile eines Einsatzes von cfDNA-Diagnostik liegen auf der Hand. Herkömmliche Methoden können nämlich in den meisten Fällen den Zelluntergang nur sehr ungenau durch seine funktionalen Konsequenzen feststellen. Etwa Hyperglykämien bei Diabetes oder kognitive Defizite nach Schädel-Hirntrauma. Diese Messungen sind meist wenig sensitiv und liefern oft erst in fortgeschrittenem Krankheitsverlauf Ergebnisse – manchmal ist es dann für gewisse Therapieformen schon zu spät.

  

Dem Zelltod auf der Spur

Derzeit hat cf-DNA bereits aufstrebende Bedeutung als diagnostisches Tool für das Überwachen von Krebserkrankungen oder Abstoßungsreaktionen nach Organtransplantationen. Jedoch basieren die derzeitigen DNA-Sequenziermethoden auf fremdartigen Abweichungen in DNA-Sequenzen. Daher sind sie bei Geweben mit einem normalen, gesunden Genom nicht einsetzbar.

Eine israelische Forschergruppe hat nun eine Methode zum Aufspüren des Zelltodes entwickelt, die auf charakteristischen Mustern der Methylierung von genetisch normaler cfDNA basiert. Dazu durchforsteten sie entsprechende Datenbanken um DNA-Methylierungs-Signaturen zu finden, die für ein bestimmtes Gewebe typisch sind. Weiters gelang es, eine Technologie zu entwickeln, um diese Signaturen in gemischten DNA-Proben aufzuspüren.

  

Diabetes, MS, Pankreas-Ca: Alles detektierbar

Rasch zeigte sich das große Potenzial der Methode: Pankreatische Beta-Zellen-DNA wurde im Blutkreislauf von Patienten mit kürzlich diagnostiziertem Typ-1-Diabetes gefunden und ebenso bei inselzelltransplantierten Personen. Die DNA von Oligodendrozyten fand sich im Blut von Multiple-Sklerose-Patienten mit schubförmigen Verlauf.Die DNA von neuronalen Zellen und Gliazellen wurde bei Patienten nach Schädel-Hirntraume festgestellt. Bei Pankreatitis oder Pankreaskarzinom wiederum wurde die DNA exokriner Pankreaszellen detektiert.

„Diese Studie belegt, dass die Methode machbar ist“, so die Forscher, „und dass das geschädigte Organ wie auch der Umfang des Zellunterganges im menschlichen Organismus bestimmt werden kann.“ Der Ansatz könne prinzipiell benutzt werden, um cfDNA von jedem beliebigen Zelltypus des menschlichen Körpers zu gewinnen und auszuwerten. So könne auf minimal-invasive Weise ein breites Spektrum von Erkrankungen, aber auch normale Dynamiken innerhalb des Gewebes beobachtet werden.

  

Quelle: Roni Lehmann-Werman et al. Identification of tissue-specific cell death using methylation patterns of circulating DNA. PNAS online. www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1519286113

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