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Bildgebung bei Rückenschmerzen wird oft überschätzt

Bildgebung verbessert selten Diagnose und Behandlung. Studie nimmt auch die Ärzte in die Pflicht: Sie müssen falsche Erwartungen der Betroffenen korrigieren


Bei Rückenschmerzen wird häufig falsch reagiert. Das trifft aber nicht nur auf die Betroffenen, sondern auch auf die behandelnden Ärzte zu, die oft nicht ausreichend aufklären. Außerdem wird die bildgebende Diagnostik überschätzt. Das sind die zentralen Ergebnisse der Studie "Faktencheck Rücken" im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.

Demnach meint jeder Zweite (52 Prozent), dass man bei Rückenschmerzen einen Arzt konsultieren sollte. 60 Prozent der in der Studie Befragten erwarten außerdem schnellstens eine bildgebende Untersuchung. Und 69 Prozent sind der Meinung, dass dadurch die genaue Ursache des Schmerzes gefunden wird. Das trifft aber nicht zu. Bei höchstens 15 Prozent der Betroffenen ist eine spezifische Ursache für den Schmerz feststellbar. Die meisten Bilder verbessern oft weder Diagnose noch Behandlung.

Viele unnötige Untersuchungen bei Rückenschmerzen

Außerdem rücken die Ärzte häufig die falschen Erwartungen der Patienten nicht zurecht, meinen die Autoren. Dadurch kommt es neben übermäßig vielen Arztbesuchen auch zu unnötig vielen Bildaufnahmen. Allein 2015 haben Ärzte über sechs Millionen Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahmen vom Rücken veranlasst. "Oft werden die Befunde der Bildgebung überbewertet. Dies führt zu unnötigen weiteren Untersuchungen und Behandlungen, zur Verunsicherung des Patienten und kann sogar zur Chronifizierung der Beschwerden beitragen", so Jean-Francois Chenot von der Universität Greifswald, medizinischer Experte der Studie. Die bildgebende Diagnostik erfolgt zudem oft vorschnell. Bei 22 Prozent wurde eine Aufnahme vom Rücken bereits im Quartal der Erstdiagnose angeordnet. Bei jedem zweiten Betroffenen wurde ein Bild veranlasst, ohne vorher einen konservativen Therapieversuch unternommen zu haben.

Körperliche Aktivitäten so weit wie möglich beizubehalten

85 Prozent der akuten Rückenschmerzen gelten als medizinisch unkompliziert und nicht spezifisch. Ärztliche Leitlinien empfehlen bei Rückenschmerzen ohne Hinweise auf gefährliche Verläufe (Wirbelbrüche oder Entzündungen), körperliche Aktivitäten so weit wie möglich beizubehalten, Bettruhe zu vermeiden und keine bildgebende Diagnostik durchzuführen. Die Ärzte weichen laut der Studie jedoch von diesen wissenschaftlichen Empfehlungen häufig ab.
So wird 43 Prozent der Betroffenen Ruhe und Schonung empfohlen. Zudem verstärken Ärzte oft das Krankheitsgefühl der Betroffenen, anstatt sie zu beruhigen. 47 Prozent der Betroffenen wird vermittelt, dass der Rücken "kaputt" oder "abgenutzt" sei. "Ärzte müssen als Experten falsche Kenntnisse und Erwartungen von Patienten korrigieren", meint Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.

Quelle: Umfrage zu Rückenschmerzen (pdf)/APA

Bildquelle: APA/dpa/Arno Burgi

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