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Spitalsärzteschaft 2017 - Herausforderungen und Lösungskonzepte

Die von der Politik geplanten Einsparungen im Zuge der Gesundheitsreform bringen zusätzliche Schwierigkeiten mit sich


Spitalärzte

Überlaufene Ambulanzen, überbordende Bürokratie, steigende Arbeitsverdichtung: Die Spitalsärzteschaft steht vor großen Herausforderungen, die es 2017 zu bewältigen gilt. Die von der Politik geplanten Einsparungen im Zuge der Gesundheitsreform bringen zusätzliche Schwierigkeiten mit sich. Im Rahmen einer Pressekonferenz präsentierte die Bundeskurie Angestellte Ärzte der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) am Mittwoch ihre Lösungsansätze für die bevorstehenden demografischen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen. Die wichtigsten Forderungen: keine weiteren Einsparungen, Entlastung der Spitäler durch Ausbau des wohnortnahen Angebots, Verbesserung der ärztlichen Arbeitsbedingungen, Entlastung der Spitalsärzteschaft etwa von Bürokratie, Weiterentwicklung gut funktionierender Modelle wie z.B. teilweise Ausbildung in der Lehrpraxis und die Einbindung der Ärzteschaft in die Gestaltung der künftigen medizinischen Versorgung.

Der Politik mangelt es an ausgefeilten Konzepten

„Die Politik verspricht uns gleichbleibende, ja, sogar bessere Qualität im Gesundheitswesen bei sinkenden Kosten. Das ist eine Rechnung, die einfach nicht aufgehen kann“, sagte ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann Harald Mayer. Die Ärzteschaft habe im Rahmen einer groß angelegten Informationskampagne im November und Dezember 2016 auf ebendiese Diskrepanz hingewiesen. „Weniger ist nicht mehr“, betonte Mayer und verwies darauf, dass nach wie vor ein ausgefeiltes Versorgungskonzept für Spitäler und niedergelassenen Bereich fehle. Für die überlaufenen Spitalsambulanzen würden Primärversorgungszentren als Allheilmittel angepriesen, die Umsetzung lasse jedoch auf sich warten. Dazu werde mit Bausteinen gearbeitet, die nur punktuell zum Einsatz kämen. „Der Gedanke, durch eine Hotline wie Teweb die überlaufenen Spitalsambulanzen zu entlasten, ist zwar begrüßenswert. Allerdings wäre schon lange Zeit für die jetzt anlaufende und bis 2018 dauernde Pilotphase gewesen. So verzögert sich die Entlastung der Ambulanzen weiterhin“, zeigte Mayer auf.

Es fehle an einem wissenschaftlich aufbereiteten, abgestimmten Strukturplan Gesundheit, es fehle an Konzepten für den Zugang zu und für die Verfügbarkeit von allen notwendigen Leistungen im intra- und extramuralen Bereich nach patientenorientierten und qualitätsgesicherten Kriterien, es fehle an Konzepten für die Lösung der Nahtstellenproblematiken. Stattdessen gebe es Doppel- und Mehrfachzuständigkeiten, inflationäre Gesetzesbestimmungen wie z.B. über 30 unterschiedliche Dienstrechte und zehn Krankenanstaltengesetze. „Das ist bürokratischer und organisatorischer Irrsinn. Man muss hier ansetzen und vereinheitlichen“, betonte der ÖÄK-Vizepräsident. Auch die Abgrenzungsprobleme zwischen intra- und extramuralem Bereich sowie zwischen den Bereichen Gesundheit und Soziales müssten angegangen werden. „Die angesprochenen Problembereiche betreffen ja nicht nur uns Ärzte, sondern auch andere Gesundheitsberufe und in letzter Konsequenz immer auch die Patienten“, führte Mayer aus. Es mangle an Konzepten, wie diese Probleme angegangen und beseitigt werden sollten.

Sparstift trotz teurerer medizinischer Versorgung

Mayer: „Anstatt sich um strukturelle Probleme zu kümmern, setzt die Politik den Sparstift an und koppelt den jährlichen Zuwachs der Ausgaben im Gesundheitswesen an das Wirtschaftswachstum – und das in einer Zeit, in der die medizinische Versorgung zwar immer besser, aber dank des medizinischen Fortschritts auch kostspieliger wird.“ So wird etwa Krebs durch neue therapeutische Ansätze zunehmend zu einer chronischen Erkrankung. Gleichzeitig steigen dadurch aber auch die Behandlungskosten. „Zwischen 2010 und 2015 sind die Ausgaben allein für Krebsmedikamente um 39 Prozent gestiegen, Experten gehen davon aus, dass die Kosten jährlich weiter um sechs bis acht Prozent anwachsen werden. Wie soll das mit weniger Geld im System bewerkstelligt werden?“, fragte der ÖÄK-Vizepräsident. Er verwies darauf, dass allein im Jahr 2014 33 Mrd. Euro für laufende Gesundheitsausgaben und weitere 2,4 Mrd. Euro für Investitionen im Gesundheitsbereich ausgegeben worden seien.

„Im Zeitraum zwischen 1990 und 2014 sind die Ausgaben im Durchschnitt um fünf Prozent pro Jahr gestiegen. Ein Ende des Aufwärtstrends ist nicht in Sicht. Trotzdem soll gespart werden“, kritisierte der ÖÄK-Vizepräsident. Er gehe davon aus, dass der bisher noch relativ kleine Anteil an privaten Gesundheitsausgaben künftig weiter wachsen werde und dadurch die Zwei-Klassen-Medizin befeuert werde. Mayer: „Die Politik muss dafür sorgen, dass die Betreuung der Patienten unabhängig vom Einkommen gewährleistet bleibt. Man darf die medizinische Versorgung nicht einem falsch verstandenen Spargedanken opfern.“

Demografische Herausforderungen – Pensionierungswelle bei Spitalsärzten

„Die Bevölkerung wird immer älter. Die durchschnittliche Lebenserwartung von Frauen liegt derzeit bei 84 Jahren, die der Männer bei 79,2 Jahren. Wir müssen davon ausgehen, dass die Lebenserwartung bis 2060 um weitere 4,7 Jahre für Männer und um 4,5 Jahre für Frauen steigen wird“, führte Mayer aus. Die steigende Lebenserwartung sei dabei nicht notwendigerweise mit mehr gesunden Lebensjahren verbunden, im Gegenteil: Ab dem 60. Lebensjahr steige der Arzneimittelbedarf an, viele Menschen hätten mit chronischen Erkrankungen zu kämpfen. Dadurch würden auch die Kosten für das Gesamtsystem weiter anwachsen.

Zu berücksichtigen ist aber auch die demografische Entwicklung im Bereich der Ärzteschaft: Während im Jahr 2005 nur elf Prozent der angestellten Ärztinnen und Ärzte (2.691 Personen) über 55 Jahre alt gewesen sind, waren es im Jahr 2015 bereits 6.419 Ärztinnen und Ärzte (21%). „In den kommenden zehn Jahren wird uns eine Pensionierungswelle überrollen. Wenn jetzt nicht gegengesteuert wird, wird das dramatische Konsequenzen für die medizinische Versorgung haben“, warnte Mayer.

Um den medizinischen Nachwuchs ins Boot zu holen bzw. dafür zu sorgen, dass Jungärztinnen und –ärzte auch im Land blieben, müsste man verschiedene Maßnahmen ergreifen. So sei es unter anderem dringend erforderlich, die seit Jahren überbordende Bürokratie einzudämmen und beispielsweise die von der Bundeskurie seit Langem geforderten Administrationsassistenten zu installieren.

Abschließend forderte Mayer einmal mehr klare Zuständigkeiten, einen einheitlichen rechtlichen Rahmen sowie klare Konzepte für die Zukunft: „Anders wird es nicht möglich sein, die Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau zu halten oder gar zu steigern.“

Die Forderungen der Bundeskurie Angestellte Ärzte

• Keine weiteren Einsparungen (wie längere Wartezeiten, eingeschränktes Angebot, Krankenbetten am Gang etc.)
• Die Politik muss der Bevölkerung reinen Wein einschenken: Kostenwahrheit/Leistungswahrheit sowie transparente Informationen über Leistungseinschränkungen
• Entlastung der Spitalsambulanzen durch Ausbau des wohnortnahen Angebots
• Verbesserung der ärztlichen Arbeitsbedingungen sowohl für ältere als auch für jüngere Ärztinnen und Ärzte
• Familienfreundliche Lösungen und Zukunftsperspektiven für den medizinischen Nachwuchs
• Weg vom ökonomischen Zwang bei ärztlichen Entscheidungen! Die Ärzteschaft ist nicht der Mangelverwalter des Gesundheitssystems.
• Strukturierter Weg des Patienten durch das System
• Entlastung der Ärzteschaft von Tätigkeiten, die an Pflegepersonal delegiert werden können; Gesamtverantwortung soll beim Arzt liegen
• Entlastung von Bürokratie durch Einsatz von Dokumentationsassistenten, durch administrative Unterstützung und moderne IT-Lösungen
• Weiterentwicklung jener Aspekte, die sich bewährt haben und die gut funktionieren (z.B. Lehrpraxis)
• Einbindung der Ärzteschaft in die Weiterentwicklung der medizinischen Versorgung
• Umsetzung des von der Bundeskurie erarbeiteten Konzepts „Spitalsarzt 2025“
• Beseitigung von Doppel- und Mehrfachzuständigkeiten im Gesundheitswesen: über 30 unterschiedliche Dienstrechte, zehn Krankenanstaltengesetze. Es braucht klare rechtliche Rahmenbedingungen, klare Zuständigkeiten, klare Konzepte für die Zukunft.

Quelle: ÖÄK

Bildquelle: shutterstock

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