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Leitlinien zur Thrombektomie

Leitlinien zur Thrombektomie

Seit den ersten Interventionen hat die Zahl der PatientInnen, die mit endovaskulärer Thrombektomie behandelt werden, beständig zugenommen. Die Auswertung einer Datenananalyse von 301 Schlaganfallpatienten zeigte, dass die endovaskuläre Thrombektomie sicher und wirkungsvoll ist.

 

Die Therapie des akuten Schlaganfalls macht große Fortschritte. Neben der intravenösen Thrombolyse, also der medikamentösen Auflösung von Gerinnseln, gewinnt die endovaskuläre Thrombektomie zunehmend an Bedeutung, bei der mittels Katheter der Thrombus aus dem Blutgefäß herausgezogen wird.

 

Bei sieben bis zehn Prozent der ischämischen Schlaganfälle – in Österreich betrifft das etwa 1.600 PatientInnen im Jahr – sind die mittlere Gehirnschlagader (A. cerebri media) oder die innere Halsschlagader (A. carotis interna) verschlossen. Wenn eines der großen Hirngefäße durch ein sehr langes Gerinnsel verstopft ist, funktioniert die Thrombolyse oft nur bedingt. So besteht etwa ab einer Thrombuslänge von neun Millimetern keine Chance mehr auf eine Wiedereröffnung durch die intravenöse Lysetherapie. Mit der Kombination von Thrombektomie und Thrombolyse haben wir jetzt auch eine wirksame und sichere Methode zur Behandlung solcher Großgefäßverschlüssen zur Verfügung.

 

Die Überlegenheit der Thrombektomie bei ausgewählten Patientengruppen gegenüber der medikamentösen Standard-Therapie wurde jüngst in mehreren unabhängig voneinander durchgeführten Studien und einer Meta-Analyse aller aktuellen Untersuchungen überzeugend belegt. Für welche Patienten diese endovaskuläre Behandlungsmethode infrage kommt, entscheidet sich in der Stroke Unit anhand einer CT-Angiographie. Bei einem Verschluss der großen Hirngefäße und bei großen Thromben ist die endovaskuläre Thrombektomie zunehmend der Standard in der Akuttherapie (1).

Qualitätssicherung und Dokumentation

Seit 2003 werden Daten zur Schlaganfall-Akutbehandlung in den Stroke Units in einem österreichweiten Register dokumentiert. Durch diese Datenbank ist eine detaillierte Analyse zahlreicher klinisch relevanter Prozesse im Rahmen der Schlaganfallversorgung möglich. Seit Oktober 2013 werden auch alle PatientInnen, die mittels endovaskulärer Thrombektomie behandelt werden, in das Register aufgenommen. Daher stehen uns seit diesem Zeitpunkt Daten aus der klinischen Praxis zu dieser neuen Behandlungsmethode zur Verfügung, die mit den jüngsten entsprechenden Studien verglichen werden können. Österreich ist wohl aktuell das einzige Land, in dem es eine derartige flächendeckende Qualitätskontrolle zur endovaskulären Therapie gibt.

Hohe Behandlungsqualität, gute Ergebnisse

In einer kürzlich veröffentlichten Arbeit wurden auf Basis des Registers die Daten von 301 Schlaganfallspatienten in Österreich analysiert, bei denen im Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis 30. September 2014 aufgrund eines ischämischen Schlaganfalls eine mechanische Thrombektomie durchgeführt wurde. Die Ergebnisse der Datenananalyse stehen in Einklang mit den internationalen Studien, die nachwiesen, dass die endovaskuläre Thrombektomie sicher und wirkungsvoll ist.

 

50,5 Prozent dieser SchlaganfallpatientInnen waren Frauen, das Durchschnittsalter lag bei 70,5 Jahren. 193 PatientInnen (64,1 Prozent) erhielten zusätzlich zur mechanischen Thrombektomie eine intravenöse Thrombolyse. Bei der Mehrzahl der Thrombektomien wurden „stent retrievers“ eingesetzt (78,1 Prozent). Bei 242 PatientInnen (81,4 Prozent) erreichte die endovaskuläre Therapie eine ausreichende Wiederherstellung des Blutflusses. 43,8 Prozent der PatientInnen zeigten nach der Therapie gute funktionale Ergebnisse – also keine oder eine sehr geringe Behinderung.  Die Daten zeigen auch, dass die Auswahl und der Transport der PatientInnen innerhalb des Netzwerkes von Schlaganfall-Einrichtungen gut funktioniert.

Ziel: Flächendeckende Versorgung rund um die Uhr

Seit den ersten Interventionen hat die Zahl der PatientInnen, die mit endovaskulärer Thrombektomie behandelt werden, beständig zugenommen. Waren es im Jahr 2011 noch weniger als 200 Interventionen in Österreich, so wird heuer bis zum Jahresende die Marke der 600 Eingriffe überschritten sein. Auf Basis der Ergebnisse der Schlaganfall-Datenbank gehen wir davon aus, dass in Zukunft jährlich 200 Patienten pro 1 Million Einwohner mittels endovaskulärer Thrombektomie zu behandeln sein werden.

 

Aufgrund der nachgewiesenen Wirksamkeit sollte die neue Behandlungsmethode auf Basis des „Stroke Unit“-Netzwerkes möglichst bald in allen Versorgungsregionen Österreichs über 24 Stunden täglich und sieben Tage die Woche verfügbar sein. Dies war zuletzt bereits in fünf Bundesländern der Fall (Kärnten, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol). In Wien steht die Umsetzung einer 7 Tage/24 Stunden-Versorgung unmittelbar bevor. Damit ergäben sich auch Möglichkeiten der Versorgung für das Burgenland und Niederösterreich.

Leitlinien zur Thrombektomie

Die relevanten europäischen Fachgesellschaften haben bereits eine gemeinsame Therapieempfehlung zur endovaskulären Thrombektomie veröffentlicht. Auch die Österreichische Schlaganfall-Gesellschaft erstellt zurzeit ein Positionspapier zur endovaskulären Akut-Therapie des Schlaganfalls. Dieses wird unter anderem eine Orientierung bieten, unter welchen Bedingungen und bei welchen PatientInnen die Methode eingesetzt werden kann. Etwa ist ein hohes Alter kein Ausschließungsgrund. Es wird das ideale Zeitfenster definiert und geklärt, wann intravenöse Thrombolyse und meachische Thrombenentfernung kombiniert werden sollen. Auch wird festgelegt, welche Strukturkriterien in den Stroke Units erfüllt sein müssen, die den Eingriff durchführen. Krankenhäuser ohne Möglichkeit der mechanischen Thrombektomie müssen definieren, wie sie geeignete PatientInnen rasch an eine Stroke Unit mit mechanischer Thrombektomie verlegen können.

Forschung: Auch kleine Länder können viel bewirken

Die wichtigsten der bereits erwähnten Studien zum Nachweis der Bedeutung der endovaskulären Thrombektomie stammen aus den Niederlanden und Katalonien. In beiden Regionen haben die gesundheitspolitisch Verantwortlichen jeweils diese randomisierte Studie finanziell unterstützt. Das zeigt uns, wie in der Versorgungsforschung auch kleine Länder mit viel Hirn und nur wenigen Mitteln viel umsetzen können.
 

(1) Campbell et al. (2015) Endovascular stent thrombectomy: the new standard of care for large vessel ischaemic stroke. Lancet Neurology 14:846-854;
(2) Serles et al. (2016) Endovascular stroke therapy in Austria: a nationwide 1-year experience. European Journal of Neurology 23: 906-911.

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