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KAV-Spitalsärzte: wir brauchen mehr ärztliches Personal, um das Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten

Beim Warnstreik der Wiener KAV-Spitalsärzte erzählen Teilnehmer im Gespräch mit CredoMedia was das eigentliche Ziel der Demonstration ist, woran das öffentliche Gesundheitssystem momentan leidet und warum es in Zukunft scheitern könnte.


CredoMedia: Welche Forderungen müssen für Sie persönlich unbedingt erfüllt werden, damit die Ärzteschaft und der KAV zu einer Lösung kommen?

Arzt: Meiner Meinung nach ist die wichtigste Forderung, dass genug ärztliches Personal präsent ist, um die Jugend auszubilden, weil dafür eigentlich keine Zeit mehr bleibt. Obwohl die ärztliche Dienstzeit aus einem guten Grund – die Arbeitszeitreform – stark reduziert worden ist, kann sie nicht kompensiert werden. Wir brauchen mehr ärztliches Personal, um unsere Leistungen weiter anbieten zu können  eine Alternative ist, die Leistungen deutlich zu reduzieren. Die Jungen, welche nachkommen, können unter diesen Voraussetzungen nicht ausgebildet werden, genauso wie die Patienten, die nicht ausreichend gut betreut werden können.

CredoMedia: Und wie ist diesbezüglich die Stimmung bei Ihnen im Spital?

Arzt: In allen Spitälern ganz schlecht! Man muss nur die richtigen Leute fragen – in den Medien werden die Führungskräfte gefragt und in Wirklichkeit darf man eigentlich keine Medienkontakte haben, außer wenn sie von der Generaldirektion genehmigt worden sind. Und wenn man die Leute fragt, die das Spital letztlich am Leben erhalten – also alle Turnusärzte, Assistenzärzte, Fachärzte, Oberärzte – dann wird man merken, dass die Stimmung in allen Spitälern ganz, ganz schlecht ist, weil es so nicht funktionieren kann. Und deswegen sind wir heute alle hier.

CredoMedia: Und haben Sie Ideen dazu, wo gespart werden kann, damit wieder mehr Geld für das Spitalswesen frei wird?

Arzt: Auf jeden Fall kann man mit einer wesentlich besseren Planung, was zum Beispiel die Gebäude betrifft, viel Geld einsparen. Das hat die Direktion im Falle vom Krankenhaus Nord, welches jetzt gebaut wird, offensichtlich nicht getan, da sonst nicht so viele Millionen extra für dieses Krankenhaus gezahlt werden müssten. Da so viel Geld in solchen Angelegenheiten verloren geht, ist keines mehr für die Aufrechterhaltung des Betriebes da.

CredoMedia: Sie sind fast „ausgetrickst“ worden, weil versprochen wurde, dass die Notfallambulanzen ausreichend ausgebaut werden, allerdings sind sie es aber noch nicht. Können Sie abschätzen wann sie fertig sein werden?

Arzt: Nein, wir als Ärzte haben keinen Einblick in die Pläne und auch wie es in den anderen Spitälern aussieht. Aber uns ist bekannt, dass einige Notfallaufnahmen bei weitem nicht so gut funktionieren, wie sie funktionieren sollten und dass nicht ausreichend Personal vorhanden ist, um sie zu besetzen. Das größte Problem ist die Arbeitsverdichtung, die durch die reduzierte ärztliche Arbeitszeit vorhanden ist. Wenn weniger ärztliches Personal da ist, bleiben einige Aufgaben nicht gemacht, da die Pflege auch nicht alles übernehmen kann. Durch diese Arbeitsverdichtung kommen die Kollegen noch weiter ins Burnout und das wird bedeuten, dass viele den Spitalsjob an den Nagel hängen und sich etwas anderes suchen werden. Das heißt der KAV wird kaum mehr Ärzte bekommen, die das System überhaupt aufrechterhalten – und dann wird es für die Patienten wirklich kritisch.

Außerdem müssen diese Arbeitsstellen besonders attraktiv gemacht werden, da die Arbeit in einer Notfallambulanz sicher eine der schwierigsten bei den KAV-Ärzten ist. Die Bereitschaft hier zu arbeiten ist nicht so groß, weil diese Tätigkeit sehr belastend ist und eigentlich müsste man sie besonders würdigen, damit sich ausreichend Leute finden, die diese Tätigkeit machen. Das ist der Ansatzpunkt und solange dieses Problem nicht wirklich gelöst ist, ist die Entlastung der Ärzte auf den Abteilungen schwierig. Damit eine Ausdünnung der Nachtdienste möglich wird, muss also die Einsparung von Nachtdiensten zur Folge haben, dass Notfallambulanzen eine Absystemisierung vom Personal in die Tagespräsenz wirklich gut abfangen können.

CredoMedia: Bedeutet das, dass von den Ärzten verlangt wird, dass sie unbezahlt Überstunden leisten?

Arzt: Ja, es gibt genug Kollegen, die vom Arbeitsgesetz her gar nicht mehr arbeiten dürften und ihre Sachen aber trotzdem aufarbeiten, ohne die Überstunden zu melden, weil sie das Empfinden haben sie müssen aufgrund eines gewisses ärztlichen Ethos dem Patienten gegenüber den Betrieb am Laufen halten. Und das ist kein Zustand auf lange Sicht. Letztlich ist das eine ganz spezielle Verantwortung, die man dem Patienten gegenüber hat und es ist eine Einlassungsgefährdung, dass man unter diesen Bedingungen weiter arbeitet. Und wenn wir es nicht sagen, wer soll es dann machen?

CredoMedia: In den Medien wurde berichtet, dass die Pflege mit dem Streik nicht einverstanden ist – was meinen Sie dazu?

Arzt: Die Frage ist wen man fragt – die Medien fragen die Pflegedirektoren, die nicht selber am Bett stehen und auch keine Patienten betreuen. Allerdings wurde das Ziel dieses Streiks trotz aller Anstrengungen der Ärztekammer in den Medien leider nicht transparent dargestellt. Diesbezüglich gibt es Pflegepersonen, die glauben, dass wir heute für mehr Gehalt streiken, was ein großes Missverständnis ist, weil es darum heute sicherlich nicht geht. Es geht nur um die Patientenversorgung, die unter diesen Bedingungen nicht mehr gewährleistet ist.

Ich finde es eigentlich traurig, dass die Pflege nicht mit uns gemeinsam hier auf der Straße steht, da es ja letztlich vor allem auch die Pflege trifft – sie haben keine Ärzte mehr zur Verfügung, die sie bei der Betreuung der Patienten eindeutig brauchen.

CredoMedia: Eigentlich streiken Sie dann für mehr Personal, oder?

Arzt: Letztlich ja – für eine Umsetzung der Reform unter stärkerer Einbeziehung der Betroffenen, d.h. das was beschlossen und unterschrieben worden ist, muss natürlich auch praktiziert werden, aber man fährt über uns drüber. Das ist der Punkt.

Schlussendlich geht es nur mit mehr Personal und selbst durch noch so viele Reformen kann ein Personalabbau nicht kompensiert werden. Wenn kein Geld mehr für das Gesundheitswesen vorhanden ist, stehen wir wieder vor diesem Dilemma, in welchem sich die Stadt Wien befindet. Und wenn man tatsächlich kein ärztliches Personal mehr einstellen kann, dann müssen die Leistungen reduziert werden. Wenn man das komplette Programm nicht mehr anbieten kann, wenn das Gesundheitssystem es nicht mehr schafft, muss die Sozialdemokratie zugeben, dass ein gutes öffentliches Gesundheitswesen nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

CredoMedia: Vielen Dank für das spannende Gespräch!

*Das Interview führten Christina Kolin und Simona Ganeva

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